Nach verlorenem Streik:Machtkampf um die Führung in der IG Metall

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Der Machtkampf um die Führung der IG Metall eskaliert. Vizechef Jürgen Peters wies alle Rückzugsforderungen scharf zurück und provoziert damit eine Zerreißprobe.

Jonas Viering

(SZ vom 05.07.03) - Als "Verzweiflungsschrei" wertete es ein hoher Funktionär, dass nun bei der Suche nach dem Nachfolger des scheidenden IG-Metall-Chefs Klaus Zwickel ein dritter Kandidat ins Spiel gebracht werde. Bislang war Peters für dieses Amt vorgesehen, während der Reformer Berthold Huber aus Baden Württemberg sein Stellvertreter werden sollte.

Manchem Metaller ist Vize-Chef Jürgen Peters nur noch schwer vermittelbar. (Foto: dpa)

Aus Nordrhein-Westfalen kam der Vorschlag, eine Findungskommission einzusetzen. VW-Betriebsratschef Klaus Volkerts forderte Huber ultimativ auf, Farbe zu bekennen. Erstmals wurde auch im Osten Kritik an Peters laut.

Druck rausnehmen

Die Findungskommission solle den Druck aus dem Führungsstreit nehmen, sagten Gewerkschafter aus Nordrhein-Westfalen und dem Bezirk Küste. "Augen zu und durch, das ist keine mehrheitsfähige Position mehr in der IG Metall", meinte Witich Roßmann, Leiter der Verwaltungsstelle Köln, der Süddeutschen Zeitung.

"Um eine glaubwürdige, von einer breiten Mehrheit getragene Führung auf dem Gewerkschaftstag im Herbst wählen zu können, müssen wir in Ruhe neu diskutieren". Damit tritt ein Teil des Reformerlagers um Huber und Zwickel die Flucht nach vorn an.

Der Vorschlag soll Bewegung in den 41-köpfigen Vorstand bringen, der seit Wochen durch eine Patt-Situation gelähmt ist. Am Dienstag soll er über die Personalquerelen entscheiden.

Sofort abgewinkt

In der IG Metall wurden unterdessen sogar Personalvorschläge wie der ehemalige Vorsitzende Franz Steinkühler oder NRW-Arbeitsminister Harald Schartau - der sofort abwinkte - debattiert.

Sämtliche Bezirkschefs sind politisch klar zuzuordnen, zwei sind für Peters und fünf für Huber. Sie gelten deshalb als nicht mehr fähig, die zerstrittene Gewerkschaft zu einen.

Es liege jetzt an Huber, den Streit zu beenden, sagte VW-Betriebsrat Volkert. Der Baden-Württemberger solle sich mit dem Posten des Vizechefs unter Peters begnügen, so wie es der Vorstand im April beschlossen habe. "Ich sehe sonst im Vorstand niemanden, der auch nur ansatzweise die Organisation einen könnte", sagte Volkert. Der Peters-Unterstützer will damit Huber in Zugzwang bringen.

"Es geht nicht um Huber"

Bayerns IG Metall-Chef Werner Neugebauer wies dies zurück. "Es geht nicht um Huber, sondern darum, ob Peters als oberster Tarifpolitiker die Verantwortung für unsere größte Niederlage seit fünfzig Jahren übernimmt", sagte er. Huber habe schließlich nicht an der Streikplanung teilgenommen.

Zum ersten Mal wurde auch in Ostdeutschland harte Kritik am Eskalationskurs von Peters laut. "Ich verliere jede Achtung" vor den Vizechef, sagte Sieghard Bender, Streikführer in Chemnitz.

Der Arbeitskampf sei von "blindem Aktionismus" geprägt gewesen. "Die Änderung des Streikkonzepts" hin zu mehr Fernwirkung der ostdeutschen Ausstände auf westdeutsche Betriebe sei zuvor mit den regionalen Streikführern "nicht diskutiert" worden.

"Öffentliche Schlammschlacht"

Die Tarifkommission in Chemnitz hat sich laut Bender hinter diese Kritik gestellt, ähnlich sähen dies die Verwaltungsstellen Berlin, Leipzig und Oranienburg. Der Betriebsrat von EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt stellte sich hingegen auf die Peters-Seite. Er verlangte, die "öffentliche Schlammschlacht" in der IG Metall zu beenden".

Im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall attackierte umgekehrt Horst Schmitthenner den scheidenden ersten Vorsitzenden Klaus Zwickel. "Ich fühle mich von Zwickel getäuscht", sagte der als Linksaußen geltende Schmitthenner.

"Wir hatten die Verabredung, das Scheitern des Streiks zunächst intern zu analysieren." Zwickel hatte zuvor öffentlich Peters angegriffen, dieser jedoch seinerseits auch Zwickel.

Zu zerrüttet

"Eine Zusammenarbeit mit einem ersten Vorsitzenden Peters ist nach all dem Streit nicht mehr vorstellbar", sagte ein Bezirkschef der SZ. Zu zerrüttet seien nach dem Streit der zu Ende gehenden Woche die Beziehungen. Seinen Namen wollte er nicht nennen lassen.

Sogar über eine Spaltung der Gewerkschaft wird spekuliert, sollte Peters doch noch Chef werden. Die starken Betriebsräte der Autoindustrie, die das Rückgrat der Gewerkschaft bilden, würden sich mit Peters nicht abfinden, hieß es.

Wenn der Vorstand am Dienstag Peters nicht zum Rückzug bewegen kann, erwägen Vorständler um Zwickel, selbst zurückzutreten. Damit wäre die 2,7 Millionen Mitglieder große Organisation faktisch führungslos.

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