Nahaufnahme:Bewegung in den Köpfen

Nahaufnahme: "Wenn ich mir weibliche und männliche Führungskräfte und Manager anschaue, gibt es in der Qualifikation keine Unterschiede", sagt Jurate Keblyte.

"Wenn ich mir weibliche und männliche Führungskräfte und Manager anschaue, gibt es in der Qualifikation keine Unterschiede", sagt Jurate Keblyte.

(Foto: Kuka)

Wie die Unternehmerin Jurate Keblyte in einer Männerwelt die Frauen fördert.

Von Stefan Mayr

Jurate Keblyte kann jede Menge Anekdoten über die alten Rollenbilder erzählen, gegen die sie als Managerin in Deutschland schon ankämpfen musste. Sie hat alle Hindernisse mit Humor und Durchsetzungskraft überwunden, heute ist sie mit 40 Jahren kaufmännische Geschäftsführerin beim Augsburger Roboterhersteller Kuka Robotics. Nur einmal, ganz am Anfang ihrer Karriere, war auch sie sprach- und machtlos: Als sie in ihrem Heimatland Litauen Informatik studieren wollte, scheiterte sie an einer staatlichen Männerquote. Ja, richtig gelesen: Männerquote.

"Weil die Mädchen bessere Schulnoten hatten, bekamen sie mehr Studienplätze", erzählt die Litauerin. "Deshalb gab es die Sorge, es könnte bald zu wenig gut ausgebildete Männer für all diese Frauen geben." Keblyte musste also Wirtschaftswissenschaften studieren. Heute mischt sie erfolgreich gleich in zwei Domänen mit, die mehrheitlich Männer dominieren: Erstens ist sie "Finanzler", wie sie selbst in maskuliner Form sagt. Und das, zweitens, bei einem Roboter-Hersteller. Mit 900 Millionen Euro Umsatz ist Kuka Robotics die Nummer vier auf dem Weltmarkt. Als CFO führt Keblyte das Unternehmen zusammen mit drei Männern. Nebenbei versucht sie, den Anteil der Frauen in ihrem Unternehmen zu erhöhen. "Kuka war mal ein traditioneller schwäbischer Maschinenbauer", brummt sie spielerisch mit tiefer und träger Männerstimme. "Wir haben schon erkannt, dass wir bei der Chancengleichheit noch Schwächen haben." Aber sie arbeiten daran: Bei den Auszubildenden wird darauf geachtet, dass mindestens 20 Prozent weiblich sind.

Am kommenden Montag empfängt sie im neuen Kuka-Entwicklungszentrum knapp 100 Unternehmerinnen und Managerinnen zu einem Netzwerktreffen nur für Frauen. Mint-Summit heißt das Event des Verbandes der Unternehmerinnen (VdU). Dabei geht es nicht um Frauenthemen, sondern um Digitalisierung, Mobilität und Energiewende. Das Wichtigste ist aber: das Networking. Ein klassischer Herrenclub, nur für Frauen.

2014 trafen sich die Ingenieurinnen, Informatikerinnen und Wissenschaftlerinnen erstmals bei Porsche in Stuttgart. Als der VdU für die zweite Auflage einen neuen Veranstaltungsort suchte, griff Jurate Keblyte sofort zu. Es ist ihr geschmeidiger Beitrag für mehr Chancengleichheit. Sie ist keine grimmige Kämpferin für die Emanzipation. Stattdessen nimmt sie Frauen und auch Männer lächelnd bei der Hand, um ihnen auf die Sprünge zu helfen. Wie einst als Abteilungsleiterin in einer anderen Firma. In der ersten Woche legte ihr ein Entwickler einen Zettel auf den Tisch mit der Bitte, ihn weiterzufaxen. "Der dachte, ich bin die neue Aushilfe." Sie ging mit dem Zettel und dem Mann zum Faxgerät. "Dann habe ich ihm gezeigt, wie man faxt", sagt sie. "Man kann so was auch humorvoll lösen."

Schmunzeln muss sie auch über die Gesetze in Deutschland. Diese schreiben zwar eine Frauenquote für Aufsichtsräte vor - aber ohne Sanktionen. "Die wird nicht viel nützen", sagt Keblyte. Derzeit sind in den Dax-Unternehmen auch nur 5,5 Prozent der Vorstände weiblich. Keine einzige Frau ist Vorstandsvorsitzende. Es gibt Experten, die behaupten, es gebe keine Frau, die für solch einen Posten qualifiziert sei. "Das ist eine unbegründete Aussage", sagt Keblyte. "Wenn ich mir Führungskräfte und Manager anschaue, gibt es in der Qualifikation keine Unterschiede."

Keblyte atmet tief durch und stellt fest: "Deutschland ist ganz anders als Litauen." In ihrer Schulklasse habe nur eine von 30 Müttern nicht gearbeitet. Sie hatte Zwillinge. Aber es bewege sich was in den Köpfen der Deutschen, sagt Keblyte. Das gilt auch für Litauen: Die Männerquote ist inzwischen abgeschafft.

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