Nahaufnahme:Alles muss raus

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"Das Einfachste wäre, den schwierigen Entscheidungen auszuweichen und die Royal Bank of Scotland in Staatshand zu belassen." George Osborne (Foto: Reuters)

Der Mann arbeitet hart an seinem Ruf als Eiserner Schatzkanzler: George Osborne ist ein eifriger Privatisierer, aber kann er seine Ziele einhalten?

Von Björn Finke

Der Mann arbeitet hart an seinem Ruf als Eiserner Schatzkanzler: Bis 2019 will George Osborne es schaffen, statt des ewigen Defizits einen Überschuss im Staatshaushalt zu erwirtschaften. Daher verordnet der britische Finanzminister seinen Kabinettskollegen ehrgeizige Sparprogramme. Allein die Sozialausgaben sollen um zwölf Milliarden Pfund sinken. Und damit mehr Geld hereinkommt, will der 44-Jährige im großen Stil Staatseigentum verkaufen - der Konservative ist auf gutem Weg, in seinem Privatisierungseifer sogar Margaret Thatcher zu übertreffen, jene Regierungschefin, unter der es mit diesen Verkäufen so richtig losging.

Allerdings sind Privatisierungen nicht ganz einfach, wie Osborne, der auch als Kandidat für die Nachfolge von Premier David Cameron gilt, nun feststellen musste. Anfang der Woche verkaufte die Regierung die ersten 5,4 Prozent ihrer Anteile an der Royal Bank of Scotland (RBS) - für 2,1 Milliarden Pfund. Doch der Aktienkurs dümpelte da in der Nähe seines Jahrestiefstands herum. Deswegen muss sich der Oxford-Absolvent jetzt Vorwürfe anhören, die Papiere verramscht zu haben. "Desaströs" sei das Geschäft gelaufen, sagt Yvette Cooper von der Oppositionspartei Labour.

Osborne war sich bewusst, dass diese Privatisierung heikel wird. "Das Einfachste wäre, den schwierigen Entscheidungen auszuweichen und die Royal Bank of Scotland in Staatshand zu belassen", sagte der Politiker, als er den Verkauf verkündete. Aber für Wirtschaft und Steuerzahler sei eine Privatisierung besser - "daher machen wir das". Das Problem: Als die damalige Labour-Regierung die Krisenbank 2008 vor dem Kollaps rettete, steckte sie 45,5 Milliarden Pfund in das Institut. Dafür erhielt sie Aktien. Im Durchschnitt zahlte der Staat 502 Pence pro Anteilsschein.

Osborne will das 79-Prozent-Paket der Regierung jetzt schrittweise an den Mann bringen - aber der Kurs liegt weit unter den 502 Pence und wird diese wohl auch nicht so bald erreichen. Die ersten Aktien, die Osborne zu Wochenanfang losschlug, musste er für 330 Pence verkaufen: ein Riesenverlustgeschäft.

Allerdings glaubt der studierte Historiker, dass es dem Institut guttut, wenn sich der Staat schnell zurückzieht. Dies werde dann der gesamten Wirtschaft nützen, verspricht er. Hauptgrund für die Ungeduld des Londoners dürfte jedoch sein, dass er rasch viel Geld einnehmen will, um die geplante Sanierung des Staatshaushalts nicht zu gefährden. Allein in diesem Jahr möchte er insgesamt 32 Milliarden Pfund - oder 45 Milliarden Euro - mit Privatisierungen erlösen. Das wäre eine Rekordmarke in der Geschichte des Königreichs.

Schon seit zwei Jahren schlägt die Regierung schrittweise Anteile an der Lloyds-Bank los, die ebenfalls in der Finanzkrise gerettet wurde. Hier hält der Staat inzwischen nur noch 15 Prozent der Aktien. Daneben will Osborne den verbleibenden 30-Prozent-Anteil an der altehrwürdigen Royal Mail versilbern. Auch die Green Investment Bank, eine staatliche Förderbank ähnlich der deutschen KfW, soll teilweise privatisiert werden. Der Uranaufbereiter Urenco steht bereits länger auf Osbornes Ausverkaufsliste. Eigner des Unternehmens sind der britische und niederländische Staat sowie die Versorger Eon und RWE. Wegen des heiklen Geschäftsfeldes von Urenco gestaltet sich die Trennung von den Anteilen aber schwierig.

Die Regierung erwägt Medienberichten zufolge ebenso eine Privatisierung des staatseigenen Fernsehsenders Channel 4. In die Pflicht nimmt Osborne auch Kabinettskollegen: Der Verkehrsminister soll Landbesitz rund um Bahnhöfe versilbern. Und der Verteidigungsminister prüft, auf welche Grundstücke die Armee verzichten kann. Alles muss raus.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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