Nach den Landtagswahlen:Der Erfolg der AfD hängt nicht nur von der Flüchtlingskrise ab

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Graffiti in Athen: Die Misere Griechenlands könnte der AfD womöglich noch in die Hände spielen. (Foto: Yannis Behrakis/Reuters)

Es gibt genug andere Probleme, mit denen die Partei Wähler mobilisieren kann.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Eines hat sich nie geändert: Die Alternative für Deutschland war schon immer eine Protestpartei. In den vergangenen Wochen kannte sie dabei fast nur ein Thema, um die Wähler zu mobilisieren: die Flüchtlingskrise. Das war früher mal anders: Gegründet von einigen Professoren, richtete sich der Protest der AfD anfangs vor allem gegen den Euro und die Rettungspolitik von Angela Merkel. Noch im vorigen Sommer beherrschte dieses Thema die Schlagzeilen. Es war die Zeit, als die von Kanzlerin Angela Merkel benutzte Begründung, Kredithilfen für Athen seien "alternativlos", erstmals wackelte - und Griechenland tatsächlich der Rauswurf aus der Währungsunion drohte.

Der Rückblick hilft zu verstehen, warum die AfD nicht automatisch verschwinden oder zu einer politischen Randpartei verkommen wird, wenn nur erstmal die Flüchtlingskrise bewältigt ist. Hinter der akuten Flüchtlingskrise warten weitere, ungelöste Probleme wie das der Energiewende, des billigen Geldes - und weiterhin der Zukunft Griechenlands.

Dass die AfD fest entschlossen ist, diese Themen zu nutzen, um Wähler zu mobilisieren, zeigen ihre politischen Leitlinien. Die Partei bietet Alternativen an. Beispiel Euro: "Die Eurokrise hat gezeigt, dass die Einführung des Euro eine Entscheidung gegen die ökonomische und politische Vernunft war." Welchen Handlungsauftrag die AfD daraus ableitet, ist im Wahlprogramm des Jahres 2013 nachzulesen, das noch gültig ist: "Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Wir brauchen den Euro nicht."

In Deutschland liegt viel Potenzial für Protestparteien

Die AfD hat in der Flüchtlingskrise als Partei des Protests reüssiert. Die Bürger, die sie in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt haben, wollten mehrheitlich ihre Unzufriedenheit mit etablierten Parteien ausdrücken. Der Blick auf die anstehenden wirtschaftspolitischen Herausforderungen in Deutschland zeigt allerdings, dass hier jede Menge Potenzial lagert, um Protestwähler auch mit anderen Themen zu gewinnen.

Etwa mit der Krise in Griechenland. Das im vergangenen Sommer nach heftigen Streitigkeiten vereinbarte dritte Kreditprogramm ist ein halbes Jahr im Verzug, die erste Überprüfung der Auflagen weiter nicht abgeschlossen. Mithin verzögert sich die Auszahlung der vereinbarten Kreditraten, was der Bundesregierung nicht ganz ungelegen kommen dürfte. Insbesondere weil Schäuble damit nicht in die Verlegenheit gerät, im Bundestag um das Mandat zur Auszahlung weiterer Kredite zu bitten.

Es wäre eine heikle Situation. Erstens, weil Schäuble gerade 12,8 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss zurückgelegt hat, um die Kosten der Flüchtlingskrise zu bezahlen. Und zweitens, weil eine von Merkel und Schäuble zur Voraussetzung für jegliche Kredite an Griechenland erhobene Forderung nach wie vor nicht erfüllt ist: Der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt sich weiterhin nicht an den Finanzhilfen des dritten Kreditprogramms. Vielmehr steht mittlerweile fest, dass der IWF nur mitmachen kann, ohne seine Statute zu verletzen, wenn die Euro-Länder den Schuldendienst Athens für 20 bis 30 Jahre aussetzen - und damit die Schulden des Landes tragfähig machen.

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Für Schäuble sind das alles in allem wenig ersprießliche Aussichten. Entweder er verhandelt demnächst über die Stundung der griechischen Schulden, damit der IWF rechtzeitig an Bord kommt. Oder er setzt sich der Gefahr aus, dass sich die griechische Krise in den Bundestagswahlkampf 2017 hineinzieht. Und damit auch der Druck wächst, noch einmal eine Alternative zur Lösung der griechischen Krise zu sondieren. Schon im Sommer 2015 waren die Bundesbürger gespalten, ob Griechenland im Euro bleiben sollte - oder nicht. Es spricht vieles dafür, dass dieser Streit auch 2017 polarisieren wird.

In die Kategorie "absehbare Themen für Protestwähler" fallen auch der Streit über die europäische Einlagensicherung oder der um die schwarze Null im Bundeshaushalt und die Debatte über die richtige - oder falsche - Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.

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"Wir fordern ein sofortiges Verbot des Ankaufs von Schrottpapieren durch die Europäische Zentralbank", ist in den AfD-Leitlinien nachzulesen. Das trifft den Nerv vieler Bundesbürger, die sich durch die Null-Zins-Politik von Präsident Mario Draghi enteignet fühlen und klagen, dass ihr Erspartes angeblich kaum noch Gewinn abwirft.

Dabei vergessen sie zwar, dass es andererseits keine Geldentwertung mehr gibt, weil die Inflation bei null liegt. Was in Summe dazu führt, dass das Ersparte den Wert behält - anders als in Jahren der Inflation, als es noch Zinsen gab, diese aber über Teuerungsrate und Kapitalertragssteuer wieder ausgeglichen wurden. An dieser Stelle aber stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung sich scheut zu erklären, wieso sie die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mitträgt - und auch Deutschland profitiert.

Die Zukunft der AfD wird weniger von der Flüchtlingskrise abhängen als davon, wie viel Raum ihr die etablierten Parteien anderswo überlassen, etwa in der Wirtschaftspolitik, bei der Gleichberechtigung der Geschlechter oder auf dem Weg in eine kohlenstoffarme Energieerzeugung.

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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