Mozilla-Chefin Mitchell Baker:Ein Browser gegen den Rest der Welt

Berlin: SZ-WIRTSCHAFTSGIPFEL / Tag2 - Eröffnung

Mitchell Baker ist Mitgründerin von Mozilla, das vor allem für den Browser Firefox bekannt ist. Baker ist Chefin der Mozilla Corporation. Hinter dem Unternehmen steht die gleichnamige gemeinnützige Stiftung.

(Foto: Johannes Simon)
  • Die Mozilla-Chefin Mitchell Baker setzt sich für Datenschutz und gegen Monopolisierung ein.
  • "In gewisser Weise sind wir auch Giganten", sagt sie auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel.

Von Helmut Martin-Jung

Das Internet der westlichen Welt wird völlig beherrscht von einigen wenigen großen Firmen. Völlig? Ausgerechnet im Mutterland der digitalen Revolution, im Silicon Valley, gibt es einen David, der sich sogar ziemlich erfolgreich gegen die Goliaths Google, Apple und Microsoft durchsetzt: Mozilla, die Non-Profit-Organisation, die Internetnutzer weltweit vor allem wegen des von ihr programmierten Browsers Firefox kennen.

"Das Internet ist eine so entscheidende Basistechnologie der Gesellschaft, da sollte sich nicht alles nur ums Geldverdienen drehen", sagt Mitchell Baker. Baker, geboren 1957, ficht diesen Kampf für ein Netz, das allen dient, schon lange. In den 1990er-Jahren war es der damalige Quasi-Monopolist Microsoft, der die Firma Netscape und ihren Browser aus dem Markt drängte. Baker machte aus dem kommerziellen Produkt ein Open-Source-Projekt - eine Software also, deren Quellcode sich jeder ansehen kann und an dem auch heute noch Tausende Freiwillige auf der ganzen Welt mitarbeiten. Mittlerweile sind es vor allem Google, Facebook und Apple, die große Bereiche des Internets kontrollieren.

Genau dagegen versucht Baker, deren Organisation gerade einmal tausend Mitarbeiter angehören, zu arbeiten: "Nehmen Sie zum Beispiel die neue Technik der virtuellen Realität - Google arbeitet daran, Facebook hat die Firma Oculus gekauft - diese Technik ist wirklich von fundamentaler Bedeutung. Aber man sollte sie von jedem Gerät abrufen können und nicht bloß mit dem einer Firma." Mozilla versuche immer, den Nutzer in den Vordergrund zu stellen, auch wenn es um den Datenschutz geht: "Sicherheit und Datenschutz sind nichts Optionales", sagt Baker. In welchem Maß jemand kontrollieren könne, was mit seinen Daten geschehe, "das ist doch eine sehr wichtige Frage."

Früher war es der Browser, heute die Daten

Diese Frage wird bei einer anderen, ebenfalls neueren Entwicklung auch eine zentrale Rolle spielen - beim Internet der Dinge. Wenn immer mehr Sensoren in Alltagsgegenständen Daten erfassen, auf Servern speichern, wo sie ausgewertet werden, dann wirft das eine Vielzahl von Fragen auf in Hinblick auf den Datenschutz. "Wenn ich Sensoren in den Schuhen habe, kann das sehr nützlich sein. So könnte etwa bemerkt werden, dass man hinkt, was wiederum die Hüfte in Mitleidenschaft zieht und so weiter. Aber das sind eben auch sehr private Daten, und deshalb ist es auch beängstigend."

Das Internet der Dinge berge das wohl größte Potenzial unter den neueren Technologien, glaubt Baker, aber auch die größte Gefahr: "Was passiert mit den Daten, wer kontrolliert sie, kann ich sie sehen?" Entscheidend sei deshalb, sagt die gelernte Juristin Baker, dass die Daten mit einem möglichst vertrauenswürdigen System verwaltet würden - "und das ist Open Source." Noch sei es nicht zu spät, ein solches System zu entwerfen und nicht den Konzernen das Feld zu überlassen. "Als wir Firefox entwickelten, war klar: Der Browser ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen", sagt Baker, "heute sind es Daten."

In Deutschland, wo Mozilla übrigens auch eine Niederlassung unterhält, war das Interesse an solchen Fragen schon immer groß. Deutschland ist auch einer der wichtigsten Märkte für Mozilla, der Anteil von Firefox-Nutzern ist hier relativ hoch. Aber Baker weiß auch: Interesse ist nicht gleich Umsetzung. "Die Menschen interessieren hier zwar mehr für Datenschutzfragen, aber sie verhalten sich nicht danach."

Der Firefox-Browser blockiert automatisch digitale Spurensammler

Oft ist das auch so, weil die Wege, die man dafür gehen muss, komplizierter sind, als einfach das zu tun, was alle anderen im Netz auch machen, zum Beispiel Mails unverschlüsselt zu verschicken. Immer wieder versucht Mozilla daher, den Nutzern dabei zu helfen. Die jüngste Version des Firefox-Browsers zum Beispiel blockiert automatisch digitale Spurensammler.

Der Kampf, den die kleine, aber energische Frau schon so lange mit immer neuen Giganten der Technologiebranche austrägt, ist zäh und kräfteraubend. Doch dass es ihrer kleinen Truppe mit Unterstützung von Freiwilligen gelingt dagegenzuhalten, gebe ihr die Kraft, weitermachen: "In gewisser Weise sind wir auch Giganten", sagt sie, "in manchen Ländern ist unser Marktanteil bei Browsern 40 Prozent. Das motiviert mich auch." Dass sie so entschieden gegen die mächtigen Konzerne angeht, habe aber nicht nur altruistische Motive: "Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles nur von einigen wenigen Firmen kontrolliert wird."

Der US-Autor Dave Eggers hat in seinem viel diskutierten Buch "The Circle" ein dunkles Bild einer solchen Zukunft gezeichnet. Ein amerikanischer Internetkonzern, der dargestellt wird wie eine Kombination aus Google und Facebook, wird zur alles beherrschenden Instanz, der etwa Politiker dazu treibt, ihr gesamtes Leben live ins Netz einzuspeisen. "Das", sagt Baker, "ist eine durchaus wahrscheinliche Vision."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: