Mobilfunk:Die Roaming-Posse

Die EU-Kommission gibt ihre Pläne auf Druck von EU-Präsident Juncker auf und verspricht: Die Gebühren fallen nun doch komplett weg. Dafür entstehen neue Hürden. Die Kunden dürften trotzdem davon profitieren.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Die Kritik war heftig, und so blieb EU-Digitalkommissar Günther Oettinger nichts anderes übrig als das zu tun, was sein Behördenchef Jean-Claude Juncker verfügte: Die Roaming-Gebühren sollen wegfallen, und zwar komplett. Am Mittwoch legte Oettinger zusammen mit seinem Kollegen Andrus Ansip einen überarbeiteten Vorschlag vor: Wer sein Smartphone im Ausland nutzt, soll von Mitte 2017 an nun doch keine zeitlich begrenzten Roaming-Gebühren zahlen müssen.

Es ist eine politische Kehrtwende, die die Brüsseler Behörde vorführt. In ihrem ersten Vorschlag hatte die Kommission vorgesehen, dass Nutzer, die länger als 90 Tage im Ausland unterwegs sind, Roaming-Gebühren zahlen sollten. Nach starker Kritik von Verbraucherschützern und Europaparlamentariern ließ Juncker den Plan überarbeiten. Nun soll es keine zeitliche Obergrenze mehr geben. Dafür erhalten Mobilfunk-Konzerne das Recht, Kunden bei Missbrauch abzumahnen und Gebühren zu verlangen, wenn sich ein Nutzer etwa eine günstige Sim-Karte im Ausland besorgt, um sie dauerhaft zu Hause zu verwenden.

Der neue Plan basiert auf dem Wohnortsprinzip, Nutzer müssen also eine "festen Verbindung" zu einem EU-Staat nachweisen. Dazu gehört etwa, oft dort anwesend zu sein, wo der Mobilfunk-Anbieter seinen Sitz hat. "Wir haben derzeit sehr unterschiedliche Telekommunikationspreise in der Europäischen Union", sagte Digitalkommissar Oettinger. "Die Telekommunikationspreise in Lettland etwa sind um ein sechseinhalbfaches niedriger als die von Irland. Also könnte geschäftsmäßig ein Missbrauch dadurch betrieben werden, dass man Sim-Karten aus Lettland in Irland vertreibt, und der Ire in Dublin nach Dublin telefoniert zu Preisen, die in Lettland bestehen."

Anbieter von Telekommunikationsdiensten sollen daher einschreiten können, wenn ein Nutzer sich in seinem Heimatland aufhält, aber dennoch dauerhaft auf günstigere Roaming-Tarife aus dem Ausland zurückgreift. "Wenn jemand nachhaltig mit einer Sim-Karte telefoniert, ohne jemals am Ort dieses Gebührenmarktes zu sein, dann bekommt die Telekom-Company das Recht, ihn abzumahnen, ihn anzuhören, was die Gründe dafür sind", sagte Oettinger. Dienst- und Urlaubsreisen sollen aber unbegrenzt ohne Roaming-Zuschläge möglich sein. Der Europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte den neuen Plan. "Es sind gute Nachrichten, dass die Zeit-Begrenzung beim Roaming fallengelassen wurde", sagte Beuc-Generaldirektorin Monique Goyens.

Auch aus dem Europäischen Parlament gab es überwiegend positive Reaktionen. "Die EU hält ihr Versprechen an die Nutzer", sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, Herbert Reul. Die Idee von Schutzklauseln scheine auf den ersten Blick ebenfalls sinnvoll, dürfe aber nicht dazu führen, dass Unternehmen nun zur "Roaming-Polizei" würden. Constanze Krehl, telekommunikationspolitische Sprecherin der SPD, hob hervor, "dass auch Erasmus-Auszubildende und -Studierende künftig keine Roaming-Gebühren mehr zahlen müssen, die ja meist mehrere Monate im EU-Ausland leben".

Michel Reimon, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kritisierte hingegen den Vorschlag der Kommission: "Die Telekommunikationsanbieter können nun entscheiden, ob ihre Kunden im europäischen Ausland unverhältnismäßig viel telefonieren oder Streaming-Dienste nutzen und Strafzahlungen einfordern." Oettinger erteile den Unternehmen die Vollmacht, zu bestimmen, wie viel ihre Kunden in der EU kommunizieren dürfen. "Mit freiem Roaming hat das nichts zu tun."

Bei der Deutschen Telekom hieß es, man wolle vor einer Stellungnahme erst die konkreten Vorschläge aus Brüssel abwarten. Der endgültige Vorschlag soll nun im Dezember angenommen werden. Zuvor sind Beratungen mit der europäischen Regulierungsbehörde Berec, den EU-Staaten sowie Mobilfunk-Unternehmen geplant.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: