Nachhaltigkeit:Nieder mit dem Einweg-Kaffeebecher

Nachhaltigkeit: Allein in Deutschland werden laut der Deutschen Umwelthilfe jährlich 2,8 Milliarden Becher weggeworfen.

Allein in Deutschland werden laut der Deutschen Umwelthilfe jährlich 2,8 Milliarden Becher weggeworfen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Start-up Recup hat ein Pfandsystem für Mehrweg-Kaffeebecher konzipiert.
  • Kunden können die Becher für einen Euro in Cafés und Bäckereien ausleihen und in allen teilnehmenden Geschäften wieder abgeben.
  • In den nächsten Wochen kommen viele weitere deutsche Städte dazu - der nächste Schritt wäre ein bundesweit einheitliches System.

Von Sophie Burfeind

Sie kannten sich nicht, wussten nicht, dass der andere existiert, aber hatten dieselbe Idee zum selben Zeitpunkt. Florian Pachaly studierte BWL in der Nähe von Freiburg, Fabian Eckert studierte Nachhaltigkeitsmanagement in Schweden. Wie viele Studenten tranken sie gern Kaffee, phasenweise auch sehr viel davon. Was sie daran nervte, waren die vielen Kaffeebecher, die so in den Mülleimern landeten, tonnenweise, auch an ihren Unis. Das muss aufhören, dachten sie, zum Beispiel mit einem Pfandsystem für Coffee-to-go-Becher. Eine ziemlich deutsche Idee, nirgendwo sonst ist Pfand so verbreitet.

Aber auch Einwegkaffeebecher sind in Deutschland sehr verbreitet. Die Deutsche Umwelthilfe hat berechnet, dass in Deutschland jedes Jahr 2,8 Milliarden Becher weggeworfen werden. Das sind 7,6 Millionen am Tag. Um all diese Becher und ihre Deckel herzustellen, werden 22 000 Tonnen Rohöl benötigt, 29 000 Tonnen Papier (oder 43 000 Bäume) und 1,5 Milliarden Liter Wasser (der Jahresverbrauch von 32 000 Bürgern). Nach durchschnittlich 15 Minuten landet der Becher im Müll. Er sieht zwar aus wie Pappe, ist aber in der Regel mit Plastik beschichtet. Er kann also nicht mal recycelt werden.

All das für einen Cappuccino. Völlig absurd!, fanden Florian Pachaly, 22, und Fabian Eckert, 28. Sie schrieben der Münchnerin Julia Post, die andere Münchner davon überzeugen wollte, eigene Becher für den Coffee-to-go mitzubringen. Sie riet ihnen, sich zusammenzutun. Im August 2016 trafen sich die beiden in München. Einen Namen für das Projekt hatte Fabian Eckert schon: Recup. Im Dezember gründeten sie das gleichnamige Start-up.

Es fing an mit Mehrwegbechern in Rosenheim, mittlerweile gibt es sie in vielen deutschen Orten, in mehr als 800 Cafés und Bäckereien, und jeden Tag kommen neue dazu. Florian Pachaly, blond, Jeanshemd, ist stolz, wenn er das erzählt. Er sitzt in ihrem Konferenzraum in Sendling, neben ihm Fabian Eckert, roter Bart, Naketano-Kapuzenpullover. Es gibt ein Großraumbüro und einen Konferenzraum, in einer Ecke des Büros steht ein Hochbett. Ein Mitarbeiter macht gerade Kopfstand zur Entspannung. Auf einem Brett stehen die Bechereditionen, eine Stadt, ein Becher, Sylt ist gerade fertig geworden. Eine Robbe, ein Strich für den Strand, ein Leuchtturm. "Relativ aufgeräumt", sagt Pachaly.

In Deutschland gibt es 47 000 Bäckerläden und 11 500 Cafés, natürlich sind sie noch am Anfang. Aber die Gründer sind optimistisch. Es muss nur einer den Anfang machen, dann folgen die anderen.

Ihr Konzept: Wer ein Café oder eine Bäckerei betreibt und statt oder zusätzlich zu Einwegbechern die Mehrwegbecher des Start-ups anbieten will, meldet sich auf der Internetseite von Recup an. Recup verleiht die Becher gegen einen Pfand und verlangt zusätzlich eine Gebühr von einem Euro pro Tag, also etwa 30 Euro im Monat. "Für diese Gebühr tauschen wir alte und kaputte Becher aus, kümmern uns um die Logistik und stellen Werbematerial zur Verfügung", sagt Pachaly. Die Becher sind aus recyclebarem Kunststoff.

Die Kunden bezahlen den Pfand von einem Euro pro Becher und können ihn bei jedem teilnehmenden Café oder Bäcker wieder abgeben. In der Recup-App sieht man, wo das möglich ist. Die Betreiber verpflichten sich, den Kunden eine Form von Rabatt auf das Getränk im Mehrwegbecher anzubieten, damit sie auf Einwegbecher verzichten. Für die Anbieter lohne es sich, mitzumachen, sagt Pachaly, und rechnet vor: Ein Pappbecher koste im Schnitt acht Cent, würden 15 Becher am Tag an fünf Tagen die Woche gespart, habe man die Recup-Gebühr fast schon wieder drin. Außerdem kommen neue Leute, die Becher abgeben wollen. Und wenn sie vor Croissants und Kuchen stehen, kaufen sie vielleicht noch etwas.

Recup würde gerne ein bundesweit einheitliches Pfandsystem etablieren

An der Wand im Konferenzraum hängt eine Deutschlandkarte mit Stecknadeln. Eine Stecknadel ist ein Wettbewerber. Die Recup-Gründer sind nicht die einzigen, die sich ein Pfandsystem für Kaffeebecher ausgedacht haben. Auf der Karte sieht man aber, dass sie es im Vergleich zu ihren Mitbewerbern geschafft haben, nicht nur in einzelnen Städten, sondern in ganz Deutschland aktiv zu sein. Der Unterschied ist auch, dass die anderen ihre Becher verkaufen und nicht gegen Pfand verleihen. Recup nimmt die Becher zurück und zahlt den Pfand aus. Pachaly sagt: "Wir können den größten ökologischen Nutzen ja nur erzielen, wenn wir ein stabiles Pfandsystem mit möglichst wenig Bechern haben."

Das Problem an diesem Modell ist, dass es nur funktioniert, wenn sehr viele mitmachen. Kann man den Becher in einer Stadt nirgends abgeben, kauft ihn keiner. Und auch finanziell gesehen funktioniert es nur so: 800 Cafés, das sind derzeit gerade mal 800 Euro am Tag, für 15 Angestellte. Gehälter zahlen können die Gründer nur, weil sie private Investoren haben.

Dieter Reiter bei einer Umweltaktion in München, 2017

Prominenter Unterstützer: Bei einer Aktion gegen die massenhafte Verwendung von Einweg-Kaffeebechern warb Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (re.) für die Mehrweg-Alternative von Recup.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit Blick auf die Deutschlandkarte sagt Eckert, dass es eigentlich sinnlos sei, in dieser Sache zu konkurrieren, man verfolge ja dasselbe Ziel. Sinnvoll sei ein bundesweit einheitliches Pfandsystem. In den nächsten Wochen startet Recup in Hamburg, Rostock, Augsburg, Ulm, Schwäbisch-Hall, am Starnberger See und auf Sylt. Natürlich wären sie gerne das bundesweit einheitliche Pfandsystem.

Es gibt größere Probleme auf der Welt als Kaffeebecher, sagen die Gründer, aber sie seien ein Beispiel für unsere Wegwerfkultur. Mit ihrem Start-up wollen sie zeigen, dass es einfach ist, den eigenen Konsum nachhaltiger zu gestalten. Und wer anfängt, nachhaltiger Kaffee zu trinken, lebt vielleicht auch sonst nachhaltiger. Und darum geht es ja am Ende.

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