Nahaufnahme:Ab nach Wolfsburg

Nahaufnahme: "Ich konnte mich nie darauf ausruhen, nicht das Beste zu leisten." Larry Thompson

"Ich konnte mich nie darauf ausruhen, nicht das Beste zu leisten." Larry Thompson

(Foto: Bloomberg)

Larry Thompson soll VW nach der Dieselaffäre kontrollieren. Er hat bei Ford gearbeitet und war stellvertretender US-Generalstaatsanwalt.

Von Max Hägler

Die Kurzfassung lautet: Ein ehemaliger Top-Manager des Limonaden-Herstellers Pepsi wird der neue starke Mann bei Volkswagen. Das ist nicht ganz falsch, aber doch sehr verkürzt. Denn Larry Thompson war nicht nur für einen Getränkekonzern tätig, sondern er war stellvertretender US-Generalstaatsanwalt, Anfang der 2000er-Jahre. Unter anderem - immer wieder wechselte er zwischen Behörden und der Wirtschaft hin und her.

Dass er irgendwie noch einer der Ihren ist, mag mit ein Grund gewesen sein, dass das US-Justizministerium nun den früheren Mitarbeiter zum Chefaufseher bei Volkswagen berufen hat. Formal muss an diesem Freitag allerdings noch ein Richter in Detroit zustimmen, bei dem alles zusammenläuft in Sachen Dieselskandal, die Strafverfahren gegen VW und die Konzerntochter Audi, die Verfahren wegen Verstößen gegen den Umweltschutz und schließlich die Entschädigungen für die Verbraucher. Etwa 23 Milliarden Euro zahlt der Konzern, um die Klagen und Forderungen in den USA weitgehend beizulegen - und zudem verpflichtete man sich eben, einen Aufseher ins Haus zu lassen.

Geschickt ist der 71-Jährige von der US-Regierung. Bezahlt wird er aus Wolfsburg und dort wird er wohl bald Büros beziehen, samt seinem Team, und nachspüren, wie es zu diesem Skandal kommen konnte: Elf Millionen Autos bliesen auf der Straße weit mehr Dreck aus dem Auspuff als bei den offiziellen Tests im Labor. Wer wusste davon und falls es Leute mit Charakter gegeben hat, die warnten: Wieso sind deren Hinweise untergegangen? Und wie kann Volkswagen sicherstellen, dass derlei nicht mehr passiert? Solche Fragen wird Thompson stellen. Er soll dafür sorgen, dass künftig alles nach Recht und Gesetz läuft, nicht nur die Motoren.

In den USA sind solche Aufpasser ein gängiges Mittel zur Einhegung von Firmen, die unsaubere Geschäfte machen, auch wenn sie ihre Zentrale im Ausland haben. Siemens hat das durchgemacht nach einem Schmiergeldskandal, mit dem CSU-Politiker Theo Waigel als Aufpasser. Daimler bekam nach dem Auffliegen von allerlei Bestechereien den vormaligen FBI-Chef Louis Freeh vorgesetzt. Drei Jahre wirkten die Herren jeweils, mindestens so lange wird auch Thompson in Wolfsburg sein.

Den Menschen, die am Band Golfs zusammenschrauben, kann das egal sein. Doch im Management ist die Unsicherheit groß: Wie sehr wird er einem auf die Finger schauen? Muss man künftig etwa schon eine Einladung zu Kaffee und Kuchen ablehnen? Bei Daimler gab es eine solche Phase der Überkorrektheit.

Aber manche bei VW versuchen den neuen Machtverhältnissen auch etwas Gutes abzugewinnen. Der Mann könne als Externer doch interessantes Feedback geben, quasi als Unternehmensberater. Und er könnte beitragen zu dem, was der Konzern verlernt hatte: einen anständigen Umgang mit Fehlern, den eigenen und denen der Kollegen. Der aktuelle Vorstand um den Chef Matthias Müller will angeblich mehr Transparenz und Offenheit. Wenn sie es ernst meinen, kann ihnen die Arbeit des Oberaufsehers zupasskommen.

Zumal sie ein wenig mitgeredet haben bei der Personalie. Thompson ist einer von drei Kandidaten, die VW vorgeschlagen hatte. Als "moderat" hat ihn die New York Times einmal bezeichnet, also nicht parteipolitisch verbohrt. Der Sohn eines Eisenbahners hält eine Jura-Professur an der Universität von Georgia und sammelt schon seit seiner Studentenzeit Kunst, nicht nur, aber vor allem Werke von afroamerikanischen Künstlern. Ein wenig Autoerfahrung hat er übrigens auch, das ist ihnen in Wolfsburg schon wichtig. Bei Ford hat er mal gearbeitet. Ein Konkurrent zwar, aber immerhin.

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