Nach Verschiebung der Bundestags-Entscheidung:Bahn-Privatisierung steht auf der Kippe

Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ist wieder fraglich geworden. In den Bundestagsfraktionen von Union und SPD gibt es massive Bedenken gegen den Gesetzentwurf von Wolfgang Tiefensee. Der Verkehrsminister muss zudem eine Ablehnung auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten fürchten.

Während es in der SPD-Fraktion am Freitag zu einer langen und heftigen Debatte um die Reform kam, wurde auch aus der Union überraschend deutliche Kritik an den bisherigen Plänen geübt: Der Gesetzentwurf, der bereits das Kabinett passiert hat, sei "noch nicht beschlussreif", hieß es im Umfeld der Fraktionsführung von CDU und CSU. Man erwarte essentielle Nachbesserungen von SPD-Politiker Wolfgang Tiefensee. Die Fraktion soll bei einer Klausur am Montag einen Antrag beschließen, in dem Bedingungen für eine Privatisierung formuliert werden.

In der SPD-Fraktion warben nach Teilnehmerangaben Verkehrsminister Tiefensee, Finanzminister Peer Steinbrück sowie mehrere Fachpolitiker für das Vorhaben. Fraktionschef Peter Struck erinnerte zudem daran, dass die Fraktion bereits zweimal den Grundsatzbeschluss zur Privatisierung gefasst habe. Trotzdem argumentierte eine Mehrheit der Redner in der Sitzung gegen den Entwurf, unter ihnen die frühere Bildungsministerin Edelgard Bulmahn sowie der hessische Abgeordnete Hermann Scheer. Er führt innerhalb der SPD eine Gruppe an, die fordert, die Bahn-Anteile als Volksaktien zu verkaufen, also nicht an Investoren, sondern an Kleinanleger.

Einhellige Unterstützung erhielt Struck zwar für die Entscheidung, den Zeitplan für die parlamentarische Befassung zu strecken. Darauf hatte sich der SPD-Fraktionschef am Vorabend mit seinem Unions-Kollegen Volker Kauder (CDU) verständigt.

Ursprünglich sollte der Gesetzentwurf binnen weniger Wochen durchgesetzt werden. Mit dem neuen Zeitplan steht aber auch fest, dass der Bundestag nicht mehr vor dem SPD-Parteitag Ende Oktober abschließend über den Entwurf abstimmen wird. Dort wird heftiger Widerstand gegen die Bahn-Privatisierung erwartet. Acht Landesparteitage haben das Projekt schon abgelehnt. In der SPD-Spitze, aber auch bei vielen Abgeordneten, gibt es große Zweifel, dass derzeit eine weitere Privatisierung eines öffentlichen Unternehmens in der Partei überhaupt durchsetzbar ist.

"Erheblichen Erklärungsbedarf"

Auch Verkehrsexperten der Union erneuerten ihre Kritik. Sie fürchten, der Bund könnte mit der Privatisierung den Einfluss auf die Schieneninfrastruktur verlieren. Der stellvertretende Fraktionschef Hans-Peter Friedrich sagte der SZ, es gebe "erheblichen Erklärungsbedarf". Er glaube aber, dass man seine Fraktionskollegen überzeugen könne, "unter der Bedingung, dass vorher nachgebessert wird". Der verkehrspolitische Sprecher der Union, Dirk Fischer, sagte, Ziel sei der "dauerhafte Verbleib der steuerfinanzierten Infrastruktur beim Bund".

Der Gesetzentwurf, der das Kabinett schon passiert hat, will das Schienennetz nur pro forma beim Bund belassen. De facto soll die Bahn darüber 18 Jahre lang frei verfügen können. Will der Bund es anschließend komplett in seine Obhut nehmen, muss er einen "Wertausgleich" zahlen. Nach aktuellem Stand könnte sich dieser auf 7,5 Milliarden Euro belaufen. Kritiker fürchten, dem Bund könnte dieser Aufwand dereinst zu hoch sein; das Netz fiele dann endgültig an die Bahn. Sähe das Gesetz jedoch keinen Wertausgleich mehr vor, bekäme die Bahn faktisch nur noch eingeschränkten Einfluss auf das Netz - so wollen es die Gesetze.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: