Nach dem Terror:Frankreich lebt in Furcht

Die Attentate zeigen erste Auswirkungen bei Unternehmen.

Gerhard Bläske

(SZ vom 14.9.2001) Der Schock über die Attentate in den USA hat Frankreich tief getroffen. Fernseh- und Radiosender berichten rund um die Uhr von den Ereignissen, Zeitungen drucken Sonderausgaben. Allmählich rückt dabei auch die Frage der Auswirkungen auf das eigene Land in den Blickpunkt.

Nachdem die Regierung noch am Dienstag das Terroristenbekämpfungs-Programm (plan vigipirate) wieder aufleben lassen hatte, wurden die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen, Bahnhöfen und in Metro sowie Vorortbahnen deutlich verschärft.

Eine gewisse Beklemmung war insbesondere im Wolkenkratzerviertel La Défense spürbar, der mit 150.000 Beschäftigten größten Bürostadt Europas, die westlich vom Pariser Stadtzentrum liegt.

Schärfere Kontrollmaßnahmen

Der in dem modernen Triumphbogen Grande Arche residierende US-Pharmakonzern Bristol Myers Squibb hatte am Dienstagnachmittag sein Personal aus Solidarität evakuiert.

Der zuständige Präfekt der Region berief eine Sicherheitssitzung ein. Doch schon am nächsten Tag war die Situation, bis auf ein größeres Sicherheitsaufgebot, fast normal. Vor allem amerikanische Unternehmen (IBM hat in La Défense die Europazentrale) verschärften die Kontrollmaßnahmen.

Von der Katastrophe direkt betroffen sind nur wenige der 276 in New York präsenten französischen Unternehmen. Im World Trade Center selbst waren vor allem der Rückversicherer Scor mit 120 Beschäftigten und Carr Futures, eine Tochter der Bank Crédit Agricole, vertreten.

Bei dem genossenschaftlichen Institut fürchtet man das Schlimmste für die Betroffenen, die in der 92. Etage des Nordturmes arbeiteten. 86 der Mitarbeiter haben sich noch immer nicht gemeldet. Die anderen Beschäftigten französischer Unternehmen konnten sich anscheinend überwiegend in Sicherheit bringen.

Gewinnprognose nach unten korrigiert

Zunehmend kristallisieren sich negative Auswirkungen der Krise auf französische Unternehmen heraus. Die mögliche Verschiebung der Notierung des Versorgungskonzerns Suez an der New York Stock Exchange, die eigentlich am Dienstag stattfinden sollte, ist da nur eine Bagatelle.

An der Börse sind es vor allem Hotelkonzerne wie Accor, der Reiseveranstalter Club Med, Versicherungen wie Axa, der Rückversicherer Scor oder die Luxusgüterbranche, die sich auf Talfahrt befinden. Mit LVMH (Louis Vuitton/Moet/Hennessy) hat erstmals ein Unternehmen seine Gewinnprognose wegen der tragischen Ereignisse nach unten korrigiert. Konkurrent Hermès, der hervorragende Halbjahresergebnisse präsentierte, ist in der Gunst der Anleger auch gesunken.

Die für Frankreichs Exportbilanz so wichtige Luxusgüterbranche könnte in mehrfacher Hinsicht unter den Attentaten leiden. Ein sinkender Konsum der verunsicherten amerikanischen Verbraucher würde die stark vom US-Geschäft abhängige Branche empfindlich treffen.

Ein steigender Euro würde die Erträge der Unternehmen, die, wie LVMH, 30 Prozent des Umsatzes in den USA erzielen, schmälern und auch der zu befürchtende Rückgang des Tourismus hätte erhebliche Auswirkungen.

Eine Abnahme des Reiseverkehrs, vor allem bei japanischen Touristen, die ihren Urlaub gern zum Kauf von Luxusgütern nutzen, träfe die Unternehmen hart. Darunter würde auch die Tourismusbranche Frankreichs erheblich leiden. Der Rückversicherer Scor beziffert den ihm entstandenen Schaden auf möglicherweise 150 bis 200 Millionen Dollar. Denis Kessler, Präsident des Versicherungsverbandes, der gerade seine Jahrestagung in Monaco abhält, brachte eine Beteiligung auch der amerikanischen Öffentlichen Hand und der betroffenen Unternehmen an der Regelung der Schäden ins Gespräch.

Obwohl im Lichte der jüngsten Ereignisse zahlreiche Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognosen auf um die zwei Prozent nach unten korrigieren, sieht Wirtschaftsminister Laurent Fabius vorerst keinen Grund, dies auch zu tun.

Am Stabilitätskurs festhalten

Er prognostiziert nach wie vor einen Zuwachs um 2,3 Prozent in diesem und um die 2,5 Prozent im kommenden Jahr. Ein großer Teil der Linken innerhalb der Regierung fordert höhere Ausgaben. Andere, wie der Wirtschaftsforscher Jean-Paul Fitoussi, plädieren für ein Vorziehen der nächsten Stufen der Steuerreform. Fabius, der in der kommenden Woche den Haushalt für 2002 präsentiert, verweist jedoch darauf, dass Frankreich im internationalen Vergleich besser als die meisten Partner da steht und die Steuerreform, die im kommenden Jahr Entlastungen von etwa sieben Milliarden Euro bringt, genug Impulse gibt.

Trotz der Häufung von Sozialplänen und ersten Schwächetendenzen in der bislang robusten Binnennachfrage Frankreichs will Fabius deshalb an seinem Stabilitätskurs festhalten. Ob seine bisher gehegte Hoffnung auf eine von den USA ausgehende Trendwende zum Jahresende noch realistisch ist, erscheint vielen Konjunkturforschern jedoch mehr als fraglich. Korrekturen am Budget könnten dann wegen sinkender Steuereinnahmen unumgänglich werden.

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