Nahaufnahme:Aufklärer in eigener Sache

Nahaufnahme: „Stellen Sie sich auf turbulente Zeiten ein.“ Tom Enders.

„Stellen Sie sich auf turbulente Zeiten ein.“ Tom Enders.

(Foto: AFP)

Airbus-Chef Tom Enders will den Korruptionssumpf im eigenen Unternehmen aufräumen. Immer wieder kommen aber Vorwürfe auch gegen ihn auf den Tisch.

Von Caspar Busse

Harmoniesüchtig ist Tom Enders, 58, ganz sicher nicht. Der immer so drahtig wirkende Chef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus, der seine Freizeit auch mal mit Fallschirmspringen verbringt, ist vielmehr bekannt dafür, seinen Weg zu gehen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn ihm etwas nicht passt, dann sagt er es. Wenn er seinen Kurs für richtig hält, dann verfolgt er ihn, mag die Kritik daran auch noch so laut sein. "Ich bin sicher ein sehr ungeduldiger Mensch", sagte er einmal über sich. Und er möge "keine fünffarbigen Teflon-Präsentationen, die so entkernt wurden, dass sie kaum noch etwas aussagen". Enders bevorzugt die klare und offene Ansage.

Seit 2012 ist Enders Airbus-Chef, und die vergangenen fünf Jahre waren schon turbulent. Die geplante Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE scheiterte am Widerstand der Politik. Enders griff bei Airbus hart durch: Er verlegte die Zentrale nach Toulouse, schaffte ganze Führungsebenen ab, drängte den Einfluss der Großaktionäre aus Deutschland und Frankreich zurück und benannte den Konzern schließlich von EADS in Airbus Group um.

Aber jetzt ist er in der bislang wohl schwierigsten Phase. Eine Korruptionsaffäre von noch unbekanntem Ausmaß erschüttert den Konzern. Die interne Unruhe ist groß. "Stellen Sie sich auf turbulente Zeiten ein", schrieb Enders Ende vergangener Woche an die rund 133 000 Mitarbeiter. Offenbar rechnet er mit weiteren schlechten Nachrichten, Enthüllungen, Angriffen. "Im Laufe dieses Prozesses werden die Medien vermutlich häufig - und mal mehr, mal weniger fair - über uns berichten; zudem ist mit Leaks, falschen Informationen und auch mit Versuchen Einzelner zu rechnen, im eigenem Interesse das Top-Management zu diskreditieren", so Enders.

Der Vorstandschef gibt auf der einen Seite den Chefaufklärer, der den Korruptionssumpf aufräumen will. Airbus hatte sich unter seiner Ägide zum Beispiel in Großbritannien selbst angezeigt und eine amerikanische Anwaltskanzlei mit internen Untersuchungen beauftragt. Auf der anderen Seite kommen immer wieder Vorwürfe auch gegen ihn auf den Tisch. Wie viel hat Enders selbst von möglichen Unregelmäßigkeiten gewusst? Für was kann er verantwortlich gemacht werden?

Enders wuchs im Westerwald mit vier Geschwistern auf, sein Vater war Schäfer. Nach dem Abitur studierte er in Bonn Politik, Volkswirtschaft und Geschichte und ging zur Bundeswehr, aus dieser Zeit stammt auch sein Spitzname Major Tom. Seine Karriere begann er als Assistent beim Deutschen Bundestag, später arbeitete er dann im Planungsstab des Verteidigungsministeriums. Im Jahr 1991 fing er bei der deutschen Dasa an, die später in EADS, heute Airbus, aufging. Dort leitete er zunächst die Verteidigungssparte. Von 2005 bis 2007 war er zusammen mit dem Franzosen Noël Forgeard schon einmal EADS-Chef. Danach führte er fünf Jahre die Passagiermaschinen-Sparte, der mit Abstand wichtigste Bereich des Konzerns. Seit Juni 2012 ist er nun alleiniger Chef und hat so viel Macht wie kein Vorgänger.

Enders, der südlich von München lebt, kennt den Konzern also wie kaum ein anderer, auch weil er nicht abgehoben sein will, sondern sich ins Tagesgeschäft einbringt. Auch deshalb wird ihm immer wieder eine mögliche Verstrickung vorgeworfen. Beweise gibt es keine, die Staatsanwaltschaft München ermittelt auch nicht gegen Enders. Seine Leute verteidigen ihn. Es würde versucht, Enders zu kriminalisieren, um damit die Aufklärung zu behindern, sagt ein Sprecher. Enders selbst, der im Jahr 2011 aus Verärgerung aus der CSU ausgetreten ist, wird unter anderem von Peter Gauweiler, dem Anwalt und ehemaligen CSU-Politiker, beraten.

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