Nach dem Eurostar-Chaos:Jede Menge Frostbeulen

Der Eurostar fährt wieder - wenn auch nur im Notbetrieb. Doch nach dem Winterchaos ist die Stimmung zwischen der Bahngesellschaft und der Politik eisig. Und dann streitet sich Eurostar auch noch mit der Konkurrenz.

Die gute Nachricht ist: Sie fahren wieder. Gegen acht Uhr verließ der erste Eurostar den Pariser Gare du Nord, fast zeitgleich startete einer der gelb-weißen Hochgeschwindigkeitszüge aus dem Londoner Bahnhof St Pancras International. Nach mehr als drei Tagen hat die Eurostar-Gesellschaft die Zugverbindung zwischen Frankreich, der belgischen Hauptstadt Brüssel und der britischen Hauptstadt wieder aufgenommen - wenn auch nur auf Sparflamme.

Eurostar, Foto: AFP

Nach Tagen des Stillstands kommen am Dienstag die ersten Eurostar-Fahrgäste in London an. Doch das Chaos wird Folgen haben.

(Foto: Foto: AFP)

Bis 18 Uhr fährt der wintergeplagte Eurostar den Konzernangaben zufolge, insgesamt werden zwei Drittel der Züge unterwegs sein. Damit können 26.000 Menschen befördert werden - allerdings sind die Plätze begehrt. Mitfahren dürfen nur jene, die eigentlich ein Ticket für Samstag oder Sonntag gebucht hatten, schreibt Eurostar auf seiner Internetseite. Bis der Betrieb wieder normal läuft, werden noch einige Tage vergehen. Ein Eurostar-Sprecher sagte dem britischen Guardian zwar, man hoffe, dass die Züge bis Heiligabend wieder normal fahren. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass es erst nach Weihnachten soweit sein wird. Derzeit warten dem Guardian-Bericht zufolge etwa 125.000 Menschen darauf, mit dem Eurostar zu reisen.

Zum Rapport in den Élysée-Palast

Das Winterchaos hatte in der Nacht zum Samstag begonnen. Fünf Züge mit 2000 Passagieren waren im Eurotunnel unter dem Ärmelkanal steckengeblieben. Grund für das Desaster war offenbar Schnee, der in die Lüftungsanlagen der Loks eingedrungen war. Dieser war im warmen Tunnel geschmolzen und hatte Kurzschlüsse verursacht.

Seitdem brandet eine Woge der Entrüstung über die Eurostar-Gesellschaft, an der die französische Staatsbahn SNCF, die belgische Bahn sowie die britische Gesellschaft EUKL beteiligt sind. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat am Montag den SNCF-Chef Guillaume Pepy, der zugleich auch Präsident von Eurostar ist, zum Rapport in den Élysée-Palast bestellt und ordnete dabei offenbar auch die Wiederaufnahme des Betriebs von Eurostar an.

Der französische Verkehrsminister Dominique Bussereau bezeichnete die Situation als "inakzeptabel" und auch der britische Verkehrsstaatsminister Sadiq Khan sagte, er sei "verärgert", dass die Passagiere von der Betreibergesellschaft nicht richtig informiert worden seien. Gegen Eurostar-Chef Richard Brown wurden bereits erste Rücktrittsforderungen laut.

Außerdem soll es eine unabhängige Untersuchungskommission geben, die den Fall noch einmal aufarbeitet. Den Vorsitz sollen der ehemalige kaufmännische Leiter des Eurotunnels, Christopher Garnett, sowie Claude Gressier, ein französischer Transport-Inspektor, übernehmen.

Streit mit Eurotunnel

Vor allem das Krisenmanagement von Eurostar sorgt für Unbehagen. Tausende Passagiere mussten stundenlang in den Zügen unter dem Ärmelkanal aushalten. Etliche Fahrgäste berichteten von ausgefallenen Klimaanlagen und von Kindern, die acht Stunden ohne Wasser auskommen mussten. Zahlreiche Eurostar-Kunden beschwerten sich über unfreundliches Personal und eine miserable Informationspolitik. "Eurostar denkt nicht an die Fahrgäste, sondern nur daran, wie man schlechte Presse verhindern und so wenig wie möglich zahlen muss", sagte eine Kundin dem Guardian.

Teuer werden die Folgen auf jeden Fall für die Eurostar-Gesellschaft. "Diese Störung wird uns viel Geld kosten, aber das ist heute nicht unsere größte Sorge", sagte Betriebsleiter Nicolas Petrovic dem französischen Express.

Eine große Sorge von Eurostar dürfte auch der Streit mit der Eurotunnel-Gesellschaft sein, der sich an dem Wetterchaos entzündet. Eurotunnel, der Betreiber des Kanaltunnels, stellt - ebenso wie Eurostar - Züge zur Verfügung. Damit werden die Lastwagen, Busse und Autos samt ihren Passagieren durch den Tunnel befördert. Diese Züge fahren, im Gegensatz zu denen von Eurostar, problemlos - ein Fakt, den die Gesellschaft in den vergangenen Tagen nicht müde wird zu betonen. Und die SNCF ist aufgebracht, dass ihr der Konkurrent auf der Strecke in den Rücken fällt. Sie verweist darauf, dass die Eurotunnel-Züge praktisch nur im Inneren des Tunnels verkehrten und nicht wie die Eurostars bei jedem Wetter erst durch Nordfrankreich rasen müssten. Vom Wetter hängt für Eurostar jetzt sehr viel ab. Zumindest der Wetterdienst meldet am Dienstagmittag für Nordfrankreich keinen weiteren Schnee mehr.

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