Nahaufnahme:Die Hilfsdiplomatin

Nahaufnahme: "Bildung sollte eine Treppe sein, die auch das ärmste Mädchen aus dem abgelegensten Dorf betreten kann." Alice Albright.

"Bildung sollte eine Treppe sein, die auch das ärmste Mädchen aus dem abgelegensten Dorf betreten kann." Alice Albright.

(Foto: oh)

Alice Albright will Grundschulen für die Ärmsten finanzieren. Dafür sammelt sie im reicheren Teil der Erde Spenden. Am Ende geht es um "die Art, wie wir Geld verteilen", sagt die Ex-Bankerin.

Von Kristiana Ludwig

Wenn man Alice Albright glaubt, haben der globale Finanzmarkt und die Frage, in welchem afrikanischen Dorf ein Schulbus abfährt, viel gemeinsam. "Es zählen messbare Resultate", sagt sie. Albright leitet die Globale Bildungspartnerschaft, einen Verbund der Regierungen von Entwicklungs- und Industrieländern, Wirtschaftsunternehmen und zivilen Hilfsorganisationen. Sie will, dass die Bildungsminister armer Länder die Kinder fördern, deren Familien sich keine Schule leisten können. Dafür sammelt sie im reicheren Teil der Erde Spenden. Am Ende geht es um "die Art, wie wir Geld verteilen", sagt sie. Damit hat sie Erfahrung. Früher war sie Bankerin.

Die 55-jährige US-Amerikanerin Alice Albright hat schon öfter die Seite gewechselt. In großen Finanzunternehmen wie der Carlyle Group, JP Morgan oder der Bankers Trust Company verhandelte sie mit Unternehmen in Entwicklungsländern, 2001 stieg sie bei der globalen Impfallianz ein - als Finanzchefin. Acht Jahre später ging sie zurück ins Finanzgeschäft und wurde zur Vizepräsidentin der staatlichen Export-Import Bank berufen. Dort unterstützte sie amerikanische Unternehmen beim Verkauf ihrer Produkte ins Ausland.

Seit vier Jahren ist Albright nun wieder Entwicklungshelferin. Für die Bildungspartnerschaft spricht sie mit Regierungen auf der ganzen Welt. Der deutsche Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat Albrights Partnerschaft in seinen neuen "Marshallplan für Afrika" geschrieben. Statt wie bisher sieben Millionen Euro im Jahr will die Bundesregierung nun neun Millionen geben. Im Vergleich zu Großspendern wie Großbritannien, den Niederlanden oder Norwegen hat Deutschland damit aber immer noch einen sehr kleinen Anteil am Budget der Partnerschaft, von rund zwei Prozent. "Ich möchte, dass Deutschland seinen Beitrag erhöht", sagt Albright. Es ist eine Forderung, wie sie Politiker formulieren. Nach vielen Jahren im Finanzsektor ist sie jetzt dort angekommen, wo eigentlich ihre Wurzeln liegen: in der Diplomatie.

Die Mutter von Alice Albright heißt Madeleine Albright. Für die Demokraten war sie die erste weibliche Außenministerin der Vereinigten Staaten und ist heute, mit 79 Jahren, noch immer politisch aktiv. Erst am Mittwoch twitterte sie, dass sie aus Solidarität zu Muslimen dem Islam beitreten wolle. "Meine Mutter ist öfter auf Reisen als ich", sagt Alice Albright. Beim Umgang mit den Offiziellen der Welt tauschten sich die beiden Frauen jetzt aus.

Die Globale Bildungspartnerschaft positioniert sich auch gegenüber der Bundesregierung. Albright spricht von einer "globalen Bildungskrise", die nicht durch Stipendienprogramme für ausländische Studenten lösbar sei. "Mit einem Stipendium finden nur die reichsten Kinder, die ohnehin die meisten Vorteile haben, ihren Weg zu Universitäten in Europa oder den USA", sagt sie, und: "Bildung sollte eine Treppe sein, die auch das ärmste Mädchen aus dem abgelegensten Dorf betreten kann." Die Partnerschaft will daher kostenlose Grundbildung fördern. Schlechte Bildungssysteme seien nicht nur ein Grundübel armer Länder, sondern auch eine der wichtigsten Ursachen von Flucht und Migration, sagt Alice Albright.

Eine der Ideen, mit denen Albright die Bildungskrise angehen will, klingt allerdings wieder ganz nach Finanzfrau. Sie schlägt eine "Bildungsversicherung" vor, die einspringen soll, wenn staatliche Systeme zusammenbrechen - etwa durch ein Erdbeben oder andere Erschütterungen, die Entwicklungsländer heimsuchen könnten. Ein teures Unterfangen, wenn Versicherungskonzerne Millionen arme Familien absichern sollen. "Man könnte argumentieren, es nicht zu tun, ist teurer", sagt Alice Albright.

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