Nahaufnahme:Der Angreifer

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"Passive Anlage ist dabei, den Kapitalismus aufzufressen." Paul Singer.

(Foto: Bloomberg)

Paul Singer ist einer der aggressiven Investoren. Sie kaufen sich bei unterbewerteten Firmen ein, mischen sie auf und steigen mit Gewinn wieder aus - wenn es gut läuft.

Von Nikolaus Piper

Jetzt wird gezählt. In der Nacht zum Donnerstag endete die Übernahmefrist für den hessischen Pharmahersteller Stada. Die Finanzinvestoren Bain und Cinven bieten 66,25 Euro je Aktie. Ob sie die angestrebte Quote von 63 Prozent erreicht haben, ist noch offen. Bis Mittwochmittag hatten die Bieter nur 46,53 Prozent des Grundkapitals zusammen. Das endgültige Ergebnis wird spätestens Montag erwartet. Ob es reicht, hängt auch vom aggressiven New Yorker Investor Paul Singer und seinem Fonds Elliott Management ab. Er hatte Anfang Juli eine leichte Kursschwäche genutzt und knapp neun Prozent an Stada erworben. An Singer hängt viel.

Der 72-Jährige ist der Prototyp eines aktivistischen Investors: Er steigt vornehmlich bei Unternehmen ein, die er für unterbewertet hält. Hat er das erforderliche Aktienpaket beisammen, verlangt er vom Management eine neue, profitablere Strategie und meist gleich auch noch einen neuen Chef. Hat die Strategie Erfolg, steigt der Aktienkurs, und Singer steigt mit Gewinn wieder aus. Das bringt ihm Bewunderung und noch mehr Hass ein.

Im vergangenen April machte Singer Schlagzeilen. Damals bewirkte er den Rücktritt von Klaus Kleinfeld als Vorstandschef des Aluminium-Konzerns Arconic. Es war eine bizarre Geschichte. Weil er den Gewinn von Arconic für zu gering hielt, startete Singer eine multimediale Kleinfeld-muss-weg-Kampagne. Wochenlang hielt der Verwaltungsrat zu Kleinfeld, doch dann wurde ein persönlicher Brief des Vorstandschefs an Singer bekannt. Voller Häme deutet Kleinfeld - er war bis 2007 Siemens-Chef gewesen - darin an, er wisse etwas über Ausschweifungen Singers während der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Singers Anwälte behaupteten darauf, ihr Mandant habe unter Druck gesetzt werden sollen, woraufhin Kleinfeld seinen Job verlor.

Singers bisher größter Fall war Argentinien. Nach einer schweren Krise hatte sich das Land 2002 für zahlungsunfähig erklärt. Die meisten Gläubiger akzeptierten ein Angebot der Regierung, 30 Prozent des Nennwerts der Anleihen zu zahlen. Aber nicht Singer. Er kämpfte jahrelang vor amerikanischen Gerichten, bis er schließlich mit 2,4 Milliarden Dollar Gewinn aus der Sache herauskam. Medienwirksamer Höhepunkt des Streits war der 2. Oktober 2012, als Singer in Ghana das argentinische Schulschiff Libertad beschlagnahmen ließ.

Seine Strategie, sich aktiv in die Firmenpolitik einzumischen, hält er nicht nur geschäftlich, sondern auch ethisch für geboten. Für das Gegenteil jedenfalls, eine passive Anlagestrategie, hat er wenig übrig. Solche Strategien, bei denen Anleger ihr Geld in Fonds stecken, die passiv Indizes wie dem Dow Jones oder dem Dax folgen, seien eine Gefahr für das Wirtschaftssystem, schrieb er in seinem jüngsten Anlegerbrief: "Passive Anlage ist dabei, den Kapitalismus aufzufressen." Und: "Was zunächst eine kluge Idee gewesen sein mag, hat sich zu einem Phänomen entwickelt, das die Fähigkeit des freien Marktkapitalismus, Wachstum zu schaffen und einen Konsens zu bilden, zerstört."

Eines kann man Singer nicht absprechen: Er gehört zu den Pionieren der Wall Street. Seinen ersten Hedgefonds gründete der Sohn eines Apothekers 1977, als im Finanzdistrikt von Manhattan noch die gemütliche 4-6-4-Regel galt: Leihe für vier Prozent, verleihe für sechs Prozent und sei um vier auf dem Golfplatz. Dass man sich das heute nicht mehr vorstellen kann, hat auch mit Leuten wie Paul Singer zu tun. Elliott Management wuchs seit der Gründung von 1,3 Millionen auf heute 33 Milliarden Dollar Anlagevermögen. Singers persönliches Vermögen schätzt Forbes auf 2,7 Milliarden Dollar.

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