Maurice Obstfeld:Der Kollege von Herrn Krugman

Maurice Obstfeld; Maury Obstfeld

Maurice Obstfeld

(Foto: Chuck Kennedy/AP)

Seine Berufung ist auch ein politisches Statement: Maurice Obstfeld wird neuer Chefvolkswirt beim IWF - er glaubt schon lange, dass eine Pleite Griechenlands unausweichlich ist.

Von Catherine Hoffmann

Ein gewagtes "Spiel" sei die Europäische Währungsunion, das nur sehr schwer gewonnen werden könne, warnte Maurice Obstfeld schon vor Einführung des Euro. Das war im Jahr 1997. Auch später hat er mit Kritik an der Gemeinschaftswährung und an europäischen Politikern nicht gegeizt. In der jüngsten Krise hätten die Entscheider allzu oft "sehr unglücklich" und "kurzsichtig" gehandelt, statt mehrere Schritte vorauszudenken. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte er vor vier Jahren öffentlich "mehr Mut", eine Pleite Griechenlands sei unausweichlich, das Land werde seine Schulden niemals zurückzahlen können: "Es ist offensichtlich, dass Sparprogramme für Griechenland nicht reichen."

Nun wird Obstfeld, 63, neuer Chefvolkswirt des Internationale Währungsfonds (IWF). Der Amerikaner soll dem Franzosen Olivier Blanchard nachfolgen, der im September in den Ruhestand geht. Der Personalwechsel fällt in eine Zeit, da der Fonds mit seiner Rolle als Griechenlandhelfer hadert und seine Experten energisch vor dem unüberwindbaren Schuldenberg Athens warnen. Der jüngste Kompromiss zwischen Griechenland und den Euro-Partnern stößt in Washington auf Befremden. In einem dreiseitigen Bericht plädieren IWF-Ökonomen für eine umfassende Umschuldung, weit über alle bisherigen Pläne hinaus. Die Euro-Länder hatten einen Schuldenschnitt stets ausgeschlossen, wollen aber über eine weitere Verlängerung der Kreditlaufzeiten mit sich reden lassen. Man darf gespannt sein, wie die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket verlaufen - mit Obstfeld als Chefökonomen.

Keynesianisch geprägt

Noch gehört der Wissenschaftler zum Beraterteam des US- Präsidenten Barack Obama in wirtschaftspolitischen Fragen. Dafür ruht seine Professur für Volkswirtschaftslehre an der kalifornischen Universität Berkeley. Der Ökonom gilt als Experte für Kapitalströme, internationale Finanz- und Wechselkurspolitik sowie die europäische Währungsintegration. Er hat sich eingehend mit der Schuldenkrise in Europa beschäftigt und sich immer wieder für eine stärkere Integration der Fiskal- und Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone ausgesprochen. Die Liste seiner Publikationen ist eindrucksvoll, allein unter der Rubrik "Jüngste Studien" listet er auf seiner Internetseite rund 50 Papiere auf.

Obstfeld hat wie sein Vorgänger Blanchard und drei weitere IWF-Chefvolkswirte am renommierten Massachusetts Institute of Technology promoviert. Aus dieser keynesianisch geprägten Eliteuniversität ging eine große Zahl einflussreicher Ökonomen hervor. Unter ihnen finden sich auch EZB-Präsident Mario Draghi und der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke.

Studenten schätzen Obstfeld vor allem für seine Lehrbücher. Er hat zwei Standardwerke verfasst, eines mit dem eher konservativen Harvard-Wissenschaftler (und früheren IWF-Chefvolkswirt) Kenneth Rogoff und ein weiteres mit dem linksliberalen Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman. Rogoff und Krugman stehen für zwei sehr unterschiedliche Schulen in einer umstrittenen Frage: Sollen Regierungen mit öffentlichen Ausgaben das Wachstum anregen, selbst wenn sie hoch verschuldet sind? Oder ist dies genau das falsche Rezept und strenge Sparpolitik gefordert?

Der IWF, einst Verfechter strikter Austerität, scheint heute unentschieden zu sein. Inzwischen weiß man auch in Washington, dass es kein "entweder oder" gibt, sondern nur ein "sowohl als auch". In dieser verzwickten Lage preist IWF-Chefin Christine Lagarde Obstfeld als "außergewöhnlichen Kandidaten" für seine neue Rolle. Ihre Entscheidung dürfte nicht nur ein Votum für ökonomischen Sachverstand sein, sondern ist ganz sicher auch ein politisches Statement.

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