MTU Friedrichshafen:Keine Angst vor der Heuschrecke

Auch das gibt es: Da wird ein deutsches Traditionsunternehmen an einen der berüchtigten Risikofonds verkauft, doch statt Heuschreckenalarm herrscht bei allen Beteiligten eitel Freude.

Geschäftsführung und Betriebsrat der MTU Friedrichshafen GmbH reagierten positiv auf den Verkauf ihres Unternehmens an den Finanzinvestor EQT für 1,6 Milliarden Euro. "EQT Partners ist unser Wunschkandidat, der sich in erheblichem Maß finanziell an unserem Unternehmen beteiligt und uns auf unserem Wachstumskurs begleitet", sagte MTU-Geschäftsführer Volker Heuer am Mittwoch nach einer Mitteilung der bisherigen DaimlerChrysler-Tochter.

MTU Friedrichshafen: MTU-Mechaniker bei der Arbeit.

MTU-Mechaniker bei der Arbeit.

(Foto: Foto: dpa)

Zufrieden zeigte sich auch MTU-Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz Wulle, auch wenn sich die Arbeitnehmervertretung lange Zeit für einen industriellen Käufer ausgesprochen und dabei den Münchner Konzern MAN favorisiert hatte. Sogar Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder war für dieses Ziel in Gang gesetzt worden.

"Industrieller Ansatz"

"Der Finanzinvestor EQT verfolgt einen eher industriellen Ansatz, der sich am detaillierten Konzept, das uns präsentiert wurde, gut ablesen lässt", sagte Wulle. Er verwies darauf, dass MTU als tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband bleiben werde.

Der Geschäftsführer von EQT Deutschland, Marcus Brennecke, gab zu verstehen, dass es sich bei der MTU-Übernahme um ein langfristiges Engagement handele.

In der MTU-Mitteilung wurde er mit den Worten zitiert: "Wir denken, dass unsere Investitionen in die geplanten neuen Produkte der MTU hervorragend investiertes Geld sind. Dass wir bis zum Ernten der Früchte einen langen Atem benötigen, ist uns durchaus bewusst."

Friedrichshafen bleibt Unternehmenssitz

Nach Heuers Angaben soll Friedrichshafen der "zentrale Unternehmenssitz" der MTU bleiben, an dem die Geschäftsführung angesiedelt ist. EQT werde durch seine Investitionsbereitschaft den Ausbau der MTU-Technologieführerschaft sichern, betonte der Geschäftsführer.

DaimlerChrysler-Vorstand und MTU-Aufsichtsratschef Rüdiger Grube sagte, mit der Veräußerung an EQT seien die Weichen für die weitere Expansion von MTU Friedrichshafen gestellt. "Bei vergleichbaren Preisvorstellungen der drei Kaufinteressenten haben wir uns für den Bieter mit dem überzeugendsten Konzept entschieden." Zuletzt waren noch MAN und Kohlberg Kravis Roberts im Rennen gewesen.

DaimlerChrysler hatte erst im September seinen MTU-Anteil von 88 auf 100 Prozent aufgestockt. Nach monatelangem Streit verkauften die Familiengesellschafter Schmid-Maybach und Brandenstein-Zeppelin ihre Aktienpakete an den Stuttgarter Autobauer. Diese hatten lange die Pläne von DaimlerChrysler blockiert und sich exklusiv an den Finanzinvestor Carlyle gebunden.

Monatelanger Verhandlungspoker

Dem Verkauf war ein monatelanger Verhandlungspoker vorangegangen. DaimlerChrysler trennt sich durch die Transaktion von einer der letzten großen Industriebeteiligungen und forciert damit die Konzentration auf das Kerngeschäft Automobilbau.

Nicht zum Zuge kommt der Münchner MAN-Konzern, der MTU gerne übernommen hätte. EQT ist eine nordeuropäische Private Equity-Gruppe, die rund sechs Milliarden Euro Eigenkapital in acht Fonds verwaltet.

Keine Angst vor der Heuschrecke

Da beim Verkaufspreis liquide Mittel, Schulden und Pensionsverpflichtungen von MTU berücksichtigt werden, beträgt der Liquiditätszufluss für DaimlerChrysler voraussichtlich eine Milliarde Euro, teilte das Unternehmen am Mittwoch in Stuttgart mit.

Die zum schwedischen Wallenberg-Imperium gehörende EQT will langfristig in die Expansion von MTU investieren und hat nach eigenen Angaben keine Pläne für einen Stellenabbau in der Schublade.

Positiver Effekt für DaimlerChrylser-Ergebnis

Beim operativen Ergebnis des DaimlerChrysler-Konzerns wird sich die Transaktion mit etwa 400 Millionen Euro positiv niederschlagen. Das Konzernergebnis wird um etwa 300 Millionen Euro höher ausfallen.

Ursprünglich wollte DaimlerChrysler den Verkauf bereits im laufenden vierten Quartal verbuchen und teilweise mit den Kosten für den 950 Millionen Euro teuren Stellenabbau in der Mercedes Car Group verrechnen.

Da aber die Zustimmungen mehrerer Behörden noch ausstehen, wird der Deal erst im ersten Quartal 2006 abgeschlossen sein. Die Konzerngewinnprognose für 2005 werde aber nicht beeinträchtigt: Der Ausblick für den Operating Profit von leicht über 5,8 Milliarden Euro ohne die Restrukturierungskosten für smart und Mercedes habe Bestand, sagte ein Konzernsprecher.

DaimlerChryser-Aktie reagiert kaum

AktieDie DaimlerChrysler-Aktie reagierte auf die Verkaufsmeldung kaum. Händler sagten, der MTU-Verkauf sei bereits eingepreist worden.

Zustimmen müssen noch das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin und die Kartellbehörden in mehreren Ländern. Der Wirtschaftsminister hat nach dem Außenwirtschaftsgesetz ein Mitspracherecht, weil es um rüstungspolitische Kernkompetenzen geht. MTU liefert Motoren für den Kampfpanzer Leopard und die deutsche Bundeswehr.

DaimlerChrysler verkauft nicht nur MTU Friedrichshafen GmbH, sondern auch die Off-Highway-Aktivitäten der Detroit Diesel Corporation (DDC). EQT hat zugesichert, dass Friedrichshafen am Bodensee Hauptsitz der MTU-Gruppe bleibt.

Die Schweden kündigten zudem massive Investitionen in Forschung und Entwicklung an: "Wachstum erfordert immer erhebliche Investitionen, die erst nach längerer Anlaufphase Früchte tragen", sagte Marcus Brennecke, Geschäftsführer von EQT Deutschland. "Wir denken, dass unsere Investitionen in die geplanten neuen Produkte der MTU hervorragend investiertes Geld sind. Dass wir bis zum Ernten der Früchte einen langen Atem benötigen, ist uns durchaus bewusst."

Motoren und Energieversorgungsanlagen

MTU produziert mit rund 6700 Beschäftigten, davon etwa 5000 am Stammsitz Friedrichshafen, Motoren für Schiffe, Bahnen, Militär- und Baufahrzeuge sowie Energieversorgungsanlagen. 2004 betrug der Umsatz 1,35 Milliarden Euro. Der Auslandsanteil lag bei 76 Prozent. Für das laufende Jahr peilt der Konzern einen Umsatz von 1,58 Milliarden Euro an.

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