Nahaufnahme:Auf nach Chicago

Nahaufnahme: Sie spricht Englisch mit rauchiger Stimme und hartem spanischen Akzent, und sie kennt nur ein Thema, die Pharmazie: Belén Garijo.

Sie spricht Englisch mit rauchiger Stimme und hartem spanischen Akzent, und sie kennt nur ein Thema, die Pharmazie: Belén Garijo.

(Foto: Merck)

Die Merck-Managerin Belén Garijo verfolgt ehrgeizige Ziele. Von 2018 an möchte die Spanierin jedes Jahr eine Innovation auf den Markt bringen.

Von Helga Einecke

Wer in der Krebsmedizin mithalten will, kommt um Chicago nicht herum. Dort findet in den nächsten Tagen die Jahrestagung der Asco (American Society of Clinical Oncology) statt, ein Muss für Mediziner und Pharmamanager. Wissenschaftler machen mit Poster-Sessions auf sich aufmerksam. Sie stellen sich vor ein Datenblatt in Postergröße und werben persönlich mit ihren Ergebnissen zur Krebsforschung. Am begehrtesten sind natürlich Daten, die einen medizinischen Durchbruch versprechen. 100 Milliarden Dollar werden weltweit jährlich für Therapien zur Krebsbekämpfung ausgegeben, Tendenz steigend.

Auch Belén Garijo, seit Januar Mitglied der Geschäftsleitung der Darmstädter Merck-Gruppe, sitzt auf gepacktem Koffer. Das ist für die 54-jährige Spanierin nicht ungewöhnlich. Sie reiste schon immer viel, zog der Karriere wegen fünfmal zwischen Kontinenten um. In Chicago wird sie neue Daten zu Wirkstoffen vorstellen, die sich hinter Namen wie Avelumab, Evofosfamide und Tepotinib verbergen. Das Besondere daran ist die neue Zusammenarbeit mit dem US-Pharmakonzern Pfizer, die Merck viel Aufmerksamkeit in der Fachwelt sichert. Denn das Familienunternehmen muss sich sputen, um im globalen Pharmageschäft mitzuhalten. Die wichtigsten Medikamente des Konzerns Rebif (Multiple Sklerose) und Erbitux (Krebs) schwächeln, dafür verschlingt die Forschung in der Immuntherapie gegen Krebs in diesem Jahr 1,4 Milliarden Euro.

Garijo wird in Darmstadt nur Belén genannt, mit Betonung auf der zweiten Silbe. Sie kann zwar bei der Forschung finanziell aus dem Vollen schöpfen, hat aber auch ehrgeizige Ziele. "Von 2018 an wollen wir jedes Jahr einen neuen Wirkstoff, eine neue Indikation, eine neue Kombination oder eine neue Darreichungsform mit einem Umsatzpotential von mindestens 500 Millionen Euro auf den Markt bringen", sagt sie.

An Durchsetzungskraft mangelt es der Managerin nicht. Sie spricht Englisch mit rauchiger Stimme und hartem spanischem Akzent, kommt trotz weiblicher Attribute wie hohen Absätzen, Schmuck und Nagellack eher herb rüber und kennt nur ein Thema, nämlich ihr Fachgebiet Pharma.

Bereits nach dem Medizinstudium in Madrid ging die Ärztin zum Pharmaunternehmen Abbott - auch in die Zentrale nach Chicago - dann wieder zurück nach Spanien. Krebsmedizin wurde schnell ihr Spezialgebiet. Sie wechselte wieder nach Amerika, brachte die Fusion von Aventis und Sanofi mit über die Bühne, ging nach Paris und integrierte den Biotech-Konzern Genzyme, noch heute das Herz von Sanofi. Offenbar konnte sie die Wechsel zwischen Europa und den USA gut mit der Familie arrangieren. Ihr Ehemann arbeitet als Chirurg, die beiden Töchter sind erwachsen. Das Paar wohnt in Frankfurt, da ist der Flughafen ohnehin näher. In der Heimat leistet man sich eine Dauerkarte für den Fußball-Klub Real Madrid, eine Ehrensache für Spanier, die aus der Hauptstadt des Landes stammen.

Mit typischen Frauenthemen hat Garijo wenig am Hut, auch wenn sie am Herd bei Gerichten wie Paella oder Tapas selbst Hand anlegt. Bei Merck reizte die Managerin wohl, dass es dort mit Serono auch ein vielversprechendes Biotech-Unternehmen einzugliedern galt. Das war vor fünf Jahren. Inzwischen ist sie oben angekommen, hat auf diesem Weg eine Konkurrentin, die Britin Annalisa Jenkins, vertrieben. Auf der Hauptversammlung von Merck in Frankfurt saß Belén mit einem Knopf im Ohr auf der Tribüne vor den Aktionären, sagte aber kein einziges Wort. Das wird in Chicago anders sein. Dort kennt man sich und dort ist reden und werben in eigener Sache die einzige Sprache, die alle Krebsexperten verstehen.

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