Nahaufnahme:Die Botschafterin

Nahaufnahme: "Für Start-ups ist jeder Tag eine Herausforderung - zwei oder drei Gründer müssen arbeiten, als wären sie zu sechst oder siebt." Nitzan Cohen-Arazi

"Für Start-ups ist jeder Tag eine Herausforderung - zwei oder drei Gründer müssen arbeiten, als wären sie zu sechst oder siebt." Nitzan Cohen-Arazi

(Foto: OH)

Nitzan Cohen-Arazi hält für die Deutsche Telekom in Israel Ausschau nach spannenden Start-ups.

Von Lea Hampel

Die Farbe Pink prägt ihr Leben. Auf das aktuelle Pink wird Nitzan Cohen-Arazi, 28 Jahre, aber wesentlich lieber angesprochen als auf jenes, das noch vor fünf Jahren dominierte. Damals studierte die junge Israelin interaktive Kommunikation und sollte als Hausaufgabe einen Blog aufsetzen. Aus Albernheit fiel ihre Wahl auf das Thema Prinzessinnen, auf der Seite sind noch heute Videos mit der Meerjungfrau Arielle zu sehen. Cohen-Arazi kichert verlegen, wenn sie davon erzählt. Das Pink, das sie heute vertritt, ist ihr lieber. Es heißt offiziell Magenta und ist die Farbe ihres Arbeitgebers. Seit einem Jahr sucht sie für die Deutsche Telekom in Tel Aviv nach Start-ups, die zum Konzern passen. So vermittelt sie israelischen Firmen Kontakte zum deutschen Markt und finanzielle Unterstützung.

Für die Telekom ist das ein kluger Schritt. Tel Aviv hat die höchste Start-upDichte nach dem Silicon Valley. Vor allem im Bereich Technik und Sicherheitssoftware sind israelische Unternehmen stark vertreten. Gleichzeitig ist dort die Wahrscheinlichkeit, auf Gründer zu treffen, die noch nicht unzählige Angebote haben, höher als in den USA. Und die vor allem unter jungen Israelis verbreitete Begeisterung für Berlin ist ungebrochen. Ihnen mangelt es jedoch oft an Kenntnissen und Kontakten zum zersplitterten europäischen Markt. Diese Lücke will die Telekom mit Nitzan Cohen-Arazi schließen.

Die hat zuvor für die israelische Gründerförderung The Junction gearbeitet. Dort habe sie sich in das Tempo der Szene verliebt, sagt sie. 2014 schließlich, sie erklärte mal wieder einer Gruppe von Gästen die Gründerszene Tel Aviv, lernte sie Mitarbeiter der Telekom kennen. Seitdem vertritt sie die Programme "Fit4Europe" und den "Hubraum", mit denen die Telekom durch Geld, Räume und Kontakte Gründer in Berlin, Krakau und Tel Aviv unterstützt und sich im Gegenzug Anteile sichert. Cohen-Arazi hört sich in der Szene um, trifft Gründer und organisiert Videokonferenzen mit deutschen Kollegen. Vielversprechende Kandidaten bekommen bis zu 300 000 Euro oder können im Hubraum-Büro in Berlin arbeiten. Eines der Erfolgsbeispiele ist Screemo. Das Unternehmen bietet personalisierte Kundenkommunikation unter anderem über Bildschirme im Laden und arbeitet auch für Samsung.

Ein Fazit kann Cohen-Arazi schon ziehen: Die deutsche und die israelische Mentalität passen in geschäftlichen Angelegenheiten gut zusammen. "Israelis haben keinen Fünf-Jahres-Plan", sagt Nitzan. Dafür seien sie es gewohnt, in unsicherer Umgebung zu arbeiten und neue Lösungen zu suchen. "Wir reparieren selbst Dinge, die nicht kaputt sind." Und die Deutschen? "Die planen jeden Schritt sorgfältig, selbst wenn sie jung und hip sind." Das macht die Zusammenarbeit fruchtbar - und anstrengend. "Auf Hebräisch gibt es einen Satz, der heißt: Es wird schon alles okay sein. Wir verwenden ihn dauernd", sagt sie, und fügt lachend an: "Ich glaube, Deutsche mögen diesen Satz nicht besonders."

Sie ist zum einen Botschafterin zwischen den Kulturen - und zum anderen für den Mythos der Start-up-Nation Israel. Doch: Ist die Szene in dem immerhin nur acht Millionen Menschen umfassenden Land nicht überbewertet? "Viele Menschen sprechen von einer Blase", sagt Cohen-Arazi, "aber bis jetzt geht es hier kein bisschen langsamer voran." Dafür spricht auch, dass der Internet-Konzern Yahoo und die Fluggesellschaft Elal neuerdings dort Gründer fördern. Damit das so bleibt, ist Cohen-Arazi viel unterwegs. Sie leitet einen Arbeitskreis zum Thema und spricht auf Konferenzen. Mit einem Prinzessinnen-Alltag hat das nicht mehr viel zu tun. Nur ihr Büro, witzelt sie, das sei immer noch sehr pink gehalten.

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