Nach dem Transrapid-Aus:Rangelei im Zielkorridor

Nach dem Transrapid-Desaster ist in der Industrie Streit darüber entbrannt, wer schuld ist an der Kostenexplosion.

Thomas Fromm

Wie gut, dass es China gibt. In China gibt es nicht nur im Sommer Olympische Spiele und den ungebrochenen Glauben an die Moderne, es gibt auch eine Stadt namens Schanghai, die über eine real existierende Attraktion wie den Transrapid verfügt. Das ist vor allem schön für das Industriekonsortium, das den Transrapid baut. Und auch in Shanghai gebaut hat.

Nach dem Transrapid-Aus: Beerdigung in Berlin: Bayerns Ministerpräsident Beckstein, Siemens-Chef Löscher und Bundesverkehrsminister Tiefensee (von links) verkünden das Ende des Transrapid.

Beerdigung in Berlin: Bayerns Ministerpräsident Beckstein, Siemens-Chef Löscher und Bundesverkehrsminister Tiefensee (von links) verkünden das Ende des Transrapid.

(Foto: Foto: ddp)

Da liegt es nahe, dass die Hauptbeteiligten - und jetzt Hauptbetroffenen - Siemens und Thyssen-Krupp nach dem Kostendesaster von München ganz besonders intensiv ins ferne China schauen. Denn dort glimmt noch Hoffnung auf ein Geschäft, das ansonsten eher mau geworden ist: "Wir vertrauen weiter auf die Transrapid-Technologie und werden uns zunächst auf die Realisierung der Verlängerung der Schanghai-Strecke konzentrieren", sagte eine Sprecherin von Thyssen-Krupp Technologies.

Die Strecke in Schanghai, die den internationalen Flughafen der Stadt mit dem 30 Kilometer entfernten Geschäftsviertel Pudong verbindet, ist der bislang einzige kommerzielle Einsatz der Magnetschwebebahn.

Verweis auf Peking

Auch bei Siemens verweist man bei der Frage nach der Zukunft auf Peking - und auf die Internet-Seite des Transrapid-Gemeinschaftsunternehmens. Unter der Rubrik "Projekte" haben die Münchner gemeinsam mit Thyssen-Krupp mögliche Projekte für die Magnetschwebebahn aufgeführt. Neben China und Standorten in Großbritannien, der Golfregion, den Niederlanden und Nordamerika wird hier allerdings auch noch das München-Projekt beworben. Die Verbindung werde "ihren Betrieb 2010/2011 aufnehmen", heißt es hier noch.

Das kann man wohl vergessen. Dabei sah alles im September noch so hoffnungsvoll aus, auch und gerade auf Seiten der Industrie. Denn im September 2007 schien der Transrapid schon so gut wie gebaut zu sein.

Damals hieß es, der Freistaat Bayern, die Deutsche Bahn und die Industriezulieferer Thyssen-Krupp und Siemens seien sich über die Realisierung der gut 37 Kilometer langen Strecke einig. Doch nun, wo der Transrapid fast doppelt so viel kostet wie veranschlagt, ist alles anders.

Nicht nur in der Politik gibt es am Tag der Wahrheit Unverständnis über die plötzliche Kostenexplosion. "Das Projekt ist damit tot, da braucht man überhaupt nicht mehr herumzustreiten", heißt es in Industriekreisen. Und dennoch sieht alles nach einem handfesten Streit hinter den Kulissen aus. Längst ist die Frage, wer Schuld an dem Dilemma hat, zur Chefsache geworden: Siemens-Chef Peter Löscher machte indirekt bereits die Bauindustrie für den Preisanstieg verantwortlich.

Gedrückte Stimmung

Was im Umkehrschluss heißt: Siemens und Thyssen-Krupp hätten sich an die bisherigen Vereinbarungen gehalten. So sei bereits vor Jahren der Kostenanteil der beiden Transrapidbauer mit rund 900 Millionen Euro beziffert worden. Dieser läge heute bei knapp einer Milliarde Euro - und damit im prognostizierten Zielkorridor.

Auf seltsame Weise vermehrt habe sich dagegen der Kostenanteil der Bauunternehmen Hochtief, Bilfinger Berger und Max Bögl, die für Tunnel-, Beton- und Stahlarbeiten verantwortlich gewesen waren. Ihr geschätzter Anteil habe anfangs ebenfalls bei knapp einer Milliarde Euro gelegen und sich nun auf weit über zwei Milliarden Euro erhöht.

"Die Stimmung im Konsortium ist heute etwas gedrückt", formuliert es ein Mitarbeiter des Industriekonsortiums zurückhaltend. Es gebe aber "eine Menge Verwunderung" über die plötzliche Offenlegung der hohen Kosten.

Der federführende Baukonzern Hochtief behauptet dagegen, er sei an früheren Schätzungen überhaupt nicht beteiligt gewesen. "Wir haben die veranschlagten Baukosten in Höhe von 1,85 Milliarden Euro damals zur Kenntnis genommen, aber sie basierten nicht auf unseren Schätzungen", sagt ein Hochtief-Sprecher. Erst jetzt habe man eine "belastbare Zahl" für das Projekt bekommen und auch vorgelegt. Grund für die höheren Kosten seien unter anderem längere Tunnel und verstärkter Lärmschutz. "Die Kosten dafür haben ja nicht die Systemlieferanten zu tragen, sondern die Bauindustrie", so Hochtief.

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