Nahaufnahme:Der große Bruder

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"Der Ferry ist nie ein Diplomat gewesen - deswegen kann man ihm keine Vorwürfe machen." Ernst Piëch. (Foto: Franz Neumayr Press)

Ernst Piëch, 86, plaudert gegenüber dem österreichischen "Kurier" ganz entspannt über Familienangelegenheiten.

Von Thomas Fromm

Sein Name war längst in Vergessenheit geraten, als er vor Wochen eher zufällig wieder auftauchte. Ausgerechnet wegen des berühmten Bruders: Als Ferdinand Piëch Ende April nach einem tagelangen Machtkampf gegen VW-Konzernchef Martin Winterkorn seine Mandate hinwarf, stellte sich die Frage: Schmeißt er nun auch seine Aktien hin? Trennt er sich von seinen Milliardenanteilen? Macht er jetzt ernst?

Ja, macht er es am Ende wie sein Bruder Ernst Piëch? Der heute 86 Jahre alte Bruder Ferdinands hatte 1983 heimlich seine Porsche-Aktien an einen arabischen Investor aus Kuwait verkauft. In der Familie nannte man das - kleines Wortspiel - den "Ernst-Fall". Dass ein Familienmitglied einfach so loszog und verkaufte, sich angeblich nicht mit den anderen absprach und seine Verkaufspläne mit möglichen Kaufabsichten der anderen abglich, das war damals mehr als ein Ernst-Fall. Es war aus Sicht der Familien Porsche und Piëch, die das Autoimperium VW und Porsche kontrollieren, ein Sakrileg.

Damals schafften es die Familien, die Anteile für Millionen wieder zurückzuholen, und seit dieser Zeit hält der Porsche-Stamm um Clan-Chef Wolfgang Porsche einen etwas höheren Konzernanteil als die Piëchs. Und Ernst, Enkel des Käferkonstrukteurs Ferdinand Porsche und ältester Sohn von Louise und Anton Piëch, jener Ernst, dessen Ausstieg damals viele als Verrat empfanden, ist seitdem draußen. Ein Mitglied der Familie, wenn auch ohne Beteiligung und ohne Amt. Gerade deshalb sind die neuesten Einlassungen des Oldtimer-Liebhabers aus Salzburg interessant - weil er der erste Piëch ist, der das Familiendrama vom Frühjahr so kommentiert.

Gegenüber dem österreichischen Kurier plaudert der ältere Bruder Ferdinands über Oldtimer, seinen Führerschein und Spannungen in der Familie. Dann aber kommt die Sprache auf VW und Winterkorn, und der Österreicher wird gefragt, wie er die Dinge sieht. Herausgekommen ist - Amt hin oder her - eine sehr Piëchsche Sichtweise: "Martin Winterkorn war ein ausgesprochen guter Befehlsempfänger", sagt Ernst Piëch über den amtierenden VW-Chef. "So lange er mit meinem Bruder zusammengearbeitet hat, war er spitze. Aber allein ... nein, das war's."

Aber war es denn die Art, so wie es Piëch im Frühjahr gemacht hatte? Mit nur einem Satz hatte der langjährige VW-Chef und -Aufsichtsratsvorsitzende versucht, seinen Topmanager Winterkorn zu Fall zu bringen, indem er sagte: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn."

Und dann alles hinwerfen, einfach so?

Hier unterscheidet der Bruder, fein differenzierend zwischen Stil und der Sache an sich. "Ja und ich habe völliges Verständnis für ihn. Sein Schritt war der Richtige - der Stil nicht." Man mache "das anders", sagt der Bruder heute. "Aber der Ferry ist nie ein Diplomat gewesen - deswegen kann man ihm keine Vorwürfe machen."

Ferdinand Piëch kein Diplomat - zumindest das ist eine Aussage, die möglicherweise der eine oder andere im VW-Konzern unterschreiben würde.

Viel wurde in den vergangenen Monaten darüber spekuliert, ob der "Alte", wie der Patriarch im Konzern genannt wurde, überhaupt noch Rückhalt in der Familie habe. Anfang Mai, es war bei der Hauptversammlung von VW, sah man den VW-Aufsichtsrat und jüngeren Piëch-Bruder Hans-Michel Piëch Seite an Seite mit Wolfgang Porsche und Winterkorn in den Messehallen von Hannover von Auto zu Auto spazieren. Und auf der Bühne saßen Ferdinands Nichten Julia Kuhn-Piëch und Louise Kiesling. Piëch, die nächste Generation. Ferdinand Piëch war gar nicht erst gekommen.

Dass sich nun aber noch einmal ein Piëch hinter den Alten stellen würde - wer hätte das gedacht.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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