Müller: Sammeln von Krankendaten:"Klima der Angst"

Die Drogeriekette Müller wehrt sich gegen die Spitzel-Vorwürfe. Krankengespräche würden zwar geführt, doch das aus gutem Grund. Doch nun legt Verdi nach.

Die Ulmer Drogeriekette Müller wehrt sich gegen den Vorwurf des illegalen Sammelns von Krankendaten ihrer Mitarbeiter. Zwar werde nach der Genesung mit dem Beschäftigten ein sogenanntes Krankenrückkehrgespräch geführt, teilte die Geschäftsführung am Montag mit. Doch würden die Mitarbeiter damit nicht "unter Druck" gesetzt. Kein Mitarbeiter müsse sich für seine Erkrankung "rechtfertigen", hieß es.

Müller: Sammeln von Krankendaten: Eine der vielen Müller-Filialen in Deutschland.

Eine der vielen Müller-Filialen in Deutschland.

(Foto: Foto: ddp)

Das Unternehmen verwies darauf, dass solche Gespräche in der Privatwirtschaft üblich und weit verbreitet seien. Zudem gehe Müller verantwortungsvoll mit den Angaben der 20.000 Mitarbeiter um. Die Informationen würden ausnahmslos vertraulich behandelt und würden nach einem standardisierten Verfahren erhoben.

Sie dienten neben dem legitimen Zweck der ordnungsgemäßen Berechnung der Entgeltfortzahlungsdauer vor allem einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen. "Die Aufklärung der betrieblich veranlassten Krankheitsursache dient allein der Verbesserung der Arbeitsbedingungen", teilte Müller mit.

Die Drogeriekette reagierte damit auf einen Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende. Die Zeitung hatte berichtet, Müller-Mitarbeiter müssten nach einer Erkrankung Fragebogen ausfüllen und diese unterzeichnen.

Die Dogeriekette teilte hingegen mit: "Sowohl die Inhalte der Krankenrückkehrgespräche als auch deren rechtliche Beurteilung werden in wesentlichen Punkten unzutreffend oder unvollständig wiedergegeben."

"Klima der Angst"

Nach den Vorwürfen, die am Samstag in der SZ geäußert wurden, legt nun die Gewerkschaft Verdi nach und wirft Müller Verstöße gegen Datenschutz-Regeln und die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter vor. Bei der Drogeriekette würden "durchaus sinnvolle Personalgespräche benutzt, um Mitarbeiter systematisch unter Druck zu setzen und ihre Krankendaten auszuforschen", kritisierte der Verdi-Bezirk Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart.

Das Unternehmen schreibe Mitarbeiter regelmäßig an, wenn sie häufiger als andere Kollegen in der Betriebseinheit erkrankt seien. Den angeschriebenen Beschäftigten werde ein Wechsel des Arbeitgebers nachgelegt, teilte Verdi unter Berufung auf ein vorliegendes Schreiben des Unternehmens mit. In diesem "Klima der Angst" fänden nach Genesung Rückkehrgespräche mit den Beschäftigten statt, um die Krankheitsdiagnose zu erforschen und Rückschlüsse auf die Gesundheitsprognose treffen zu können. Im Laufe der Zeit entstünden damit "gläserne" Mitarbeiter.

In den vergangenen Wochen hatten mehrere Unternehmen Versäumnisse und Verstöße gegen den Datenschutz eingeräumt. Der Lebensmittel-Discounter Lidl hatte Anfang April zugegeben, entgegen dem Datenschutz Informationen über die Krankheiten von Mitarbeitern festgehalten zu haben. Der Autobauer Daimler gab vergangene Woche zu, dass in seinem Bremer Mercedes-Benz-Werk illegal Krankendaten von Mitarbeitern gespeichert wurden.

Die Vorfälle werden wohl im Datenschutzbericht thematisiert, den der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar am Dienstag vorstellt. Er fürchte, die Fälle bei Lidl, Daimler und Müller seien keine Ausnahmeerscheinung: "Ich fürchte, dass ist nur die Spitze des Eisbergs."

Umstrittener Drogeriekönig

Der 76 Jahre alte Drogeriekönig Erwin Müller vertraut nur sich selbst. Den Banken kehrte er schon früh den Rücken, nachdem diese ihm vor Jahren nicht aus der Patsche halfen, als einer seiner Läden abbrannte. Heute gehören ihm deswegen die meisten seiner Filialen samt Gebäude und Grundstück selbst. Auf Kredite scheint der Firmenpatriarch nichts zu geben.

Selbst seinen Sohn drängte er aus der Geschäftsführung, weil ihm die eingeschlagene Firmenpolitik nicht gepasst haben soll. "Arbeiten, arbeiten, arbeiten", so erklärt Müller seinen Erfolg. Der Rest sei Betriebsgeheimnis.

Müller gehört neben Schlecker, dm und Rossmann zu den größten Drogerieketten in Deutschland. Mehr als eine Milliarde Euro setzt das Unternehmen jährlich um. Es beschäftigt mehr als 20.000 Mitarbeiter in mehr als 500 Filialen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Ungarn, Slowenien, Kroatien und auf Mallorca. Anders als seine Konkurrenten bietet es auch dauerhaft ein großes Sortiment an Schreibwaren, Spielwaren sowie Haushaltsartikeln an.

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