Nahaufnahme:Der erste Diener

Nahaufnahme: "Ich habe mich nicht beworben. Ich mache meine Aufgabe sehr gern." Albert Christmann

"Ich habe mich nicht beworben. Ich mache meine Aufgabe sehr gern." Albert Christmann

(Foto: dpa)

Zäsur bei Oetker: Mit Albert Christmann steuert erstmals ein familienfremder Manager den Konzern.

Von Elisabeth Dostert

Den ersten Auftritt in der Hauptrolle hatte Albert Christmann, 53, schon im vergangenen Sommer. Eher ungeplant. Konzernchef Richard Oetker war auf dem Weg zur Jahrespressekonferenz gestürzt, Christmann musste einspringen. Der Finanzvorstand redete ausführlich über Pudding, Pizza, Torten, Bier, Sekt, Schiffe und Frachtraten. Zu wirklich wichtigen Fragen offenbarte er wie immer wenig Konkretes: Wie viel Gewinn macht der Familienkonzern aus Bielefeld? Wer wird Nachfolger von Richard Oetker, der - mit 65 - zum Jahresende gehen muss?

Christmann genoss es, wortkarg Antworten zu geben, die nichts klärten. "Es gibt einen Zeitplan", war die eine Antwort. Lächeln. "Ich habe mich nicht beworben. Ich mache meine Aufgabe sehr gern", die andere. "Ich fühle mich ohnehin jeden Tag wie im Assessment-Center", hatte er vor Jahren gesagt. Den Oetkers schreibt man nicht einfach eine Bewerbung um das höchste Amt. Man wird auserkoren.

Seit Mitte Dezember steht fest: Christmann ist der Auserkorene. Im Laufe des nächsten Jahres löst er Richard Oetker als Vorsitzender der Geschäftsführung der Nahrungsmitteltochter Dr. Oetker ab und schon Anfang 2017 übernimmt er dessen Posten in der Gruppenleitung. Dort ist er der Erste unter Gleichen, nicht Sprecher oder Vorsitzender. Das war Oetker auch nicht, aber wer Oetker heißt, braucht keinen Titel. Es ist klar, wer das Sagen hat.

Zum ersten Mal gehört nun kein Träger des Namens Oetker mehr der Gruppenleitung an, obwohl es in dem geburtenstarken Clan einige Kandidaten gegeben hätte. Aber auf einen Blutsverwandten konnte sich die Familie nicht einigen. Rudolf-August Oetker hat seine acht Kinder aus drei Ehen mit gleichen Anteilen bedacht. Das macht Entscheidungen nicht einfacher. Christmann galt als Favorit der beiden älteren Stämme. "Wer Familien verstehen will, braucht keinen Betriebswirt, sondern einen Psychologen. Da spielen nicht nur ökonomische Fragen eine Rolle", sagte Beiratschef August Oetker, 72, ein paar Tage nach der Entscheidung dem Handelsblatt.

Christmann, promovierter Wirtschaftsingenieur, arbeitet seit einem Vierteljahrhundert für den Konzern. Er kennt das Minenfeld. Er hat dort 1991 nach der Promotion angefangen und sich hochgedient bis in die Gruppenleitung. In die trat er 2009 ein als Vorsitzender der Geschäftsführung der zu Oetker gehörenden Brauerei Radeberger, wenig später wurde er persönlich haftender Gesellschafter der Obergesellschaft Dr. August Oetker KG und 2014 Finanzvorstand des Konzerns. Schon damals wurde in Zeitungen und Magazinen darüber spekuliert, ob er die sich abzeichnete Nachfolge von Richard Oetker antreten würde. Schon der war eine Notlösung gewesen, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Familie 2010 als Nachfolger seines Bruders August Oetker einigen konnte.

Auf Christmann kommen schwere Aufgaben zu. Die Gruppe mit gut zwölf Milliarden Euro Umsatz 2015 ist gerade dabei, sich zu halbieren. Sie will das Schifffahrtsgeschäft an die dänische Reederei Maersk verkaufen. Damit kommen zwar einige Milliarden in die Kasse, die braucht Oetker aber auch, um aufzuschließen. Im Vergleich zu Nahrungsmittelkonzernen wie Nestlé, Unilever oder Danone sind die Bielefelder ein Zwerg. Auch im Geschäft mit Bier gibt es aus weltweiter Sicht deutlich größere Konzerne wie AB Inbev oder Heineken. Auf der Radeberger-Gruppe lastet eine millionenschwere Strafe des Kartellamtes. Auch Christmann, der die Sparte lange führte, bekam eine Geldbuße aufgebrummt. Dagegen laufen Klagen. Christmann weist die Vorwürfe stets zurück. "Wir machen unsere Geschäfte anständig", sagt er. Das ist einer seiner aussagekräftigeren Sätze.

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