Daron Acemoğlu:Der Chuck Norris der VWL

  • Der MIT-Professor Daron Acemoğlu gehört zu den weltweit erfolgreichsten Ökonomen. Ein Blog hebt ihn gar auf die Stufe von Chuck Norris, einem der bekanntesten Internetphänomene.
  • Er beschäftigt sich unter anderem mit dem Zusammenhang zwischen Demokratie und Wohlstand.

Von Katharina Brunner

Chuck Norris ist der Superheld der Witze im Internet. Die Pointen sind immer gleich: Der Action-Schauspieler kann alles und fürchtet sich vor nichts. Dieses Internetphänomen, ein sogenanntes Mem, hat inzwischen Ableger gefunden. Im deutschen Fußball ist es der ehemalige Schalke-Profi Hans Sarpei, in der Volkswirtschaftslehre der MIT-Professor Daron Acemoğlu. Auf dem Blog "Daron Acemoğlu Facts" gibt es Bilder des Ökonomen, kombiniert mit Sprüchen, die zwischen Bewunderung und Veralberung schwanken. Zum Beispiel: "Immer wenn sich Acemoğlu hinsetzt, zählt das als Konferenz." Oder in Anspielung an Adam Smiths Metapher für sich selbst regulierende Märkte: "Wie viele Hände hat Acemoğlu? Zwei - und eine unsichtbare."

Tatsächlich ist der 47-jährige Acemoğlu, geboren und aufgewachsen in Istanbul, ein extrem erfolgreicher Forscher. Seine wissenschaftliche Karriere war steil: Doktorarbeit an der London School of Economics, seit 2000 ist er Professor am MIT bei Boston. In einem einflussreichen Ranking der Datenbank Repec, das weltweit Zitate in wissenschaftlichen Aufsätzen auswertet, liegt er auf Platz fünf. 2005 bekam er die Bates-Medaille, den renommiertesten Preis für Ökonomen unter 40 Jahren. In der Laudatio heißt es: "Acemoğlu ist ein extrem breit aufgestellter und produktiver Ökonom." Fast im Monatsrhythmus veröffentlicht er Aufsätze zu einer ganzen Reihe von Themengebieten: Wachstum, Innovation, Ungleichheit, Arbeitsmärkte, politische Ökonomie. Themen, die andernorts für eine ganze VWL-Fakultät reichen. "Theoretisch und empirisch ist er absolut top", sagt Thomas Apolte, Professor für Ökonomische Politikanalyse an der Universität Münster.

"Wenige Anhaltspunkte dafür, dass Demokratie Wachstum für Entwicklungsländer hemmt"

Besonders intensiv beschäftigt sich Acemoğlu mit dem Zusammenhang zwischen Wohlstand und Demokratie. Sind Menschen reicher, weil sie in einer Demokratie leben? Oder leben sie in einer Demokratie, weil sie reicher sind und mit dem Wohlstand der Wunsch nach Mitbestimmung wächst? Im Bestseller "Warum Nationen scheitern" argumentiert Acemoğlu zusammen mit dem Politikwissenschaftler James Robinson, dass Demokratie die Voraussetzung für Wohlstand ist: "Arme Länder sind arm, weil die Mächtigen Entscheidungen treffen, die Armut zur Folge haben." Zentral sei es, Institutionen in Politik und Wirtschaft so zu gestalten, dass möglichst viele gesellschaftliche Schichten daran teilnehmen können. Das fördere wirtschaftliche Reformen, Unternehmer würden mehr investieren, Kinder eher zur Schule gehen und es gebe weniger soziale Unruhen - alles Dinge, die sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken.

In seinem jüngsten Aufsatz schätzen er und seine Co-Autoren die finanziellen Vorteile einer Demokratisierung: Wird ein Land demokratischer, steigt nach ihren Berechnungen das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf langfristig um 20 Prozent. Aber ist China nicht ein Beleg dafür, dass autoritäre Regime hohe Wachstumsraten begünstigen? Davon hält Acemoğlu nichts: "Wir finden wenige Anhaltspunkte für die Ansicht, dass Demokratie Wachstum für Entwicklungsländer hemmt." Acemoğlus Erkenntnis, dass Anreize wichtig sind, ist nicht neu. "Ich unterschreibe seine Aussage", sagt Apolte, der Professor aus Münster. Er glaubt aber, dass der Zusammenhang zwischen Demokratie und Wohlstand komplexer ist und vor allem auch an kulturellen Faktoren hängt. Warum verkündet Star-Ökonom Acemoğlu stattdessen so eine eindimensionale Botschaft? Apolte glaubt an Selbstmarketing: "Ich fürchte, das verkauft sich besser. Dass es keine einfache Antwort gibt, weiß vermutlich auch Acemoğlu." Es ist also tatsächlich wie bei Chuck Norris: Acemoğlu weiß, was die Leute hören wollen.

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