Nachfolge:Tragisches Ende

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Thomas Wagner, der Chef des Online-Reiseanbieters Unister, stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Wie es mit dem Unternehmen, das Portale wie "fluege.de" und "ab-in-den-urlaub.de" betreibt, weitergeht, ist unklar.

Von Heinz-Roger Dohms

Die Geschichte ist nicht nur tragisch. Sie ist auch mysteriös. Thomas Wagner, der Gründer und Chef der Internetfirma Unister, die Portale wie "Fluege.de" und "Ab-in den Urlaub" betreibt, und drei Begleiter stürzen auf dem Rückflug von Italien mit einer Kleinmaschine über den slowenischen Alpen ab. Es heißt, an Bord sei ein Geldkoffer gewesen, angeblich Millionen Euro. So berichtet Bild, die schreibt, Wagner habe einen "venezianischen Geschäftsmann" treffen wollen, der "sein Geld mit Juwelenhandel und Kreditgeschäften" verdiene.

Es gibt keine Bestätigung für diese Schilderung. Und vielleicht ist das alles nicht wichtig, schließlich sind vier Menschen ums Leben gekommen. Und doch passt die Sache mit dem Koffer irgendwie ins Bild. Denn Unister war kein normales Unternehmen. Sondern immer auch ein Tollhaus.

Dabei hatte Unister das Zeug, zur zweiten großen deutschen Internet-Gruppe neben dem der Samwer-Brüder aufzusteigen. Denn: Wagner war nicht nur ein unternehmerisches Enfant terrible. Er war vor allem ein genialer Gründer, der mit seiner Idee, die Urlaubsplanung vom Reisebüro ins Internet zu verlagern, die deutsche Tourismusbranche revolutionierte.

Nicht nur Konzerne wie TUI und Thomas Cook setzte der Newcomer unter Druck. Sondern auch die Online-Konkurrenz aus dem Ausland, wie Opodo oder Expedia. In guten Zeiten hatte Unister fast 2000 Mitarbeiter, vermittelte Flüge und Pauschalreisen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro jährlich. Damit waren die Leipziger im Onlinebereich klarer Marktführer hierzulande.

Gerätselt wird nun über einen Koffer voll Geld

Bloß: Das Geld, dass die Leipziger als Vertriebsprovision von den Reiseveranstaltern kassierten - es floss meist gleich wieder raus. Denn der Marketingaufwand, vor allem für Werbung bei Google und im Fernsehen, war gigantisch. Im Jahresabschluss 2013 etwa, der der SZ vorliegt, ist von einem Fehlbetrag von 27,7 Millionen Euro und einer "bilanziellen Überschuldung" die Rede. Das größte Problem: Der Übergang vom Start-up zum soliden Unternehmen misslang. Viele Manager traten die Flucht an. Und Wagner verzettelte sich in seinen Geschäftsideen - wie etwa den geplanten Aufbau einer deutschlandweiten Hotelkette.

Und nun? Wie geht es weiter? Wagner, 38, unverheiratet und kinderlos, war ja nicht nur Gründer und Chef. Er war Unister. Der Mann, an dem alles hing. Unter den mehr als 1000 Mitarbeitern dürfte die Verunsicherung deshalb groß sein - genauso wie mutmaßlich auch bei manchem Kunden, der seine Reise bereits gebucht, aber noch nicht angetreten hat.

"Für die Kunden ändert sich gar nichts", versichert ein Sprecher. Tatsächlich: Bucht ein Urlauber über "Ab in den Urlaub" eine Pauschalreise, dann ist sein Vertragspartner nicht das Vergleichsportal, sondern der Reiseveranstalter. Komplizierter wird die Sache allerdings dadurch, dass zu Unister auch ein Veranstalter namens Urlaubstours gehört - die Leipziger also viele Reisen sozusagen an sich selbst vermitteln. Hier müsste im Zweifel die gesetzliche Insolvenzversicherung einspringen.

Wie das Unternehmen tatsächlich dasteht, ist schwer zu sagen. Denn die Unister Holding veröffentlicht seit Jahren praktisch keine Geschäftszahlen mehr. Indizien deutet jedoch darauf hin, dass die finanzielle Lage angespannt ist. So waren die Leipziger zuletzt erkennbar bemüht, Cash in die Kasse zu bekommen. Das Finanzportal "Geld.de" wurde ebenso verkauft wie zwei Grundstücke. Den Nachfolger Wagners erwartet in jedem Fall eine Herkulesaufgabe. Wobei unklar ist, wer das werden soll. Unter den Toten befand sich einer der vier Mitgründer Wagners. Von den drei übrigen hat sich einer schon vor Jahren zurückgezogen. Der zweite schied 2015 nach einem Zerwürfnis aus der Unternehmensführung aus. Der dritte ist der Bruder dessen, der jetzt mit Wagner verunglückte.

Schon vor Tagen wurden im Umfeld von Unister erzählt, Wagner wolle mit einem Millionenbetrag in bar nach Italien reisen. Das Geld, so hieß es, solle als eine Art Sicherheitseinlage für einen Kredit in deutlich größerer Höhe dienen. Die Quelle war seriös. Aber die Geschichte klang trotzdem völlig irre. Und jetzt? Ist nicht auszuschließen, dass es tatsächlich so war.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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