Nachhaltigkeit:Ein guter Ruf ist Gold wert

Nachhaltigkeit: Verbraucher schätzen Firmen, deren Produkte langlebig, gesundheitlich unbedenklich und innovativ sind.

Verbraucher schätzen Firmen, deren Produkte langlebig, gesundheitlich unbedenklich und innovativ sind.

(Foto: Moritz Attenberger/Vaude)

Eine faire Unternehmensstrategie macht sich oft auch am Gewinn bemerkbar. Verbraucher und Investoren schätzen solche Firmen.

Von Norbert Hofmann

Der von der Staatengemeinschaft gerade beschlossene Ausstieg aus den Fluorkohlenwasserstoffen (HFC), wie sie in Kühlschränken und Klimaanlagen zum Einsatz kommen, gilt der Umweltorganisation Germanwatch als Durchbruch im weltweiten Klimaschutz. Für Unternehmen haben solche politischen Entscheidungen immer zwei Seiten. Sie können Auflagen und zusätzliche Kosten nach sich ziehen, eröffnen aber auch neue Marktchancen. Letzteres gilt vor allem für Firmen, die nachhaltige Aspekte in ihrer Strategie berücksichtigen. "Solche Unternehmen haben regulatorische Risiken wie die Einführung von Emissionsgrenzwerten besser im Griff oder können durch die vorausschauende Entwicklung ressourcensparender Produkte Wettbewerbsvorteile erzielen", sagt Matthias Bönning, Vorstand des Rating- und Analystenhauses Oekom Research.

Ein Nachhaltigkeitsmanagement birgt nicht nur mit Blick auf ökologische Aspekte Chancen. Die angemessene Bezahlung von Mitarbeitern und das Streben nach sicheren Arbeitsplätzen etwa kann sich in einer erhöhten Leistungsbereitschaft der Belegschaft niederschlagen. Selbstverständlich sind solche Bedingungen längst nicht überall. "Wenn sich Mitarbeiter wie im Falle von Tui-Fly kollektiv krank melden, zeugt das eher von zerrütteten Verhältnissen", sagt Bönning. Doch wann zahlt sich umgekehrt das Streben nach Fairness und Gerechtigkeit tatsächlich aus? Wann wird es auch von Investoren belohnt? "Einen automatischen Zusammenhang zwischen freiwilligen ökologischen oder sozialen Maßnahmen einerseits und dem Unternehmenserfolg andererseits gibt es nicht", sagt Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg.

Nachhaltigkeit bringt etwa dann zählbaren Gewinn, wenn eine ökologische Produktion zum Umsatztreiber wird, wie das bei Hipp Babynahrung, der Bionade-Brause oder dem Lammsbräu-Ökobier der Fall ist. Da steigert die Reputation dann auch den Markenwert. "Ein hohes Ansehen etwa bei Organisationen wie Germanwatch oder Foodwatch bringt zudem einen Imagegewinn und die Chance, sich gegenüber den Verbrauchern als "Ökomarktführer" zu präsentieren", sagt Henry Schäfer, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart. Die Konsumenten sind zwar nur sehr eingeschränkt bereit, für ökologische Produkte mehr auszugeben. Der gute Ruf macht ein Unternehmen aber als Arbeitgeber attraktiv. Die Schaffung von Kinderkrippen kann etwa betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. "Mütter sind häufig exzellent organisierte Menschen und können Impulse liefern, um die Organisation eines Unternehmens ebenfalls zu verbessern", sagt Schaltegger.

Wer ethische Aspekte vernachlässigt, kriegt früher oder später Probleme

Doch das Erarbeiten von wirtschaftlichen Vorteilen durch Nachhaltigkeit ist in Deutschland nicht die Regel. Zwar kann einer Studie des Centre for Sustainability der Leuphana Universität zufolge nahezu jedes Großunternehmen Beispiele vorweisen. Solche Maßnahmen resultieren aber oft aus Initiativen oder eher zufällig aus dem alltäglichen Geschäft denn aus einer systematischen Strategie heraus. Und im Mittelstand mit 200 bis 300 Mitarbeitern finden sich nach Erkenntnissen der Wissenschaftler noch weniger Beispiele für eine solche Strategie. Wohin die Vernachlässigung nachhaltiger Aspekte führen kann, zeigen die Probleme der Deutschen Bank mit umstrittenen Hypothekengeschäften oder der Abgas-Skandal von VW. Die Aktien dieser Unternehmen wurden von Investoren ebenso abgestraft wie die der Versorger RWE und Eon, die viel zu spät die Zeichen der Energiewende erkannt haben. Der Aktienkurs des Elektroautoherstellers Tesla dagegen ist in den vergangenen fünf Jahren um das Siebenfache gestiegen.

Wo aber setzt eine systematische Nachhaltigkeitsstrategie an? "Am Anfang steht das Produkt oder die Dienstleistung, die nicht zuletzt aufgrund ihres relativ höheren Preises gegenüber vergleichbaren Angeboten einen Mehrwert bieten muss", sagt Hans-Werner Grunow, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Sherpacon. Mehrwerte können die besondere Langlebigkeit einer Ware oder ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit ebenso sein wie die Fähigkeit zur Innovation. Im zweiten Schritt folgt die Gestaltung der Wertschöpfungskette angefangen von den eigenen Produktionsbedingungen bis hin zu vorgelagerten Stufen. Der Autohersteller BMW etwa nutzt seine innovativen Fähigkeiten auch zur Entwicklung umweltfreundlicher Fahrzeuge und verlangt auch von seinen Zulieferern Informationen darüber, wie nachhaltig diese ihr Unternehmen steuern.

Wenn Firmen nicht auf faire Arbeitsbedingungen bei Lieferanten achten, kann sich das rächen. So war das, als nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch infolge von Streiks die Produktion stillstand. "Wenn es bei einem Unternehmen in Deutschland dann zu Lieferengpässen kommt, helfen die Kostenvorteile auch nichts mehr", warnt Analyst Bönning. Eine Studie der Universität Stuttgart hat nachgewiesen, dass nachhaltige Maßnahmen zusätzliche Potenziale schaffen. Initiativen hin zu mehr Freiheiten etwa durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit unterstützen demnach die Kommunikation und das Teilen von Wissen untereinander und fördern so das Entstehen neuer Ideen. "Die wiederum können in neue Produkte und damit in Wettbewerbsvorteile umgesetzt werden", sagt Wissenschaftler Schäfer.

Voraussetzung für den Erfolg einer nachhaltigen Strategie ist, dass die Unternehmensführung mit voller Überzeugung dahintersteht. Die Chancen stehen dann gut. "Nachhaltig orientierte Manager sind offenbar grundsätzlich beharrlicher in der Umsetzung von Geschäftsmodellen, was wiederum von Kompetenz zeugt", sagt Grunow.

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