Nachtzüge:Im Schlaf nach Wien

Österreichs Bahn übernimmt von Dezember an einen Teil der Schlaf- und Liegewagen. Das neue Konzept sieht sogar neue Nacht-Fahrten vor. Aber es gibt auch Kritik.

Von Markus Balser, Berlin

Das Aus für den klassischen Nachtzug der Deutschen Bahn (DB) war schon seit Monaten besiegelt. Zu wenige Passagiere, zu hohe Kosten: zum nächsten Fahrplanwechsel am 11. Dezember steigt die DB aus dem traditionsreichen Geschäft mit Schlaf- und Liegewagen aus. Bei einem Umsatz von 90 Millionen Euro fuhr der Berliner Konzern mit dem Übernachtangebot zuletzt einen Jahresverlust von gut 30 Millionen Euro ein. "Wir mussten einen Schlussstrich ziehen", sagt Berthold Huber, Verkehrsvorstand der Deutschen Bahn. Auch weil die Deutsche Bahn Geld für ihre Fernverkehrsoffensive am Tag braucht. Dass deutsche Kunden auch nach dem 11. Dezember weiterhin abends in Züge steigen, einschlafen und in Zürich, München, Rom oder Wien aufwachen können, hat damit zu tun, dass man in der Wiener Zentrale der österreichischen Staatsbahn ÖBB ganz anders über die Zukunft dieses Geschäftsfelds denkt als in Berlin. Denn dann übernimmt das Unternehmen die Hälfte der hiesigen Nachtzugverbindungen vom Konkurrenten aus dem Nachbarland. Schon im ersten Jahr will die ÖBB laut Chef Andreas Matthä mit ihrem Angebot so viele Kunden anziehen, dass für sie Gewinne herausspringen.

Fast 60 Wagen hat sie der Deutschen Bahn deshalb abgekauft und wird sie bis zum Dezember neu gestalten. Unter dem Namen Nightjet werden die Nachtzüge dann auf bereits bestehenden sowie auf sechs neuen Strecken unterwegs sein: Zwischen Hamburg, Berlin und Zürich, von Innsbruck über München nach Hamburg und Düsseldorf, zwischen München und Venedig, Rom und Mailand.

Was die ÖBB allerdings nicht übernimmt, fällt weg. Schlaf- und Liegewagen wird es demnach etwa auf der Strecke von Berlin nach München nicht mehr geben. Zwar lässt die Deutsche Bahn nachts dann mehr ICE- und IC-Züge mit Sitzplätzen fahren. Sie sollen die wegfallenden Schlafwagen ausgleichen und zielten auf "preissensible, junge Kunden", sagte Bahn-Vorstand Huber.

ÖBB weiten Nachtreisezug-Angebot in Deutschland aus

Unter dem Namen Nightjet werden die Züge dann auf manchen, aber nicht allen bestehenden Strecken unterwegs sein.

(Foto: oh)

Das Nachtzugangebot wird damit künftig deutlich ausgedünnt. Denn bislang ist die Deutsche Bahn zum Beispiel auch zwischen Köln und Prag, Köln und Warschau oder von Amsterdam nach München und Innsbruck mit Schlaf- und Liegewagen unterwegs. ÖBB-Chef Matthä sagte, sein Unternehmen habe nur diejenigen Nachtzugstrecken übernommen, für die es auch wirklich einen Markt gebe. Nur einer von hundert Fahrgästen der Deutschen Bahn reiste bisher im Schlaf- oder Liegewagen.

Wie kann sie erfolgreicher als die deutsche Konkurrenz sein? Die Bezahlung ist schlechter

Der Rückzug der Bahn hatte dennoch heftige Proteste zur Folge. Unter anderem aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn gibt es noch immer Bedarf. Das gelte vor allem für lange Strecken mit einer Fahrzeit von mehr als acht Stunden, sagte Pro-Bahn-Sprecher Stefan Barkleit. Nicht nur für Urlauber, sondern auch für Geschäftsleute sei es durchaus eine Alternative zum Flug, etwa von Hamburg nach Zürich im Schlaf- oder Liegewagen zu reisen.

Nachtzüge: SZ-Karte

SZ-Karte

Auch Gewerkschaften kritisieren den Rückzug der Deutschen Bahn. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hält wenig vom künftigen Nachtangebot: "Verbesserungen sehen wir da nicht", sagte der Vorsitzende Alexander Kirchner. Was aus den rund 350 Beschäftigten der Bahn wird, ist bislang offen. Nach Angaben aus Konzernkreisen können sie betriebsbedingt nicht gekündigt werden. Dennoch gebe es nur für wenige innerhalb des Konzerns neue Arbeitsplätze, die mit der jetzigen Tätigkeit vergleichbar seien. Ein Wechsel zum ÖBB-Partner Newrest komme für viele Kollegen nicht in Frage. Die Bezahlung sei schlechter, heißt es weiter. Ein Teil der Erklärung, wie die Österreicher erfolgreicher als die deutschen Konkurrenten sein wollen, könnte genau darin liegen: in niedrigeren Löhnen für das Personal. Auch weil die ÖBB deutlich mehr Nachtzüge betreibe, könne sie das Geschäft effizienter anbieten als die DB, heißt es bei der Bahn.

Die ÖBB will zum Start 40 Millionen Euro in den Kauf und Umbau der Züge investieren und unterwegs mit Service - Getränken und Frühstück an Bord - punkten. In allen Zügen sollen Fahrgäste Fahrräder, in manchen sogar Autos mitnehmen können. Im ersten Jahr sollen auch die Vergünstigungen der Deutschen Bahn, wie etwa die Bahncard, gelten.

Leicht dürfte es für die ÖBB dennoch nicht werden, auf dem Markt zu bestehen. Denn die Konkurrenz wird größer. Billige Flüge und günstigere Hotelübernachtungen erleichtern das Reisen am Tag. Und die Deutsche Bahn arbeitet schon längst an neuen Schnelltrassen. So soll die Fahrtzeit zwischen München und Berlin mit Eröffnung der Schnelltrasse 2018 deutlich kürzer werden: Von mehr als sechs auf weniger als vier Stunden.

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