Nahaufnahme:Abstiegsangst

Nahaufnahme: "Es passiert nichts Dramatisches in der Gruppe, die Situation ist absolut unter Kontrolle, es gibt überhaupt keine Spannungen." Federico Ghizzoni.

"Es passiert nichts Dramatisches in der Gruppe, die Situation ist absolut unter Kontrolle, es gibt überhaupt keine Spannungen." Federico Ghizzoni.

(Foto: Bloomberg)

Federico Ghizzoni ist eigentlich ein leiser Mann. Doch jetzt kämpft der Chef der italienischen Unicredit um seinen Posten - und wird erstmals laut.

Von Harald Freiberger

Federico Ghizzoni, 60, gilt als Mann der leisen Töne. Erst am Schluss wurde er für seine Verhältnisse laut und deutlich. Während sich an diesem Montag zu Hause in Mailand die Gerüchte um den Rücktritt des Chefs der Großbank Unicredit überschlugen, weilte Ghizzoni 1200 Kilometer entfernt in Madrid. Dort eröffnete er die neue Zentrale seiner Bank in Spanien, auch ein Zusammentreffen mit König Felipe stand auf dem Programm.

Richtig konzentrieren konnte er sich darauf aber nicht mehr, so schwer stand er schon unter Beschuss. Und so entschloss sich Ghizzoni dazu, laut zu werden: "Es passiert nichts Dramatisches in der Gruppe, die Situation ist absolut unter Kontrolle, es gibt überhaupt keine Spannungen", ließ er aus Madrid mitteilen.

Wer den Satz genau studiert und etwa die Gepflogenheiten kurz vor dem Rücktritt von Fußballtrainern kennt, der konnte ahnen, dass dies einer der letzten Sätze von Ghizzoni als Chef der Unicredit gewesen sein dürfte. Nur einen Tag später, am Dienstagnachmittag, war sein Ausstieg besiegelt: Nach einer Sitzung des Verwaltungsrates gab die Bank bekannt, dass Ghizzoni seinen Hut nehmen muss. Es sei Zeit für einen Wechsel, teilte die Bank mit. Ghizzoni werde aber solange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden sei. Spekuliert wird, dass ein Nachfolger schon Anfang Juni präsentiert werden soll. Ghizzoni war 2010 auf den schillernden Alessandro Profumo gefolgt - und wirkte wie dessen Gegenentwurf: Ghizzoni, der schüchterne Mann mit der hohen Stirn spricht leise, er gestikuliert sparsam, seine Mimik hält sich in engen Grenzen. Profumo hingegen blühte vor größerem Publikum geradezu auf. Er hat den Großkonzern geschmiedet, zunächst aus einigen italienischen Sparkassen, dann durch den Kauf großer Institute im Ausland wie der Bank Austria und der deutschen Hypo-Vereinsbank. Für Ghizzoni, der bis dahin das Osteuropa-Geschäft verantwortet hatte, sprach nicht so sehr das Charisma, aber er genoss er das Vertrauen der italienischen Sparkassen, die bei Unicredit das Sagen haben.

Am Ende aber half ihm alles Taktieren nicht mehr. Die Zahlen sprachen eine klare Sprache: Der Aktienkurs hat sich binnen der vergangenen zwölf Monate mehr als halbiert. Ein Sparprogramm, das Ghizzoni im November noch verkündete und dem jede siebte Stelle zum Opfer fällt, half nicht mehr. "Wir haben eine unwegsame Straßen eingeschlagen. Wenn man die Probleme nicht frontal angeht, verschwinden sie nicht von selbst", sagt er damals. Neben hausgemachten Gründen litt Unicredit auch unter dem monatelangen Gezerre zwischen der EU und Italiens Banken, wie mit kriselnden Instituten umzugehen sein soll; das zog den gesamten Bankensektor nach unten.

Die Folge war, dass der Gewinn und die Kapitaldecke von Unicredit zusammenschmolzen. Das Eigenkapital liegt mit 10,5 Prozent gerade noch über der von der EU geforderten Untergrenze von zehn Prozent. Gerüchte über eine Kapitalerhöhung machen die Runde, Experten meinen, das Institut brauche fünf bis sieben Milliarden Euro. Ghizzoni wies das immer wieder zurück, doch die Gerüchte wollten nicht verstummen.

Im Februar hatte der Unternehmer Leonardo Del Vecchio, einer der Großaktionäre der Bank, in einem Interview den Startschuss für die Ablösung Ghizzonis gegeben. Der sei ein guter Banker, aber "vielleicht braucht die Bank heute so radikale Veränderungen, dass diese nur über Diskontinuität erreicht werden können", sagte er damals. Diskontinuität - könnte sein, dass das noch in den Wortschatz eingeht, als der italienische Weg, einen Chef zu schassen.

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