Monte dei Paschi:Neustart nach mehr als 500 Jahren

Sie überstand Kriege und Pestepidemien und mehrt seit 1472 den Reichtum Sienas. Nun kämpft die Stadt um ihre Bank Monte dei Paschi, das älteste Geldinstitut der Welt.

Ulrike Sauer, Rom

Ins Wohlstandsidyll schlich sich die Angst. Am 10. Januar schien das älteste Geldinstitut der Welt, das seit 540 Jahren von der Stadt Siena kontrolliert wird, in die Hände von zwölf Gläubigerbanken zu fallen. Seither kämpft die toskanische Renaissancestadt gegen die Zeit und ihre eigene Geschichte, um die Bank Monte dei Paschi nicht zu verlieren. Das Finale des Dramas ist nach 63 Tagen offen. Doch die Beziehung zwischen dem "Monte" und seiner Stadt steht am Wendepunkt.

Del Campo square is seen in Siena

Die Piazza del Campo in Siena.

(Foto: REUTERS)

Das neue Jahr hatte für die Bürger Sienas mit einem Schock begonnen. Der Aktienkurs des Monte dei Paschi stürzte auf den historischen Tiefstand von 19 Cent. Im schuldengeplagten Italien ging es den anderen Banken an jenen Tagen kaum besser. Doch das Börsendebakel zwang den Sienesen eine Entscheidung auf, die sie bis dahin krampfhaft vermieden hatten.

Der Stiftung Monte dei Paschi, über die die Stadt Italiens drittgrößten Geldkonzern beherrscht, blieb keine Wahl: Sie willigte ein, 15,5 Prozent ihrer Anteile zu veräußern - ein Mauerfall nach einem halben Jahrtausend. Alle Mühen, die Kontrolle über die Bank zu verteidigen, die der Stiftung 1,1 Milliarden Euro Schulden aufgeladen hatte, sie waren umsonst.

Zwei Kapitalerhöhungen, 2008 und 2011, hat die Stiftung gestemmt. Ziel war es, die Hälfte der Stimmrechte zu behalten. Als Sicherheiten musste die Stiftung ihre Bankaktien dem Dutzend internationaler Kreditgeber überlassen. Deren Wert aber fiel beinahe ins Bodenlose. Die Falle schnappte zu.

Nun wird um eine Umschuldung gerungen. Das Stillhalteabkommen mit den Gläubigern läuft am kommenden Donnerstag aus - eine Einigung zeichnet sich ab. Die Stiftung hofft, durch den Verkauf eines Teils ihrer Aktien 600 Millionen Euro zu erlösen. Ihr bleiben dann noch 33 Prozent der Bank.

Nach einer goldenen Vergangenheit steht das Modell vor dem Aus

Die Sienesen betrachten den "Monte" seit 1472 als ihr Eigentum. Nicht zuletzt, weil seine Gründung auf eine Initiative der Stadtregierung zurückging. Seither trotzt die Bank jeder Krise, überstand Kriege und Pestepidemien. Seit 20 Generationen mehrt sie den Reichtum der Stadt. Auf das goldene Dreieck war bis gestern Verlass: Die Bank erwirtschaftet Profit, die Stiftung kassiert als Großaktionärin die Dividenden und verteilt die Gewinne über die Stadt.

So kam es, dass die Bank sich sogar ums Trinkwasser kümmert. Investiert Siena 3,7 Millionen Euro ins Leitungsnetz, so steuert die Stiftung einen Großteil davon bei. Wird die Landstraße nach Florenz ausgebaut, die Stiftung zahlt. Auch das Forschungszentrum Siena Biotech finanziert sie, ebenso die Universität. Geld für den Palio zu spendieren, das weltberühmte Pferderennen auf der mittelalterlichen Piazza del Campo, ist Ehrensache. Der "Monte" selbst unterstützt das Basketball-Team, das schon fünf Jahre in Folge den italienischen Meistertitel nach Siena holt. Und so nennen die Sienesen ihr Geldhaus la mucchina, die Melkkuh.

"Modell Siena" vor dem Aus

Zwischen 1995 und 2010 sind so zwei Milliarden Euro geflossen. Das Geld wurde von der Stiftung über die Provinzstadt verteilt, die seit 60 Jahren von der Linken regiert wird. Nun steht das "Modell Siena" vor dem Aus. Das hat auch damit zu tun, dass Bank-Chef Giuseppe Mussari mit der Übernahme des norditalienischen Regionalinstituts Banca Antonveneta im November 2007 seine expansiven Ambitionen krönte.

A person walks past the Monte dei Paschi bank headquarters in Siena

Die Zentrale der Bank Monte dei Paschi in Siena.

(Foto: REUTERS)

Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise stieß der Monte dei Paschi zum stolzen Preis von neun Milliarden Euro in die nationale Bankenliga vor, gleich hinter den Mailänder Geldkonzernen Unicredit und Banca Intesa. Der Klassenaufstieg ging aber über die Kräfte der Stiftung.

Danach brach die europäische Schuldenkrise auch über Siena herein. Monte dei Paschi hat 25 Milliarden Euro in italienischen Staatsanleihen angelegt. Der Marktwert der Schuldtitel stürzte ab und riss eine Kapitallücke auf.

Nun verlangt die europäische Bankenaufsicht Eba, dass das Traditionsinstitut bis Juni 3,2 Milliarden Euro frisches Geld zur Stärkung des Eigenkapitals auftreibt - immerhin zwei Drittel seines heutigen Börsenwerts. So treibt die Krise den Wandel sogar im wohlhabenden Siena an. Dividenden fallen aus. Die Personalkosten müssen sinken.

Bankangestellte wollen gegen Kürzungen streiken

Am kommenden Freitag werden die Bankangestellten zum ersten Mal in den Streik treten, gegen die Kürzungspläne. Im Rathaus an der muschelförmigen Piazza del Campo hat man erkannt, dass es nun um alles oder nichts geht. Der rote Bürgermeister Franco Ceccuzzi fordert einen Umbruch, um die Zukunft der Bank zu sichern. Ein Anfang sei gemacht: Mit dem neuen Generaldirektor Fabrizio Viola sei ein Manager von außen nach Siena geholt worden, der Marktkultur und Effizienzdenken mitbringe.

Auf der Hauptversammlung am 27. April muss ein Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Mussari bestellt werden. Ceccuzzis Wunschkandidat soll den Bruch mit der Vergangenheit symbolisieren: Er stammt aus Genua, heißt Alessandro Profumo und war bis vor anderthalb Jahren machtbewusster Unicredit-Chef.

Kommt nun das Branchen-Comeback beim "Monte"? Profumo ist angetan, zumindest von der neuen Umgebung. "Siena ist eine wunderschöne mittelalterliche Stadt, und mittelalterliche Städte faszinieren mich", antwortet Profumo verschmitzt. Vielleicht ist er ja schon auf der Suche nach einem toskanischen Domizil. Artikel 3 des Stiftungsstatuts schreibt vor: Den "Monte" darf nur ein Bürger Sienas führen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version suggerierten Überschrift und Teaser, dass die Bank selbst vor der Pleite stehe. Das ist nicht der Fall. Nur der Großaktionär der Bank, die Stiftung, ist in Finanznot. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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