Nach den Landtagswahlen: CDU/CSU:Überrollt von der Panikwelle

Nach den Niederlagen der Union bei den Landtagswahlen fordern die Wirtschaftspolitiker der Partei Konsequenzen. Besonders harte Attacken gegen die Kanzlerin fährt der im Streit geschiedene Ex-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz.

Die Abwahl der Union in ihrem bisherigen Stammland Baden-Württemberg bedeutet nicht nur eine deutliche Verschiebung im politischen Machtgefüge Deutschlands - die Niederlage der CDU wird auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik beeinflussen.

Friedrich Merz tritt zur Bundestagswahl nicht mehr an

CDU-Finanzexperte Friedrich Merz: "Das bricht der CDU das Rückgrat."

(Foto: ddp)

Das gilt zunächst für die Energieversorgung - noch am Wahlabend bewerteten Grüne und SPD das Wahlergebnis als Plebiszit für den Ausstieg aus der Atomenergie. Die Wähler hätten ein "klares Signal" für den Ausstieg aus der Atomkraft gesetzt, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel im ARD-Morgenmagazin. Nun sei eine "gemeinsame Kraftanstrengung" nötig, um schnell aus der Atomenergie auszusteigen, aber auch, um Bedingungen für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung zu schaffen. "Wir können bis spätestens 2020 draußen sein aus der Atomenergie", sagte Gabriel.

Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Bürger hätten in der Atomfrage eine klare Meinung: "Sie wollen kein temporäres Aus und keine taktischen Winkelzüge, sondern dass die Atomenergie in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Heute abend wurde bei den Wahlen im Prinzip der Schalter umgelegt in Richtung Ausstieg aus der Atomenergie", sagte der Grünen-Chef in Stuttgart.

Für die Einschätzung Gabriels und Özdemirs sprach die Beurteilung der Wahlniederlage durch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Denn der CDU-Politiker bekräftigte das Festhalten seiner Partei an der Kurskorrektur in der Atompolitik.

Aus der Wahlniederlage in Baden-Württemberg müssten Konsequenzen gezogen werden, sagte Gröhe vor einer CDU-Präsidiumssitzung dem Sender n-tv. So gehe es darum, etwa in der Energiepolitik durch Überprüfen der Atomanlagen und durch die Bereitschaft zur Kurskorrektur Vertrauen zurückzugewinnen.

"Die Verunsicherung war mit Händen zu greifen"

Auf die Frage, ob er erwarte, dass die sieben im Zuge des Moratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke wieder in Betrieb genommen würden, sagte Gröhe: "Da bin ich sehr skeptisch. Ich halte es für die Mehrheit der Reaktoren für ganz unwahrscheinlich, dass sie wieder ans Netz gehen."

Am vernehmlichsten forderten in der Union die Wirtschaftspolitiker Konsequenzen aus der Wahlniederlage. So machte der CSU-Wirtschaftsflügel Bundeskanzlerin Angela Merkel direkt für das Wahldebakel verantwortlich. "Was aus Berlin in den vergangenen Monaten kam, hat erst zur Irritation der eigenen Leute geführt und dann die Wähler vergrault", sagte der Vorsitzende der Mittelstands-Union, Hans Michelbach, zu Handelsblatt Online.

Das gelte für die Steuer-, die Wirtschafts-, die Europa- und auch die Bündnispolitik. "Die Verunsicherung war im Wahlkampf in Baden-Württemberg mit Händen zu greifen", sagte Michelbach. An der Südwest-CDU habe das aber nicht gelegen.

Merz: "Das bricht der CDU das Rückgrat"

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sei das Wahlergebnis der Südwest-CDU ein Tiefschlag, sagte Michelbach. "Es droht eine schädliche Diskussion um die Zuverlässigkeit der Standortbedingungen in Deutschland." Die Union werde da nur wieder herauskommen, wenn sie eine "klare und verlässliche Linie" fahre. "Das wird ein schwieriger Weg, nicht nur wegen der Sitzverteilung im Bundesrat."

"Abrupte Wende in der Atompolitik nicht geglaubt"

Auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin ging auch der CDU-Finanzexperte und frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. "Das bricht der CDU das Rückgrat", sagte Merz zum Handelsblatt über das Wahldebakel seiner Partei. Die Wähler hätten Merkel ihre abrupte Wende in der Atompolitik nicht geglaubt, sagte der CDU-Politiker. "Wer sich auf eine Panikwelle setzt, darf sich nicht wundern, wenn er davon überrollt wird". Merz hatte sich im Herbst 2009 aus der Politik verabschiedet - auch, weil er mit Merkel, die ihn einst als Fraktionschef entmachtet hatte, nicht konnte.

Alarmiert über die Wahlniederlage der eigenen Partei zeigte sich auch Verkehrsminister Peter Ramsauer, der seinem Ministerium aus dem fernen Brasilien Anweisungen erteilte. Demnach sollen seine Beamten die Auswirkungen auf Verkehrsgroßprojekte in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz prüfen.

Freundliche Stimmung an der Börse

Ramsauer reagierte damit auf mögliche Kursänderungen der künftigen Landesregierungen in Stuttgart und Mainz bei Schienen-, Straßen-, Wasserwege- oder Luftverkehrsvorhaben. Möglicherweise stünden Umwidmungen von Bundesgeldern für Infrastrukturprojekte in "erheblichem Umfang" an, sagte Ramsauer am Rande seiner Brasilien-Reise in São Paulo. Die künftig an den Regierungen beteiligten Grünen stellen mehrere Projekte in den Bundesländern in Frage.

Im Gegensatz zu den CDU-Wirtschaftspolitikern ließen die Ergebnisse bei den Landtagswahlen die Anleger an der Börse relativ kalt. Der deutsche Leitindex Dax setzte mit leichten Verlusten von 0,3 Prozent bei 6928 Punkten in den Handel ein, drehte dann aber ins Plus und notierte am Vormittag bei 6973 Zählern (+0,4 Prozent).

Selbst die Aktien der AKW-Betreiber Eon und RWE legten leicht zu: Eon kamen auf ein Plus von 0,6 Prozent, während RWE um 1,0 Prozent fester notierten. Die Kurse der Unternehmen, die wie Solarworld (+9,4 Prozent) alternative erneuerbare Energie anbieten, stiegen allerdings noch deutlich stärker. Da viele dieser Aktien im TecDax gelistet sind, stieg der Index um 1,3 Prozent auf 918 Punkte. Auch der Ökodax, in dem die zehn größten deutschen Solar- und Windenergiewerte vertreten sind, legte deutlich zu - bis zum späten Vormittag stieg er um 6,9 Prozent auf 254 Punkte.

Außerhalb des Dax fielen die Aktien von Porsche um vier Prozent. Der Sportwagenhersteller will ab Mittwoch bis zu 131,25 Millionen neue Aktien platzieren. Eine Kapitalerhöhung drückte auch die im SDax gelisteten Alstria-Aktien um knapp fünf Prozent ins Minus.

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