Benzin-Gipfel: Reaktionen:"Peinlicher Gipfel mit Schmalspur-Ergebnis"

Harsche Kritik an den Ergebnissen des Benzin-Gipfels: Der oberste Verbraucherschützer Gerd Billen bezeichnet die Entscheidung der Regierung, am umstrittenen Biosprit E10 festzuhalten, als "Missachtung der Verbraucher". Noch deutlicher wird der Grünen-Verkehrsexperte Hermann.

Die Regierung hält an der Einführung von E10 fest. Und die Gegner des Biospirits bekräftigen ihrer Kritik an dem umstrittenen Kraftstoff: In der Bild-Zeitung bezeichnete der Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Gerd Billen, die Ergebnisse des Treffens als "enttäuschend". In den Dortmunder Ruhr Nachrichten sprach Billen von einer "Missachtung der Verbraucher" durch die Entscheidung des Gremiums. Auf dem Gipfel habe es vor allem "gegenseitige Schuldzuweisungen" gegeben.

Wir haben darauf gedrängt, dass es eine schriftlich erweiterte Garantie der Hersteller gegenüber ihren Kunden gibt", betonte Billen. Dies sei aber daran gescheitert, dass die versammelten Industrievertreter keine Zusage über die Übernahme der Kosten gemacht hätten.

Kritiker befürchten weiterhin Schäden durch E10

Der Chef des Bundesverbands der freien Kfz-Händler (BVfK), Ansgar Klein, bemängelte fehlende Haftungszusagen bei Schäden. "Wir befürchten weiterhin Schäden durch E10, die erst mit erheblicher Verzögerung auftreten - und an Autofahrern und Gebrauchtwagenhändlern hängen bleiben", sagte Klein der Bild-Zeitung. Das könne für die Branche zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen führen.

Der Grünen-Verkehrsexperte und Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann sprach von einem "peinlichen Gipfel". Es wäre besser gewesen, die Halter von Fahrzeugen direkt anzuschreiben und zu informieren, ob ihr Wagen E10-tauglich sei. Hermann kritisierte zudem, dass der Regierung ein "schlüssiges Gesamtkonzept" fehle.

Der neue Biosprit E10 bringt aus Sicht von Grünen-Chef Cem Özdemir kaum etwas für den Umwelt- und Klimaschutz. "E10 löst unsere Probleme nicht", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Sinnvoller seien sparsamere Motoren und eine Tempolimit auf Autobahnen. An den Tankstellen werde mit den Kunden "experimentiert", aber eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die kaum etwas koste, wolle die Regierung keinem zumuten. "Das ist doch lächerlich", sagte er.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn bezeichnete den Ausgang des Gipfels als "Schmalspur-Ergebnis": "Für das Schmalspur-Ergebnis hätte man kein inszeniertes Gipfeltreffen gebraucht." Sie hätte sich ein starkes Zeichen für weniger Spritverbrauch bei Autos erhofft. Biokraftstoff könne nur ein ergänzender Weg sein, "und wenn dann in Reinform zum freiwilligen Tanken", sagte Höhn der Saarbrücker Zeitung.

Nach Informationen der Bild-Zeitung gibt es selbst in den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP Unmut über den Verlauf des Benzingipfels.

Bundesregierung und Wirtschaft hatten am Dienstag beschlossen, trotz der Verunsicherung der Autofahrer an der Einführung des Biokraftstoffs festzuhalten. Knapp zehn Prozent der Autos vertragen den neuen Sprit nicht. An Tankstellen und Werkstätten sollen nun aber Listen ausgelegt werden, aus denen hervorgeht, für welche Fahrzeuge E10 geeignet ist. Die Tankstellen haben derzeit massive Absatzprobleme bei E10: Die Autofahrer tanken stattdessen teureres Super Plus.

Aigner hält an Sanktionen gegen Benzinhersteller fest

Der Automobil-Club ADAC forderte vor diesem Hintergrund deutliche Preissenkungen für herkömmliches Super E5. ADAC-Sprecher Maximilian Maurer sagte dem Blatt: "Wir fordern ein flächendeckendes Angebot von Super E5 mit 95 Oktan zu fairen Preisen für diejenigen Autofahrer, die E10 nicht tanken dürfen." Acht Cent Preisunterschied pro Liter seien unannehmbar.

Die Mineralölwirtschaft ist verpflichtet, in diesem Jahr 6,25 Prozent an Biosprit mit dem herkömmlichen Treibstoff zu verkaufen. Trotz der Verzögerungen bei der Einführung von E10 will Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) an Sanktionen gegen die Benzinhersteller festhalten, wenn die Biokraftstoffquote nicht eingehalten wird. "Wir dürfen den Druck nicht aus dem Markt nehmen", sagte Aigner der Passauer Neuen Presse. Gleichzeitig warnte sie die Mineralölfirmen davor, eventuelle Strafzahlungen den Autofahrern aufzubürden. "Es kann nicht sein, dass die Verbraucher am Ende die Zeche zahlen."

Aigner begrüßte die Entscheidung des Berliner Gipfels, an E10 festzuhalten. Jetzt komme es darauf an, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. "Die Industrie hat beim Gipfel noch einmal klar und deutlich zugesichert, dass sich die Verbraucher auf die Angaben zur E10-Verträglichkeit verlassen können. Dieses Wort gilt", sagte die CSU-Politikerin dem Blatt.

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