Mobilität:Der Tesla als Mitfahrgelegenheit

Mobilität: Highways in Los Angeles: Nicht selten sind die Straßen in Kalifornien verstopft und überfüllt. Ein wirklich funktionierendes Bahnsystem gibt es nicht.

Highways in Los Angeles: Nicht selten sind die Straßen in Kalifornien verstopft und überfüllt. Ein wirklich funktionierendes Bahnsystem gibt es nicht.

(Foto: mauritius images)

Ein Teenager organisiert mit einem Start-up in Kalifornien Fahrgemeinschaften zwischen großen Städten. Eine pragmatische Idee mit Zukunft.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Was muss das für ein verwöhnter Bengel sein, der von seinen Eltern zum Führerschein ein Model X von Tesla fordert? Die Grundversion des Elektrofahrzeugs kostet mehr als 79 000 Dollar, wer einen stärkeren Motor und ein bisschen Luxus haben möchte, bezahlt sogar mehr als 140 000 Dollar. Haydn Sonnad wollte zu seinem 16. Geburtstag vor zwei Jahren unbedingt so ein Gefährt haben, doch seine Eltern teilten ihm mit, dass er sich das gefälligst selbst verdienen müsse. "Ich habe dann einen Deal gesehen, bei dem ich das Fahrzeug drei Monate lang leasen konnte", sagt Sonnad: "Ich dachte mir, dass ich für Miete und Versicherung dadurch aufkommen könnte, indem ich Leute den Sommer über von Los Angeles nach Las Vegas chauffiere."

Ein paar Wochen später gründete er aus dieser Idee heraus gemeinsam mit seinem Vater Rahul die Firma Tesloop, die mittlerweile ein Netzwerk in Südkalifornien bedient, im Herbst vergangenen Jahres zu den Finalisten des Gründerwettbewerbs "Global Change the World" gehörte und kürzlich bei der ersten Finanzierungsrunde einen siebenstelligen Betrag einsammelte. Das Unternehmen ist deshalb so interessant, weil es zwei aktuelle Probleme des Personentransports thematisiert und beinahe nebenbei eine Lösung für ein künftiges Problem anbietet. Das klingt gar nicht so schlecht für einen jungen Mann, der in ein paar Wochen seinen 19. Geburtstag feiern wird und derzeit auf einen Studienplatz an einer Elite-Universität hofft.

"Wir können die Fahrzeuge mit Kosten von weniger als zehn Cent pro Meile betreiben."

Tesloop ist, vereinfacht ausgedrückt, eine Mischung aus Ride-Sharing-Angebot und Busunternehmen. Wer zum Beispiel von Los Angeles zum Tennisturnier ins 220 Kilometer entfernte Indian Wells möchte, der sucht auf der Webseite oder in der App nach freien Plätzen auf einer Fahrt. Im konkreten Fall ist der Treffpunkt zwei Kilometer von der eigenen Wohnung, die günstigste Haltestelle am Zielort 500 Meter von der Tennisanlage entfernt. Die einfache Fahrt dauert knapp zweieinhalb Stunden und kostet 69 Dollar. Von daheim aus - man muss ja mit Taxi oder Fahrgemeinschaft zum Abfahrtort gelangen und nach der Ankunft zur Anlage laufen - sind es dreieinhalb Stunden und 81 Dollar.

Ein kurzer Vergleich im Internet ergibt: Eine Flugreise würde alles in allem viereinhalb Stunden dauern und 274 Dollar kosten. Wer selbst mit dem Auto fährt, der braucht knapp drei Stunden und muss laut Kostenrechner der Vereinigung American Automobile Association inklusive Verschleiß und Parkgebühren rund 76 Dollar bezahlen.

Das Unternehmen profitiert in Kalifornien vom überaus engen Ladenetz. "Wir können die Fahrzeuge mit Kosten von weniger als zehn Cent pro Meile betreiben", sagt Sonnad. Die Fahrt von Los Angeles nach Indian Wells kostet Tesloop aufgrund einiger Vergünstigungen von Tesla erst einmal 22 Dollar. Wenn alle vier Sitze belegt sind, nimmt das Unternehmen 276 Dollar ein. Mittlerweile gibt es mehr als 12 000 Kunden, die den Service mehr als drei Mal genutzt haben.

Es geht um Effizienz auf den Zwei-bis-Vier-Stunden-Strecken, von denen es so viele gibt

Derzeit verbindet Tesloop Großstädte im Südwesten der Vereinigten Staaten, also etwa Los Angeles mit San Diego oder Las Vegas, es gibt Zusteigemöglichkeiten in kleineren Orten wie etwa Long Beach, Palm Springs oder Oceanside. Es geht um Effizienz auf diesen Zwei-bis-Vier-Stunden-Strecken, von denen es so viele gibt in den USA: Chicago - Detroit. Cincinnati - Indianapolis. Portland - Seattle. Es gibt diese Strecken zuhauf auch in Deutschland (München - Frankfurt, Leipzig - Berlin, Dortmund - Hannover), jedoch gibt es dort - bei allen Schmähungen - ein effizientes Bahn-Netzwerk.

In den USA experimentieren sie gerade mit Hochgeschwindigkeitszügen (die Kosten für den sogenannten "Bullet Train" zwischen Los Angeles und Kalifornien sind gerade auf 77,3 Milliarden Dollar gestiegen, das erste Teilstück soll nicht vor 2029 befahrbar sein). Tesla-Gründer Elon Musk möchte - wenn er mal nicht Flammenwerfer feilbietet oder einen Roadster ins Weltall schickt - für eben diese Strecken das Kapsel-Transportsystem Hyperloop entwickeln, zudem bastelt er mit The Boring Company an einem unterirdischen Netzwerk für Autos und Züge. Auf der Technologiemesse CES in Las Vegas wurden kürzlich Elektrodrohnen vorgestellt, die Passagiere in einer Art fliegendem Taxi von einem Ort zum anderen bringen sollen. Das klingt alles logisch und sinnvoll, nach einer Überprüfung auf Machbarkeit klingt es aber auch arg futuristisch. Es braucht eine Lösung für die nahe Zukunft.

"Der Personentransport wird sich in den kommenden zwei Jahren drastisch verändern", sagt Sonnad. Sein kurzfristiger Vorschlag für die Mittelstrecke ist freilich sein eigenes Unternehmen, er möchte darüber noch ein weiteres Problem lösen, über das derzeit heftig debattiert wird: Ist das nicht höchst ineffizient, dass viele Autos die meiste Zeit über einfach nur irgendwo rumstehen? Wäre es nicht sinnvoll, ganz der Immobilien-Vermietungs-App Airbnb zufolge, sein unbenutztes Elektrofahrzeug zu vermieten und nebenher Geld zu verdienen?

"Wenn ich ein Fahrzeug per Fernsteuerung aufsperren, verfolgen und auch aufladen kann, dann kann ich es auch anderen Leuten zur Verfügung stellen", sagt Haydn Sonnad. Er prognostiziert, dass es ein Angebot zum Autoteilen noch in diesem Jahrzehnt geben wird. Über 5G, die fünfte Generation der mobilen Datenübertragung, werden sich enorme Datenmengen rasend schnell übermitteln lassen, Fahrzeuge ließen sich dadurch über eine App steuern und der Nachfrage entsprechend zuordnen.

Bleibt ein Problem, und das ist auch der Grund, warum Tesloop auf der Fahrt von Los Angeles nach Indian Wells nur 276 Dollar einnimmt und warum die Fahrt das Unternehmen freilich mehr kostet als die eben erwähnten 22 Dollar für Aufladen und Verschleiß: Da sitzt noch immer ein Fahrer im Auto, der sich andauernd nach dem Befinden erkundet, immer wieder Gratis-Energieriegel anbietet und auf den kostenfreien Internetzugang verweist. Ende Februar hat Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, demzufolge von April an selbstfahrende Autos ohne Insassen auf öffentlichen Straßen erlaubt sein werden. Was es braucht: einen Aufseher, der im Notfall per Fernsteuerung eingreifen kann.

Sonnad glaubt, dass der nächste Schritt ein selbstfahrendes Auto mit Passagieren sein wird, das von einem Supervisor beaufsichtigt wird. Tesloop könnte dann auch den Fahrersitz vermieten. "Schon jetzt können Menschen immer mehr Strecken in einem automatisierten Fahrzeug absolvieren", sagt Sonnad, der sich in dem Jahr seit seinem High-School-Abschluss ums Marketing und den Ausbau des Tesloop-Netzes gekümmert hat. Im Herbst soll sein Studium beginnen; es ist in den USA üblich, von seinen Eltern zum Abschluss ein Geschenk zu erhalten. Es ist ziemlich spannend, was er sich wünschen wird.

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