Münchner Seminare:Wachstum auf polnisch

Münchner Seminare: Der polnische Ex-Finanzminister Leszek Balcerowicz hat sein Land in die Marktwirtschaft geführt.

Der polnische Ex-Finanzminister Leszek Balcerowicz hat sein Land in die Marktwirtschaft geführt.

(Foto: Bonitz)

Der ehemalige Finanzminister Leszek Balcerowicz wirbt für harte Reformen. Er führte das Land von der Plan- in die Marktwirtschaft. Seine radikalen Reformen gingen als Schocktherapie in die Geschichte Polens ein.

Von Felicitas Wilke

Leszek Balcerowicz steht an seinem Rednerpult und zeigt auf einen langen, grünen Balken. Er lächelt verschmitzt: "Wenn es um Wachstum geht, gibt es gute und schlechte Politik", sagt er. So einfach sei das, und der grüne Balken auf seiner Präsentationsfolie dient ihm als Beweis. Die Grafik zeigt, wie sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in europäischen Ländern und den USA von 2008 bis 2014 entwickelt hat. In Polen, dem Heimatland des früheren Finanzministers, steht ein Plus von fast 20 Prozent. Es ist das größte Wachstum und stellt die USA und Deutschland in den Schatten - vom dicken Minus in Spanien, Italien und Griechenland ganz zu schweigen. Was für ihn gute Politik ist und wie er auf Europa blickt, das erläuterte Balcerowicz bei den Münchner Seminaren, einer Vortragsreihe, die das Ifo-Institut zusammen mit der Süddeutschen Zeitung veranstaltet.

Der 68-jährige Balcerowicz war Polens erster Finanzminister nach Ende des Sozialismus, er führte das Land von der Plan- in die Marktwirtschaft. Seine radikalen Reformen gingen als "Balcerowicz-Plan" oder auch als "Schocktherapie" in die Geschichte ein. Rasch privatisierte er von 1989 an Staatsunternehmen, hob die Monopole auf und gab die Preise frei. Die Wirtschaft des Landes wuchs schnell, das Bruttoinlandsprodukt pro Person ist heute mehr als zweimal so hoch wie vor 26 Jahren. In Deutschland hat es sich im gleichen Zeitraum nicht ganz verdoppelt. Und: Polen war das einzige europäische Land, das nach Beginn der Finanzkrise 2008 nicht in eine Rezession fiel. "Es gibt keine Krise in Europa, es gibt nur eine Krise in bestimmten europäischen Staaten", behauptet Balcerowicz. Was die Nicht-Krisenstaaten von den Krisenstaaten unterscheide, sei schnelles Durchgreifen, "gute Politik" eben. Wie einst Polen hätten sich in der jüngeren Vergangenheit auch Bulgarien und die baltischen Staaten durch harte Reformen und reduzierte Staatsausgaben selbst aus ihrer Krise manövriert - ohne EU-Rettungsschirm. In Griechenland, Spanien und Irland sei dagegen mit verschleppten Reformen und Kreditbooms "schlechte Politik" gemacht worden.

Booms zu vermeiden, ist überhaupt eines der zentralen Plädoyers, die der Ex-Politiker und Wirtschaftswissenschaftler im Ifo-Institut hält. Die Frage laute nicht, wie nationale Zentralbanken eine Krise vermeiden können, sagt er und setzt erneut zu einem Lächeln an. "Die Frage ist, wie können wir die Notenbanken davon abhalten, eine Krise herbeizuführen?" In den meisten EU-Krisenstaaten hätten die Zentralbanken durch eine sehr lockere Geldpolitik mit niedrigen Zinsen für einen Boom gesorgt. Und nur wo der entstehe, könne es später auch einen Einbruch geben. Dies zu vermeiden, sei stets sein Ziel gewesen, als er zwischen 2001 und 2007 selbst der polnischen Notenbank vorstand.

Es geht um Europa an diesem Abend, es geht um Krisen, und natürlich geht es auch um Griechenland. Den Gipfelbeschluss vom Montagmorgen unterstützt Balcerowicz. Die Inhalte des Pakets, allen voran die Kürzungen bei der Rente, findet er richtig. Jedoch stelle sich ihm die Frage, ob Griechenland die Reformen diesmal tatsächlich durchsetze. "Es war nie das Problem Griechenlands, Gesetze zu verabschieden, das Problem ist es, sie zu implementieren", sagt er. Die Troika habe bislang darin versagt, die Umsetzung der Reformen zu überprüfen.

Auf die Frage, ob sein wirtschaftlich starkes Heimatland bald dem Euro beitrete, winkt Balcerowicz ab. "Die Polen sind durchaus beeindruckt von den Horror-Storys aus der Euro-Zone", berichtet er. Und um sich vom Zloty loszusagen, sei eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig - dafür gäbe es derzeit keinen politischen Rückhalt.

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