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Nahaufnahme: „Vor uns galt: Ein günstiger Anzug hat schlechte Qualität. Das haben wir durchbrochen.“ Fokke de Jong

„Vor uns galt: Ein günstiger Anzug hat schlechte Qualität. Das haben wir durchbrochen.“ Fokke de Jong

Fokke de Jong ist Gründer des niederländischen Labels Suitsupply. Seine junge Firma schneidert preiswert auf Maß Anzüge.

Von Anna Dreher

Ein paar Tage bevor er im November seinen Laden in Berlin eröffnete, schaute sich Fokke de Jong in der Helmut-Newton-Stiftung eine Ausstellung über modische Aktfotos an. Kunst fördere Kreativität und sorgt für Inspiration, sagt de Jong. Beides braucht er. Er ist Gründer. Seine niederländische Firma Suitsupply stellt Anzüge her und ist inzwischen zu einem Konkurrenten für etablierte Marken geworden.

Die Aktfotos in der Ausstellung würden auf Facebook vermutlich sofort gesperrt, glaubt de Jong: "Ich finde das gefährlich, damit wird eine gewisse Sichtweise aufgezwängt. Dabei muss man die Leute zum Denken anregen. Manchmal bedeutet das eben, mit Haltungen und Vorstellungen zu spielen." Das tut de Jong auch in den Kampagnen für sein Produkt. Er provoziert Aufregung. Vor sieben Jahren zeigten Werbefotos von Suitsupply Männer in Anzügen mit leicht bekleideten Frauen in eindeutigen Posen. Die Aufregung war groß, viele fanden, die Frauen würden als unterdrücktes Lustobjekt dargestellt. Facebook forderte den Herrenausstatter auf, die Fotos zu entfernen. De Jong verstand das alles nicht. Für ihn zeigten die Bilder respekteinflößende Musen. Sein wichtigstes Ziel erreichte der Niederländer damit auch: Die Verkaufszahlen stiegen.

Die ersten Anzüge verkaufte er schon während des Jurastudiums aus einem Auto heraus. Heute gehört dem 44-Jährigen eine Firma mit mehr als 1200 Mitarbeitern in 90 Ländern. 2017 setzte Suitsupply 244 Millionen Dollar um, etwa ein Drittel davon online. Eine Marke, die hochwertige italienische Stoffe mit gewagteren Schnitten verarbeitet und zu vergleichsweise niedrigen Preisen anbietet, gab es davor in dieser Form nicht. "Die Leute konnten uns deswegen lange nicht einordnen", sagt de Jong. "Vor uns galt: Ein günstiger Anzug hat schlechte Qualität. Das haben wir durchbrochen." Anfangs war das Unternehmen von Kundenempfehlungen abhängig. Die Wende kam, als das Wall Street Journal 2011 bei einem anonymen Test Experten Anzüge verschiedener Hersteller vorlegte. Es gewann das 3625 Dollar teure Modell eines italienischen Luxuslabels - und der Anzug von Suitsupply für 614 Dollar.

Fokke de Jong hat sich nie als Wettbewerber der großen Marken gesehen und ist doch zu einem solchen geworden. Dabei ist er seinem Konzept aus den Kofferraum-Tagen treu geblieben: keine Zwischenhändler oder Messen, alles wird im eigenen Haus entworfen und produziert. Die Läden sind meist in günstigeren Randlagen angesiedelt. Das Einzige, worauf de Jong nicht verzichten will: In jedem Laden gibt es einen Schneider. "Das Wichtigste für uns ist, dass unser Produkt perfekt passt", sagt de Jong. Seine Kunden würden innerhalb des "Systems", also in der Wirtschaftswelt, arbeiten, sich diesem aber nicht unterwerfen und keine Uniform der bekannten Labels tragen wollen: "Mit unserem Stil, unserer Distribution, unserem Markenverständnis und wie wichtig uns Technologie ist, passen wir selbst nicht ins System und deswegen umso besser zu unseren Kunden." Das Internet hat für Suitsupply immer eine große Rolle gespielt, lange bevor es den ersten Laden gab, verkaufte de Jong seine Anzüge online. Die Tech-Abteilung ist mit 180 Mitarbeitern die zweitgrößte - Handwerk und Moderne sollen verschmelzen.

Von seinen auffälligen Werbekampagnen kann Fokke de Jong trotz der gewachsenen Bekanntheit von Suitsupply nicht lassen. Für das neue Label Suistudio Männer, wirbt er mit Männern, die nackt neben Frauen in Anzügen zu sehen sind. "Natürlich erregt das Aufmerksamkeit, das kapiere ich schon", sagt de Jong. "Aber für mich ist das Kunst. Ich mache das nicht, um zu provozieren." Er will die Leute schließlich zum Denken anregen - und dazu, seine Anzüge zu kaufen.

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