Mozzarella made in Berlin:Berliner Weiße

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Im Industriegebiet des Bezirks Tempelhof stellt eine italienische Firma Bio-Mozzarella her - und beliefert von hier aus sogar den Heimatmarkt südlich der Alpen und die USA.

Von Ulrike Sauer, Berlin

Es ist schwierig, in Berlin Italienier zu sein - besonders, wenn man Mozzarella herstellt. Beim KaDeWe kommen die weichen, blütenweißen Käsekugeln aus der Volkmarstraße im Berliner Stadtteil Tempelhof nicht ins Sortiment - nicht italienisch genug. Lieber karrt das Kaufhaus mild schmeckende Bällchen aus Italien heran. Dabei wird in der deutschen Hauptstadt nach Originalrezeptur produziert - und von hieraus sogar das wählerische Italien beliefert.

Dem italienischen Käsehersteller Francia Mozzarella GmbH, dessen Mozzarella-Produktion in der deutschen Hauptstadt erfolgt, gibt der Erfolg Recht. Das Produkt aus deutscher Qualitätsmilch erreicht einen Umsatz von 16 Millionen Euro weltweit. (Foto: Foto: AFP)

Die Großinvestition des süditalienischen Käseherstellers Francia in der deutschen Hauptstadt hat sich gelohnt. Das Familienunternehmen aus Sonnino, rund 100 Kilometer südlich von Rom gelegen, ist inzwischen eine der Berliner Wachstumsfirmen - Francia macht aber kein Hightech, sondern verarbeitet täglich 150.000 Litern frische Milch.

Was den Firmengründer Alceo Francia vor 16 Jahren nach Berlin zog, war die deutsche Milch und die Knappheit des "weißen Golds" in Italien. Der Brühkäse Mozzarella ist typisch für die Fähigkeit der Italiener, aus gewöhnlichen Rohstoffen kulinarische Köstlichkeiten zu gewinnen - eine Kunst, die man südlich der Alpen seit Jahrhunderten beherrscht. Kuhmilch gibt es in Brandenburg nicht nur reichlich, sondern auch in höherer Qualität als daheim im heißen Latium. Der Landarbeitersohn, der 1966 mitten im trockengelegten Sumpfgebiet zwischen Rom und Neapel die Käserei Gebrüder Francia gegründet hatte, handelte. "Er erkannte, dass sich in Berlin eine Tür öffnet", sagt Pier Luigi Verga, heute Chef der deutschen Unternehmenstochter.

15 Millionen Euro investiert

Vier Jahre vor seinem Tod steckte Francia 2003 rund 15 Millionen Euro in den Standort Berlin, den einzigen fern der beiden Stammwerke in Italien. Die Mozzarella- und Ricotta-Herstellung zog in eine ehemalige Pappkartonfabrik nach Tempelhof. Seither hat sich die Produktion verdreifacht. Der Absatz der Käsespezialitäten außerhalb Italiens stieg kräftig an. Verkaufte Francia in der Anfangszeit 95 Prozent der Produktion in der Heimat, so geht heute nur noch die Hälfte nach Italien. Den Rest liefern die Berliner an die Gastronomie und in den gut sortierten Lebensmittelhandel in Deutschland, in weiteren 16 europäischen Ländern und in den USA. Der Umsatz kletterte auf 16 Millionen Euro.

Vier Molkereien aus dem Brandenburger Umland liefern täglich die Milch. Berliner Spezialität ist Bio-Mozzarella, den Francia in Italien nicht herstellt. In Sonnino erwirtschaftet das Stammunternehmen rund 75 Millionen Euro. Aus Sonnino stammt auch Giovanni Paparelli, den bei Francia alle Nino nennen. Nino knetet und zieht Mozzarella, seitdem er 13 Jahre alt ist. In Berlin übernahm der heute 62-Jährige 1998 als Käsemeister die Verantwortung für die Mozzarella-Sparte. "Es ist kein Unterschied mehr zu schmecken zwischen der in Italien und der bei uns in Berlin hergestellten Kuhmilch-Mozzarella", versichert Nino. Zurück zieht es Nino nicht. Mit seinem eigenen Unternehmen "La Torretta" hatte er Ärger bekommen mit der Finanzpolizei wegen nicht bezahlter Milchquoten. Die Firma ging nach einer Razzia den Bach runter. Er suchte in Berlin sein Glück.

Aus der Kantine, wo der Koch Antonio den 51 Francia-Beschäftigten Melanzane alla Parmigiana serviert, guckt Nino nun auf das Finanzamt in der Volkmarstraße. In seinem kleinen Büro, aus dem er hinter einer Glasscheibe die Mozzarella-Produktion per Computer steuert, hängt ein unfreundliches Gedicht von Roberto Benigni über Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi. "Den kann ich nicht ausstehen", knurrt Nino.

Milch rein, Mozarella raus

Ninos Büro ist das Herz der Francia Mozzarella GmbH. Manager Verga ist stolz auf die Kombination aus traditionellem Handwerkskönnen, italienischen Rezepten und hoch industrialisierten Produktionsverfahren. "Es kommt Milch rein und Mozzarella raus", sagt der Wirtschaftsprüfer aus Verona, der viele Jahre den Lebensmittelhersteller Eismann in Düsseldorf geleitet hat. Doch die nötige Zeit dafür nimmt man sich in Tempelhof. Um Mitternacht werden der Milch erst natürliche Starterkulturen und dann Lab zugefügt. Der Käseteig reift vier Stunden lang, bevor das Ziehen des Käses beginnt. Künstliche Zitronensäure, die von anderen Großherstellern gewöhnlich beigemischt wird, verwendet Francia nicht. Der Zusatzstoff E 330 beschleunigt die natürliche Reifung und standardisiert sie. Er verleiht der Mozzarella aber auch eine gummiartige Konsistenz. Traditionelle Käser sind dafür stark auf ihre Erfahrung angewiesen.

Steigt der PH-Wert zu schnell, "rennt der Teig", sagt Nino. Das hat die unerwünschte Nebenwirkung, dass das Verfallsdatum näher rückt. "Retardiert" der Käse, wird er zu hart. "Ich fühle die Milch", sagt Nino, der seit 50 Jahren an den dampfenden Bottichen schwitzt. Dennoch verweist man bei Francia stolz darauf, dass Tempelhof zu den modernsten Mozzarella-Produktionsstätten Europas gehört. Käsegüte, Biosiegel und Qualitätsmanagement - alles ließ Verga zertifizieren. Auch 1750 Kilometer entfernt in der Mozzarella-Gegend um Sonnino fahren täglich die Tanklastzüge mit deutscher Milch auf den Hof.

Ist Mozzarella aus Sonnino so gesehen überhaupt italienischer als die Vergas? Nur 35 Prozent der Beschäftigten sind bei Francia in Berlin Italiener. Firmensprache ist Italienisch. In der Kantine laufen die Mittagsnachrichten der RAI. Und die Brandenburgerin Ulrike Dettmann, die den Verkauf bei Francia in Berlin leitet und zuvor in Rom bei Mercedes und bei Lidl in Verona gearbeitet hat, erlebt nun hautnah die Probleme eines italienischen Familienunternehmens, dessen Geschicke neun gleichberechtigte Vettern und Cousinen bestimmen.

© SZ vom 08.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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