Moody's senkt Ausblick für Bonität:Zahltag für Deutschland

Für die meisten Menschen in Deutschland ist die Euro-Krise bislang nicht mehr als ein Wetterleuchten: Es blitzt am Horizont, doch der Donner bleibt aus. Jetzt aber warnt die Ratingagentur Moody's, dass auch Deutschland Ungemach droht - und spielt Kanzlerin Merkel damit in die Hände.

Hans von der Hagen

Geld funktioniert nur, wenn alle dran glauben. Bei der Gründung der Euro-Zone war es deshalb wichtig, eine Glaubensgemeinschaft zu formen: Es galt, die Bürger der Euro-Länder, aber auch die Investoren weltweit zu überzeugen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas den Euro trägt, so wie einst der Wert des Goldes Währungen Stabilität geben konnte.

Doch dieser Glaube bröckelt: Viele Gründernationen wie Italien, Spanien, Irland und Griechenland stärken nicht mehr den Glauben an den Euro, sondern schwächen ihn. Andere Länder, vor allem Deutschland, müssen nun das Misstrauen überkompensieren.

Einziges Dilemma

Bislang funktioniert das erstaunlich gut: Weil die deutsche Wirtschaft wächst, weil dieses Wachstum mit einem straffen Sparkurs einhergeht - aber auch, weil gewaltige Mengen an Kapital nach Deutschland strömen. Vor wenigen Jahren machten die noch als Wachstumsstaaten gefeierten Ländern wie Spanien oder Irland das Leben leichter. Jetzt treibt das Geld hierzulande die Löhne und Immobilienpreise in die Höhe - so lange, bis die Krise auch Deutschland erfasst.

Dass es so weit kommen wird, davon scheint die Ratingagentur Moody's überzeugt zu sein. Sie beschreibt die Situation als Dilemma: Deutschland müsse viel Geld aufbringen, falls Griechenland den Euro verlasse und in der Folge eine ganze Serie von Schocks die Finanzmärkte und damit wohl auch die Volkswirtschaften erschüttern werde. Deutschland müsse aber ebenfalls viel Geld aufbringen, wenn es versuche, die Währungsunion unter allen Umständen zusammenzuhalten.

Nun wird den Ratingagenturen oft genug vorgeworfen, sie würden Krisen befördern, weil ihre Urteile gerade dann wie Brandbeschleuniger wirkten, wenn ohnehin schon alles in Flammen stehe. Diese Kritik muss sich Moody's zumindest in diesem Fall nicht vorhalten lassen. Die Agentur beschreibt lediglich, was auf Deutschland zukommt: der Zahltag für die Euro-Krise.

Im besten Fall sind lediglich die Milliarden weg, die Deutschland für die übrigen Euro-Länder und die mögliche Stützung des eigenen Bankensystems zur Verfügung stellen muss. Im schlimmsten Fall droht eine umfassende Euro-Krise, die auch die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen würde.

Vorerst reagiert Moody's nur mit einer Art "Herabstufung light": Der Ausblick für die deutsche Topnote AAA - die beste Note, die eine Ratingagentur überhaupt zu vergeben hat - wird von stabil auf negativ zurückgesetzt. Das Rating selbst bleibt vorerst unverändert. Oft erfolgt allerdings dann einige Monate später eine Herabstufung des Ratings.

Vorteil für Merkel

Das deutsche Finanzministerium hält dagegen. Die von Moody's genannten Risiken seien keinewegs neu und Deutschland befinde sich in einer sehr soliden Situation, teilt es mit.

Auf den ersten Blick ist eine Bonitätsverschlechterung für das betroffene Land ärgerlich, weil es die Finanzierungsposten steigert. In diesem Fall spielt die Moody's-Entscheidung allerdings der deutschen Regierung in die Hände, obschon die Agentur die reaktive Politik in Europa geißelt. Sie unterstützt Kanzlerin Merkel indirekt: Penibel listet die Agentur Gründe auf, die aus ihrer Sicht bald schon eine Herabstufung erforderlich machen könnten.

Zuallererst findet sich dort der Hinweis, dass hierzu vor allem eine verschlechterte Haushaltssituation oder ein Verlust der langfristigen ökonomischen Stärke zählen - jene Punkte also, denen Merkel mit ihrer Sparpolitik in Europa besonderes Augenmerk schenkt. Die Kanzlerin kann also mit Verweis auf die Moody's-Drohung umso mehr ihre eigene Politik rechtfertigen.

Vorerst wäre es aus deutscher Sicht gar nicht so schmerzlich, die Topnote zu verlieren. Das Land bekommt zumindest derzeit die Kredite fast für lau und wenn ohnehin fast alle Staaten in der Euro-Zone ihr Toprating verlieren, profitiert Deutschland - relativ gesehen - wieder von seiner Position als bester Schuldner.

Was die Entscheidung von Moody's aber so bedrohlich macht, ist die implizite Warnung, sich auf die kommende Sturmfront vorzubereiten. Darauf, dass auch Deutschand sich der Krise nicht dauerhaft entziehen kann. Und dann wird es nicht nur die deutsche Wirtschaft schwer treffen, sondern auch den Glauben in die europäische Einheitswährung vollends zermürben.

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