Nahaufnahme:Der Mittler

Nahaufnahme: "Die Politik eines Landes beeinflusst das Schicksal eines jeden Menschen stark. So war das auch bei mir." Jin Liqun

"Die Politik eines Landes beeinflusst das Schicksal eines jeden Menschen stark. So war das auch bei mir." Jin Liqun

(Foto: dpa)

Jin Liqun soll die neue Investitionsbank AIIB führen. Der 66-Jährige ist dafür gut gewappnet. Er hat Erfahrungen bei der Weltbank und der ADB gesammelt und spricht fließend Französisch und Englisch. Die Politik hat ihn geformt.

Von Marcel Grzanna

Ganz früh in seiner Karriere, während der Kulturrevolution, hat der Chinese Jin Liqun gelernt, wie man Brücken baut und Äcker bestellt. Er beriet junge Unternehmen und nahm zwei Jahre lang an einem Managementprogramm in Boston teil. Er lernte Französisch und Englisch, das war sein Schlüssel in die Politik. Als sich China in den 1980er- und 1990er-Jahren für das Ausland öffnete, waren Männer wie er mit exzellenten Fremdsprachenkenntnissen gefragt. Ein alter Lehrer empfahl Jin beim Finanzministerium. Sein ganzer Lebenslauf ist die beste Empfehlung für das Amt, das der 66-Jährige nun antreten soll. Sie wirkt wie ein logischer nächster Schritt. "Die Politik eines Landes beeinflusst das Schicksal eines jeden Menschen stark", sagte Jin einmal einer Nachrichtenagentur: "So war das auch bei mir." Politiker haben Jin nun zum designierten Präsident der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) gemacht. Er steht im Mittelpunkt einer Initiative, die für China von immenser Bedeutung ist. Jin muss die Interessen von 57 Mitgliedstaaten koordinieren, die Reputation der misstrauisch beäugten Bank aufbauen, und am Ende soll er sowohl China als auch ganz Asien wertvolle Dienste erweisen.

Jins Job ist eine Balanceakt. Als ehemaliger chinesischer Vize-Finanzminister ist er der Kommunistischen Partei durchaus eng verbunden und nicht zuletzt deshalb von Peking zum Chef der neuen Bank erkoren worden. Doch Jin kann es sich nicht erlauben, nur als Statthalter der Volksrepublik die Institution zu führen. "Er steht vor einer delikaten Aufgabe. Jin muss sehr genau unterscheiden, was Angelegenheiten der internationalen Gemeinschaft und was Angelegenheiten der Kommunistischen Partei Chinas sind. Wenn er etwas falsch macht, bekommt er gleich doppelt Ärger", sagt der Finanzexperte Liu Zhiqin von der Renmin-Universität in Peking.

Genug Erfahrung hat Jin. Kaum hatte er seinen Dienst im Finanzministerium in den 1990er-Jahren angetreten, wurde er Richtung Weltbank abkommandiert, um dort Prozesse und Formalien kennen und verstehen zu lernen. Später war er auf chinesischer Seite das verantwortliche Bindeglied für das China-Programm der Weltbank und galt als verlässlicher Partner, weil er stets dafür sorgte, dass die angeschobenen Projekte streng überwacht wurden. Das erleichterte die Zusammenarbeit.

2003 wechselte Jin als Vizepräsident zur Asian Development Bank (ADB) nach Manila. Dort bemühte er sich vor allem um die Beschleunigung der Kreditvergabe, deren lange Dauer von zwei Jahren er stets kritisierte. Die AIIB soll schneller und effizienter arbeiten. Jin kennt die Weltbank und die ADB. Er kennt aus der Praxis die Belange von Entwicklungsländern, die er künftig mit Krediten versorgen soll. Zwar steht die AIIB nicht im direkten Wettbewerb mit den beiden Institutionen, die einerseits von den USA und anderseits von Japan dominiert werden. Doch weil sowohl Amerikaner als auch Japaner Skepsis geäußert haben über die Integrität der AIIB, werden argwöhnische Vergleiche der jeweiligen Resultate kaum ausbleiben.

Nach Notenbankchef Zhou Xiaochuan und Vizepräsident Zhu Min vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ist Jin Liqun ein weiterer chinesischer Finanzfachmann, der künftig über die Landesgrenzen hinaus von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Er hat sich einen Ruf als Mittler zwischen den Interessen erarbeitet, der versucht, das Große und Ganze im Auge zu behalten. Jin gilt als guter Kommunikator und entschlossener Macher. Fünf Jahre lang war Jin Aufsichtsratschef des chinesischen Staatsfonds CIC, er kennt die Kreditvergabe nicht nur aus der Sicht eines Bankers, sondern auch aus der eines Investors.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: