Musiktauschbörsen:Die Download-Attacke

Schluss mit lauschig, das hätte sie gerne, die US-Musikindustrie. Doch auch der Großangriff, mit dem sie seit Donnerstag gegen Anbieter von Musikstücken vorgeht, wird die hartgesottenen Tauscher kaum beeindrucken. Denn die haben vorgesorgt.

Der Angriff kam mit einer Vorwarnzeit von wenigen Stunden. Seit Donnerstag geht die Musikindustrie der USA massiv gegen Computer-Besitzer vor, die über Online-Börsen weltweit ihre Musiksammlungen austauschen.

Nach dem Modell "Big Brother is Watching You" spionieren Scanner-Programme all jenen hinterher, die vom Heim-PC aus über Tauschplattformen wie Kaaza, Morpheus oder Grokster Songs und ganze CDs zum kostenlosen Download für andere freigegeben haben.

Beim Nachspüren bleibt es nicht. Innerhalb weniger Wochen sollen möglichst viele Download-Partner mit Namen und Adresse identifiziert und dann nach US-Medienberichten auf bis zu 150.000 Dollar pro frei gegebenem Song verklagt werden.

Die am Mittwoch von der Recording Industry Association of America (RIAA) verkündete Attacke gegen Teilnehmer an so genannten Peer-To-Peer- Programmen ist der bislang geschickteste Versuch, das Musikpiratentum im World Wide Web auszumerzen.

"Diese Sache wird vielen ganz erhebliche Angst einjagen", sagt Mike Goldwin von der US-Verbraucherorganisation Public Knowledge. Der international organisierten Musikindustrie soll die Aktion vor allem den Verlust weiterer Millionen Dollar an Einnahmen ersparen, die der kostenlose Austausch von CDs im Internet mit sich bringt.

"Diebstahl, falsch und illegal" sei das Hin- und Herschieben von Musikdateien über Online-Plattformen, schimpfte RIAA-Präsident Cary Sherman.

Erfolg versprechend wurde der technisch schon lange machbare Schnüffelangriff auf PC-Besitzer mit Internet-Anschluss durch die Entscheidung eines US-Berufungsgerichtes.

Danach müssen Anbieter von Internetzugängen wie AOL oder Microsoft personenbezogene Daten ihrer Kunden herausgeben, wenn ein Verdacht auf Copyright-Verletzungen begründet werden kann.

Die Big-Brother-Technologie, so hofft die Musikindustrie, braucht nur noch die Tauschbörsen zu scannen und die individuellen IP-Adressen der privaten Musikanbieter herauszufinden. Den Rest sollen die Anwälte erledigen.

Die RIAA, der auch der deutsche Weltkonzern Bertelsmann, die Sony-Gruppe und AOL Time Warner angehören, waren zuvor gegen Betreiber reiner Tauschbörsen vergeblich vor den Kadi gezogen.

Ein US-Bundesgericht hatte im vergangenen Monat die Schließung von Grokster und Morpheus abgelehnt. Sie würden eine Plattform zur Verfügung stellen, hätten aber - im Gegensatz zu dem juristisch in die Knie gezwungenen Download-Service Napster - keine Kontrolle über den Inhalt, hieß es zur Begründung.

Die RIAA verband die Ankündigung ihres Angriffs mit einem moralischen Appell zahlreicher amerikanischer Stars. "Das illegale Downloaden von Musik bedeutet, von Künstlern zu verlangen, dass sie vollkommen ohne Bezahlung arbeiten", erklärte die Pop-Sängerin Mandy Moore auf der RIAA-Website.

Auch Shakira, die Dixie Chicks und die Rapperin Missy Elliot riefen dazu auf, Musik zu kaufen anstatt zu klauen.

Doch die Profis im Internet-Dschungel dürften sich weder vom Künstler-Appell noch von der Strafandrohung schrecken lassen. Schon längst tauschen sie Software untereinander aus, die dafür sorgt, dass IP-Adressen - jene eigentlich feststehende Zahlenkombination, über die Internet-Nutzer identifizierbar sein sollen - nach außen hin ständig virtuell neu gemixt werden.

Die Anwender solcher Programme haben praktisch eine Tarnkappe auf, unter die auch die RIAA-Fahnder kaum schauen können.

(sueddeutsche.de/dpa)

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