Nach dem AfD-Erfolg:Das denkt die Wirtschaft über den AfD-Erfolg

AUT 2015 12 15 FEATURE GRENZKONTROLLE DER BAYERISCHEN POLIZEI UND DER DEUTSCHEN BUNDESPOLIZEI FLUE

Kontrollen an der österreichisch-deutschen Grenze.

(Foto: Roland Mühlanger/imago)
  • Nach den Wahlerfolgen der rechtspopulistischen Partei AfD in drei Bundesländern gibt es auch aus der Wirtschaft warnenende Stimmen. Von einem "Trend gegen Europa" ist die Rede.
  • Einige Ökonomen und Banken empfehlen dagegen Gelassenheit. Sie gehen nicht davon aus, dass ausländische Investoren durch das Ergebnis verschreckt werden.

Von Karl-Heinz Büschemann

Am Tag danach ist die Stimmung bestens, von Kater keine Spur. Die rechtspopulistische AfD hatte am Vorabend in drei Bundesländern beachtliche Wahlergebnisse erzielt, und sofort ging die Furcht um, das Parteiengefüge des Landes könnte Schaden nehmen. Investoren könnten angesichts des nationalistischen Wahlerfolges abgeschreckt werden. Ein Indikator spricht klar dagegen: Die Börse legte am Montag nach den Landtagswahlen um stolze anderthalb Prozent zu. Erstmals seit Januar stand der Dax zeitweilig wieder bei mehr als 10 000 Punkten. Ernüchterung sieht anders aus. Die Börse hat den AfD-Erfolg einfach abgeschüttelt.

Nach den Wahlen von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gibt es aber warnende Stimmen: "Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass der teilweise hohe Zuspruch für rückwärtsgewandte Parteien wie AfD oder Linke Investoren abschreckt", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. "Da muss man sich in Sachsen-Anhalt schon Sorgen machen." Dort ist die AfD aus dem Stand heraus zur zweitstärksten Partei hinter der CDU aufgestiegen. Auch Anton Börner, der Präsident des Außen und Großhandelsverbandes BGA äußerte sich besorgt: "Der Trend gegen Europa, gegen den Euro, ist nun auch in Deutschland angekommen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Die Politiker der etablierten Parteien müssten sich nun zusammensetzen und den Bürgern die Vorteile eines gemeinsamen Europas vermitteln. "Gelingt das nicht, dann sehe ich schwarz", mahnte Börner.

"Kulturschock", "erschreckend", "hochproblematisch"

Gelassener reagierte Mario Ohoven, der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). Er sieht in den AfD-Erfolgen "vor allem einen Weckruf für die Bundesregierung". Halte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an ihrer Flüchtlingspolitik fest, blieben die Rechtspopulisten im Aufwind. "Negative Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland erwarte ich vom Wahlausgang nicht", stellte er aber klar.

Der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Thorsten Dirks, warnte mit Blick auf die AfD vor Fremdenfeindlichkeit. "Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien und der Zuspruch für nationalistische Positionen könnten der deutschen Wirtschaft massive Schäden zufügen", erklärte er. Der Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer", Lutz Goebel, warf der Flüchtlingspolitik der Regierung vor, einen "Kulturschock" ausgelöst zu haben. Hubertus Porschen, der Bundesvorsitzende des Verbandes "Die jungen Unternehmer", nannte die AfD-Ergebnisse "erschreckend".

Die baden-württembergischen Arbeitnehmer und der Landesverband der baden-württembergischen Industrie halten "viele programmatische Elemente der AfD und Aussagen von Repräsentanten dieser Partei für hochproblematisch." Diese Partei schüre Vorurteile und Ressentiments, "bietet aber keine praktikablen Lösungen für die großen Herausforderungen".

Bei Bosch ist man beunruhigt

Ökonomen äußerten sich allerdings weniger aufgeregt. "Im Vergleich zählt Deutschland immer noch zu den politisch stabilsten und berechenbarsten Ländern in Europa", sagte der Europa-Chefvolkswirt der Nordea Bank, Holger Sandte. "Daher glaube ich nicht, dass das Vordringen der AfD ausländische Investoren abschreckt." Lars Edler, der die Investmentstrategie bei Sal. Oppenheim leitet, sieht das ähnlich. "Die Unternehmen brauchen ein stabiles regulatorisches Umfeld", sagte Edler. Seinen Worten zufolge wählen Investoren ihre Standorte nicht aus dem Bauch heraus. "Das sind langfristige Entscheidungen, teils über Jahre oder Jahrzehnte" sagte der Fondsmanager. "Ich glaube nicht, dass ein Wahlerfolg der AfD ein Entscheidungsparamater ist."

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagt voraus, die traditionellen Parteien in Deutschland dürften nun zusammenrücken, um stabile Regierungen im Bund und in den Ländern zu bilden. Die politische Stabilität in Deutschland sähen ausländische Investoren daher nicht gefährdet. "Allerdings fragen sie sich, wie die notwendige Weiterentwicklung der Währungsunion vorangetrieben werden kann, wenn in vielen Ländern anti-europäische Protestparteien auf dem Vormarsch sind", sagte Krämer. "Risiken sehen sie also vor allem für die weitere europäische Integration."

"Wir empfehlen Gelassenheit"

Der Technologiekonzern Bosch gehört zu den wenigen Unternehmen, die offene Beunruhigung über die Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen zeigen. "Als internationales und global agierendes Unternehmen setzen wir uns dafür ein, dass Baden-Württemberg ein weltoffenes Land bleibt", sagte ein Sprecher nach der Wahl. "Deswegen sehen wir das Ergebnis der AfD, auch über Baden-Württemberg hinaus, mit großer Sorge."

Der Bayer-Konzern teilt mit, man werde die AfD im Auge behalten: "Wir verurteilen jede Form von Fremdenfeindlichkeit." Bei BASF heißt es: "Als global tätiges Unternehmen setzen wir uns für ein weltoffenes Deutschland ein". Das sei die Basis für die Stärke des Wirtschaftsstandorts und des Exportlandes Deutschland.

Ein Vertreter von Siemens sagt, es sei wichtig, sich mit der Frage zu befassen, wie die Flüchtlinge integriert werden können. Welches Kapital einzelne Parteien kurzfristig aus dem Migrantenzufluss schlagen, sei nicht bedeutend. Ein BMW-Vertreter hat am Tag nach den Landtagswahl die einfachste Formel für den Umgang mit der AfD: "Wir empfehlen Gelassenheit."

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