Nach dem Microsoft-Urteil:Schnittstellen für mehr Wettbewerb

Das EU-Gerichtsurteil im Fall Microsoft hilft den Rivalen - und macht neue Geschäfte möglich.

Thorsten Riedl

Heute schon Musik gehört am Computer? Dann hat wahrscheinlich die Multimedia-Software Media Player die Töne wiedergegeben. Mit diesem Programm führt Microsoft im Markt für Musikabspielsoftware - nicht weil das Produkt das beste seiner Art wäre.

Der Media Player ist schon auf jedem Windows-Rechner von Werk aus vorhanden, und mit dem Betriebssystem Windows hat der weltweit größte Softwarehersteller bei einem Anteil von 95 Prozent ein Quasi-Monopol. Die Europäische Kommission hat das Geschäftsgebaren von Microsoft schon länger im Visier. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Vorgehen am Montag bestärkt. Das Urteil hat bei Microsoft-Rivalen Jubel ausgelöst.

Windows war lange der Brückenkopf, mit dem Microsoft mit anderen Produkten bei den Verbrauchern landete. Als exemplarisch gilt das Internetnavigationsprogramm Netscape. Bis Mitte der neunziger Jahre war diese Software die meistverbreitete zum Surfen im Netz.

Dann packte Microsoft zu der Windows-Software gratis ein Programm namens Internet Explorer. Innerhalb kürzester Zeit wurde Netscape bedeutungslos. Heute liegt der Marktanteil bei zehn Prozent.

Weiter offen für den Wettbewerb

Der Musiksoftware von Realnetworks drohte ein ähnliches Schicksal, seitdem Microsoft den Media Player zu Windows packt. Die europäischen Wettbewerbsbehörden verdonnerten den US-Konzern daher, für Europa auch eine Version des Betriebssystems ohne die Musiksoftware zu bieten. Zu Recht, urteilten die Richter am EU-Gericht erster Instanz.

Die Schlacht zwischen Microsoft und der Europäischen Kommission ist zwar eine, die um Vergangenes geschlagen wird. Doch Microsoft versucht weiter über Software, die Windows beiliegt, neue Märkte zu erobern.

So will der Konzern mit Dokumentenformaten Fuß fassen, die denen ähneln, mit dem das Softwarehaus Adobe Systems sein Geld verdient. Der Suchmaschinenbetreiber Google beschwerte sich, dass bei Microsoft-Produkten stets die konzerneigene Suchmaschine eingestellt ist. In Kürze ändert Microsoft das.

Auch bei Programmen gegen Computerviren will der Konzern eigene Programme etablieren. John Thompson, Chef des größten Sicherheitsanbieters Symantec, bewertete daher das Urteil positiv: "Es deutet klar darauf hin, dass die Industrie weiter offen sein wird für den Wettbewerb. Und das ist alles, was wir wollen", sagte er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Richtlinien für Programme

Auch im zweiten strittigen Punkt gab das Gericht den Forderungen der Wettbewerbsbehörden aus Brüssel recht: Microsoft muss die Programmier-Schnittstellen zu der Firmenversion seines Betriebssystems Windows offenlegen und ihre Funktionsweise dokumentieren.

Für die Wettbewerber wird es so in Zukunft leichter möglich sein, eigene Software zu erstellen, die reibungslos mit Windows zusammenarbeitet. "Das Gericht hat bestätigt, dass das Wettbewerbsrecht einen Monopolisten daran hindert, seine Marktkontrolle einfach zu nutzen, um Kunden zu knebeln und neue Wettbewerber zu unterdrücken", sagte Matthew Szulik, Chef von Red Hat, einem der führenden Unternehmen für freie, sogenannte Opensource-Software.

Bei Microsoft betont man die Vorkehrungen im eigenen Haus: "Die Welt hat sich verändert, die Industrie hat sich verändert - und unser Unternehmen auch", sagte Chefanwalt Brad Smith.

So habe das Softwarehaus vor mehr als einem Jahr schon Prinzipien für die Programmierung von Windows aufgestellt. Diese sollen sicherstellen, dass künftige Versionen des Betriebssystems den Gesetzen in Europa und in den USA entsprechen.

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