Nach Abgas-Skandal:Warum VW seine Hauptversammlung verschiebt

Volkswagen

Die Aktionäre von VW werden sich weiter gedulden müssen.

(Foto: dpa)
  • Volkswagen verschiebt seine Hauptversammlung und seine Jahrespressekonferenz um vier bis sechs Wochen.
  • Als Grund gibt das Unternehmen "offene Fragestellungen im Zusammenhang mit den Folgen der Abgasthematik und den daraus resultierenden Bewertungsfragen" an.

Von Thomas Fromm

Hauptversammlungen und Jahrespressekonferenzen sind in der Regel feste Termine, auf die sich Konzerne monatelang vorbereiten, manche Manager freuen sich darauf, andere sind genervt von den Pflichtveranstaltungen. Dass diese Daten verschoben werden, geschieht äußerst selten - und braucht schon gute Gründe. Vor einem Jahr etwa, da verschob die Deutsche Bank ihre Jahrespressekonferenz ins nächste Quartal, man wollte sich noch Zeit nehmen, um eine neue Strategie zu verkünden.

Am Freitag gab Volkswagen bekannt, dass man wegen der Abgasaffäre die Vorlage der Jahresbilanz für das Jahr 2015 wie auch die Hauptversammlung verschieben werde. Eigentlich sollte der Jahresabschluss auf der Bilanzpressekonferenz am 10. März präsentiert werden; das jährliche Treffen der Aktionäre war für den 21. April angesetzt. Nun, so heißt es aus Wolfsburg, sollen sich beide Termine um "vier bis sechs Wochen" verschieben.

In den Jahresabschluss soll so viel wie möglich reingepackt werden

Grund, so VW, seien "offene Fragestellungen im Zusammenhang mit den Folgen der Abgasthematik und den daraus resultierenden Bewertungsfragen". Worum es genau bei diesen offenen Fragen geht, darüber informierte der Konzern allerdings nicht. Dort hieß es lediglich, der Jahresabschluss brauche "mehr Zeit". VW muss elf Millionen Dieselautos zurückrufen und hatte bereits Mitte September zugegeben, bei Stickoxid-Abgasmessungen mit Hilfe einer Software manipuliert zu haben. Der Konzern sieht sich daher Klagen und Schadenersatzforderungen in Europa und den USA ausgesetzt; vor allem in den USA, wo der Betrug aufflog, drohen hohe Strafen von Seiten der Behörden, aber auch von Kunden.

Schon vor Monaten hatte VW 6,7 Milliarden Euro für Rückrufe zur Seite gelegt und deshalb einen milliardenschweren Quartalsverlust verbucht. Wie hoch der Schaden am Ende aber tatsächlich sein wird, kann zurzeit niemand sagen. Klar ist wohl nur: Die 6,7 Milliarden Euro vom vergangenen Herbst dürften auch nicht annähernd ausreichen, um die durch die Affäre entstandenen Schäden zu finanzieren.

Aus Konzernkreisen hieß es nun, wegen etlicher laufender Gespräche in den USA sei es notwendig geworden, noch "weitere Informationen" zu sammeln. Insider berichten, dass man bemüht sei, möglichst viele notwendige Rückstellungen noch im Jahresabschluss 2015 zu verbuchen - vor allem, um im laufenden Jahr "besser aufgestellt" zu sein. Das Thema soll auch bei einer Sitzung des VW-Aufsichtsratspräsidiums an diesem Mittwoch diskutiert worden sein: Wie viel Geld muss der Konzern in seiner Bilanz zurückstellen, um für alle möglichen Forderungen gewappnet zu sein? Die Debatte, berichten Konzernkreise, sei noch nicht zu Ende und müsse in den nächsten Wochen weiter vertieft werden.

Ein Punkt, der für die Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Jahr nicht ganz unerheblich ist, denn davon könnte am Ende abhängen, ob VW wegen der Affäre in den roten Zahlen landet. VW teilte dazu lediglich mit, dass man für 2015 einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) "auf dem Niveau des Vorjahres" erwarte. Sonderbelastungen wie Milliarden-Rückstellungen für die Abgas-Affäre sind wohl noch nicht eingerechnet. Ein weiteres Thema bei der Sitzung der Aufsichtsratsspitze vom Mittwoch soll die Frage gewesen sein, ob Vorstände auf ihre millionenschweren Boni für 2015 verzichten müssen. Auch diese Diskussion sei noch in Gang, heißt es.

Im April will VW auch die Ergebnisse der internen Ermittlungen bekannt geben

Neben den finanziellen Folgen der Affäre steckt der Autobauer gerade mitten in der Aufarbeitung der Ereignisse. So sollte auch der aktuelle Stand der internen Ermittlungen Thema beim Treffen der Aktionäre im April sein. Daran hält VW fest und will in der zweiten Aprilhälfte einen Zwischenstand der Ermittlungen bekannt geben. Im Zentrum steht die Frage, wer von den Manipulationen gewusst hat.

Neben der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigen den Konzern derzeit auch ganz tagesaktuelle Probleme. So zeigten sich die Zulieferer des Wolfsburger Konzerns am Freitag alarmiert. Die VW-Krise ist inzwischen auch bei ihnen angekommen. "Das Ordervolumen geht zurück, teilweise über alle Baugruppen hinweg", sagte der Chef des Metallarbeitgeberverbandes in Niedersachsen, Volker Schmidt. Sein Verband vertritt die VW-Lieferanten in Niedersachsen. Hintergrund war eine Umfrage unter mehr als 100 VW-Zuliefer-Betrieben vom Januar. Dort sei eine "Trennlinie" spürbar, die klar zwischen den Komponentenlieferungen für Diesel und für Benziner verlaufe. Zudem beklagten sich die Betriebe über fehlende Informationen vom Konzern. "Die Zulieferer leiden unter der Lage, dass sie keine Informationen, keine Erklärungen erhalten. Aus dieser Unkenntnis erwächst große Unsicherheit", so Schmidt.

VW hatte die Folgen der Dieselaffäre im Januar zu spüren bekommen. Die Kernmarke VW verkaufte in Deutschland nur noch 47 150 Autos, das waren fast neun Prozent weniger als im Monat davor. Experten gehen davon aus, dass es die Marke auch in den kommenden Monaten schwer haben werde - mitten in einer Zeit, in der Millionen von Autos zurückgerufen werden.

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