Mobilfunk:Das Preis-Paradoxon

Handy-Anrufe und SMS ins Ausland seien zu teuer, sagen Verbraucherschützer. Schuld sei eine Gesetzeslücke nach dem Ende der Roaming-Gebühr.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Wer einen Bekannten aus dem EU-Ausland anruft, etwa einen in Frankreich lebenden Kollegen, der steht vor einem Preis-Paradoxon: Ruft er mit dem Handy in Deutschland den Bekannten unter dessen Auslandsnummer an, drohen saftige Aufschläge auf den üblichen Tarif. Wenn er aber ins EU-Ausland fährt, beispielsweise nach Österreich in den Urlaub, kann er dort mit seiner deutschen SIM-Karte unbekümmert in die ganze EU telefonieren. Denn Letzteres darf nicht teurer sein als ein gewöhnlicher Inlandsanruf. So schreibt es seit einem halben Jahr die Roaming-Verordnung der EU vor. Sie gilt allerdings nicht für Anrufe aus dem Inland.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) kritisiert diese "erhebliche Lücke" in den Regeln. Es brauche zusätzliche Vorschriften, um diese "Geldschneiderei der Telekommunikationsunternehmen" zu unterbinden, sagte VZBV-Chef Klaus Müller nun der dpa. Er unterstütze einen entsprechenden Richtlinien-Vorschlag, der derzeit in Brüssel diskutiert werde.

Seit Juni 2017 dürfen Handy-Anrufe und SMS vom EU-Ausland in die Mitgliedsstaaten nicht mehr kosten als die jeweiligen Tarife im Inland. Diese Vorschrift nützt Touristen und Geschäftsreisenden.

Es sei aber eine "merkwürdige Situation" eingetreten, kritisiert Müller: Handy-Anrufe aus Deutschland ins EU-Ausland seien im Schnitt weiterhin teurer als Inlandstelefonate - teils "um ein Vielfaches". Dies sei "eine Gelddruckmaschine" für Telekommunikationskonzerne.

Der Europäische Verbraucherverband BEUC berichtet, dass Mobilfunkanbieter im Schnitt knapp 60 Cent pro Minute für einen Anruf aus dem Inland in das EU- Ausland berechnen. In der Spitze beobachten die Verbraucherschützer Preise von 1,99 Euro pro Minute. Den Anbietern koste es aber im Schnitt nur 1,4 Cent, die Anrufe durchs Netz zu leiten. Der BEUC kritisiert diese durchschnittliche Gewinnmarge von 5000 Prozent. Die Bundesnetzagentur sieht hierzulande eine Preisspanne von etwa 30 Cent bis zu einem Euro pro Minute.

Vom Wegfall der Roaming-Gebühren profitiert nur, wer im EU-Ausland telefoniert

Eine SMS ins EU-Ausland koste die Kunden im Schnitt 24 Cent, teilt der BEUC mit, bei Durchschnittskosten für die Unternehmen von nur 2,2 Cent.

Mobilfunkanbieter entgegnen, dass sie Kunden mit vielen Auslandskontakten günstige Minutenpakete anbieten. "Auch in vielen höherwertigen Business-Tarifen sind Anrufe ins EU-Ausland längst enthalten", sagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten. "Fakt ist, dass dem Mobilfunkanbieter durch die Nutzung ausländischer Netze Kosten entstehen." Grützner warnt vor einem Wasserbett-Effekt: Würden die Erlöse mit Auslandstelefonaten gesenkt, müssten die Firmen andere Tarife erhöhen.

Auch die Deutsche Telekom weist die Forderung nach schärferen Regeln zurück. "In Deutschland stehen Milliarden-Investitionen in die Breitbandinfrastruktur an", sagt ein Sprecher. Da gehe es "völlig in die falsche Richtung", weitere Preissenkungen vorzuschreiben. Telekommunikation sei bereits deutlich günstiger geworden.

Seitdem die Roaming-Gebühren in der EU weggefallen sind, steigen die Umsätze der Mobilfunkanbieter zwar spürbar schwächer. Vielerorts zeigt sich allerdings auch, dass Reisende nun mehr telefonieren und mehr mobile Daten verschicken.

Langfristig dürfte der Ärger über das Preis-Paradoxon ohnehin abflauen: Je mehr kostenfreies Wlan auch im Ausland zur Verfügung steht, je mehr Sprachnachrichten die Menschen über Messenger-Dienste wie WhatsApp verschicken, und je mehr Video-Telefonate die Nutzer etwa per Skype führen, desto unabhängiger werden sie vom klassischen Anruf. Es gibt also längst Wege, die "Geldschneiderei" zu umgehen.

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