Münchner Seminar:Ein anderer Blick auf Griechenland

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Paul Kazarian hat selbst griechische Staatsanleihen gekauft. (Foto: ifo)

Die Schulden des Staates sind geringer als behauptet, sagt Starinvestor Paul Kazarian. Er hat selbst griechische Staatsanleihen gekauft.

Von Christian Beermann, München

Griechenland hat ein Schuldenproblem. Das ist ein gemeinhin bekannter Fakt. Paul B. Kazarian, Gründer und Chef der Investmentfirma Japonica Partners, sieht das anders. Griechenlands Staatsschulden seien völlig überbewertet, sagte der Mann, der selbst massiv griechische Staatsanleihen gekauft hat, im Münchner Seminar, der gemeinsamen Vortragsreihe des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung und der Süddeutschen Zeitung.

Kazarian hatte sich bereits Ende der Achtzigerjahre mit einem Gespür für unterbewertete Unternehmen international einen Namen gemacht. Zu Griechenland sagt er: Die finanzielle Situation Griechenlands sei zurzeit nicht korrekt bewertet. Bei Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards für öffentliche Institutionen und Unternehmen (IPSAS/IFRS) oder vergleichbaren Richtlinien - die allerdings bei der Bestimmung der für den Maastrichter Vertrag relevanten Staatsschuld der Euro-Länder keine Anwendung finden - betrug die griechische Staatsschuld im Jahr 2013 nach seinen Berechnungen nicht 319 Milliarden Euro, sondern nur 33 Milliarden Euro. Und die Schuldenquote der Helenen lag im selben Jahr auch nicht bei 175 Prozent, sondern bei lediglich 18 Prozent.

Gut 195 Milliarden Euro dieses Unterschieds in der Bewertung seien darin begründet, dass bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards eine erfolgte Restrukturierung von Schulden bei der Bestimmung der Staatsschuld berücksichtigt wird. Ziel einer jeden Rechnungslegung müsse es sein, die ökonomische Realität zu messen, so Kazarian. Berücksichtige man all die Begünstigungen, die Griechenland bereits von der Europäischen Union erhalten hat, so seien die Schulden des Landes nach seiner Einschätzung eigentlich in ein Geschenk umgewandelt worden. Das Problem der derzeitigen Schuldenbewertung nach Maastricht sei, dass eine Milliardenschuld auch dann als Schuld ausgewiesen wird, wenn sie nie fällig wird und das Land keine Zinsen darauf zahlt.

Noch im Jahr 2013 verfügte die griechische Regierung Kazarian zufolge, der sich dabei auf Daten des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank beruft, über rund 91 Milliarden Euro an Finanzaktiva, die bei der Berechnung der Nettoschuld des Landes berücksichtigt werden müssten. Um sich den erheblichen Wettbewerbsvorteil, der sich für Griechenland aus einer Nettoschuldenquote von 18 Prozent ergibt, klarzumachen, müsse man dieser die durchschnittliche Nettoschuldenquote von Irland, Spanien, Italien und Portugal von 80 Prozent gegenüberstellen, erklärt er weiter. Aufgrund der zinsgünstigen Kredite der Europäischen Union profitiere Griechenland darüber hinaus derzeit von sehr niedrigen Zinszahlungen in Höhe von lediglich 0,6 Prozent seiner Staatsschuld. Die anderen Länder würden durchschnittlich 3,5 Prozent ihrer Schuld an Zinsen zahlen.

Mit solidem Finanzmanagement und transparenter Rechnungslegung nach internationalen Standards, so Kazarians Prognose, könnte Griechenland seine Schuldenquote dauerhaft unter 18 Prozent halten und sogar mehr Geld für soziale Projekte freischaufeln. Daher plädiert er auch dafür, dass die Europäische Union als Vorbedingung für die Zahlung weiterer Hilfsgelder zunächst von Griechenland einfordern sollte, dass es eine den internationalen Maßstäben genügende Rechnungslegung zur Erfassung der Staatsfinanzen etabliert. Dies sei auch in Europas Interesse.

Die Einführung einer soliden Rechnungslegung koste ein paar Managementstunden, sagt Kazarian. Die Nicht-Einführung aber habe Europa bereits Hunderte Milliarden Euro gekostet und könnte in Zukunft weitere Milliarden kosten. Ohne die Schaffung verlässlicher Zahlen sei es "Müll rein, Müll raus", so der Investor. Europa stünde dann in drei Jahren noch dort, wo es bereits vor fünf Jahren stand.

Der Ausgangspunkt für die Genesung Griechenlands liege in der Schaffung eines verlässlichen Zahlenwerks, das die ökonomische Realität des Landes widerspiegle, sowie in der Auswahl von fähigen Regierungsbeamten. Kazarian nennt es die "Dreifaltigkeit" für ein prosperierendes Griechenland: Erstens müsse der Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit gegenüber allen Interessensgruppen oberste Priorität für die griechische Regierung haben. Zweitens müsse das wichtigste Reformvorhaben die Etablierung einer transparenten Rechnungslegung sein, nur so ließe sich Vertrauen aufbauen. Und drittens müsse das Zahlenwerk nach den internationalen Rechnungslegungsstandards erhoben werden. "Nur mit einer transparenten Rechnungslegung hinsichtlich der Staatsfinanzen kann Griechenland Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufbauen", so Kazarian.

Ein Kurzinterview mit Kazarian steht in der Mediathek der CESifo Group Munich (cesifo-group.de) zur Verfügung.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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