Nahaufnahme:Der Öko-Vermarkter

Nahaufnahme: "Die industrialisierte Landwirtschaft hat keine Zukunft, weil sie die wahren Kosten dem Staat aufbürdet." Werner Lampert.

"Die industrialisierte Landwirtschaft hat keine Zukunft, weil sie die wahren Kosten dem Staat aufbürdet." Werner Lampert.

(Foto: OH)

Werner Lampert will das Thema Bio aus der Nische holen. Der Österreicher sieht in Deutschland noch große Wachstumschancen für gesunde Lebensmittel.

Von Franz Kotteder

Bei Menschen, die sich für ökologische Produktionsweisen einsetzen, trifft man öfter auf unerschütterliche Optimisten. Seltener kommt es vor, dass diese Menschen überhaupt keine Berührungsängste haben, was die Zusammenarbeit mit Unternehmen angeht, die nicht gerade als Vorreiter der Bio-Bewegung gelten. Der Österreicher Werner Lampert ist so ein Mensch. Er hat in seinem Heimatland seit den Siebzigerjahren die Bio-Bewegung vorangetrieben. Und er hat es geschafft, dafür Verbündete zu gewinnen wie den Rewe-Konzern oder Aldi Süd, der in Österreich unter dem Kettennamen Hofer firmiert.

Lampert ist ein freundlicher Herr von 69 Jahren, der einem beim Mittagessen "Gesegnete Mahlzeit" wünscht. Das kommt wohl aus seiner Zeit als Kirchenrestaurator, denn das ist sein erlernter Beruf. Er hat ihn nicht sehr lange ausgeübt. Aufgewachsen ist er auf dem kleinen Hof seiner Eltern in Vorarlberg. Er kam schon früh mit der Biobewegung in Kontakt, ernährte sich lange vegetarisch, wegen der Qualität der Lebensmittel. Lampert zog nach Wien, arbeitete in einer sozialen Einrichtung und gründete den "Gemüseboten", eine Biovertriebsfirma. "Da gab es nur die Pelzmantelkunden, die gehobene Bürgerlichkeit auf der einen Seite", erinnert er sich, "und die Hippies auf der anderen. Das war mir aber zu wenig." Man müsse doch auch Familien mit Kindern erreichen, fand er, jeder müsse sich Bio leisten können.

Der Gedanke bohrte weiter in ihm, und Anfang der Neunzigerjahre ging er Klinkenputzen bei den großen Einzelhandelsketten. Anfangs mit wenig Erfolg, man hielt ihn wohl für einen Öko-Spinner. Aber bei der Supermarktkette Billa, die heute zum deutschen Rewe-Konzern gehört, ließ deren Gründer Karl Wlaschek ihn mal machen. Und siehe da: Die von ihm erfundene Produktlinie "Ja! Natürlich" schlug ein. Billa machte bald gute Umsätze damit.

Damals, 1994, betrug der Anteil an Bio-Lebensmitteln am österreichischen Markt gerade mal 0,4 Prozent. Heute sind es um die acht Prozent, bei Brot, Eiern und Milch sogar um die 20 Prozent. Dass dem so ist, daran hat Lampert sicher einen gewissen Anteil. Im Sommer 2003 verließ er Rewe und machte sich mit einer Beratungsgesellschaft selbständig. 14 Mitarbeiter hat sie heute, mit denen hat Lampert 2006 für Aldis Hofer-Kette die Marke "Zurück zum Ursprung" erfunden. Ihm geht es dabei vor allem um nachhaltige Bio-Produktion, sagt er, Bauern erhalten da langfristige Lieferverträge zu garantierten Preisen, ungewöhnlich für Discounter. Mittels Smartphone und eingescanntem QR-Code können die Kunden ihr Produkt zurückverfolgen bis zum Bauernhof, auf dem es erzeugt wurde. "Es gibt sogar welche, die dann dorthin fahren, um die Bauern kennenzulernen." Um die 4000 Landwirte, sagt er, seien inzwischen unter Vertrag.

Und das mit einem Discounter, der vielen in der Öko-Szene als leibhaftiger Gottseibeiuns gilt und der an allen Ecken und Enden sparen will? "Es ist doch gut, wenn die ihre Strukturen im Griff haben", sagt Lampert. Überhaupt die Kostenfrage: "Die industrialisierte Landwirtschaft hat keine Zukunft, weil sie die wahren Kosten dem Staat aufbürdet." Umweltzerstörung und Gesundheitsschäden blieben nämlich an der Gemeinschaft hängen. Langfristig gebe es keine Alternative zur nachhaltigen Landwirtschaft: "Man muss halt einen langen Atem haben."

Große Wachstumschancen sieht Werner Lampert im deutschen Markt, hier liegt der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln knapp unter vier Prozent . "Wenn man ein Projekt erfolgreich gestalten will", sagt er, "dann muss man das in Deutschland machen. In Deutschland treffen sich die Märkte, da ist man mitten drin in der Globalisierung."

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