Mittwochsporträt:Aufgetaucht

Als der Milliardär Guo Guangchang kürzlich auf mysteriöse Weise verschwand, war die Aufregung groß. Dann kam er zurück und kaufte als erster Chinese eine deutsche Bank. Das ist wohl nur der Anfang.

Von Christoph Giesen und Markus Zydra

Wo ist Guo Guangchang? Für ein paar Tage war das im vergangenen Dezember die wichtigste Frage, die Chinas Geschäftswelt umtrieb. Begonnen hatte das Rätselraten, nachdem Guos Mischkonzern, die Fosun Group, mitteilte, dass man den Kontakt zum Aufsichtsratschef verloren habe. Hatte Guo bloß sein Handy ausgeschaltet, oder saß der Milliardär im Gefängnis? Rasch wurde über eine mögliche Verhaftung wegen Korruption spekuliert, schließlich betreibt die Kommunistische Partei eine nie da gewesene Kampagne gegen Schmiergeld und Bakschisch im Land. In Chinas sozialen Netzwerken machte das Gerücht die Runde, der jetzt 49-Jährige sei am Flughafen in Shanghai abgeführt worden.

Am nächsten Morgen entschied sich die Hongkonger Börsenaufsicht, die Aktien von Fosun International, dem Investmentarm der Gruppe, und einer Pharma-Tochter vom Handel auszunehmen. Die Börse in Shanghai stoppte ebenfalls den Verkauf von Aktien weiterer Konzerntöchter. Auch in Deutschland war die Aufregung groß, schließlich schickte sich Fosun gerade an, die Privatbank Hauck & Aufhäuser in Frankfurt zu kaufen.

Guo Guangchang ist längst wieder aufgetaucht, am Montag dieser Woche sitzt er in einem Konferenzraum von Hauck & Aufhäuser in Frankfurt und trinkt Tee. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt in Deutschland. Die Bank gehört ihm inzwischen. Für 210 Millionen Euro hat Fosun das Geldhaus gekauft. Damit ist erstmalig ein deutsches Kreditinstitut mehrheitlich in chinesischem Besitz. Am Morgen war Guo am Main joggen. Ein Freund hat ihm erzählt, dass der Fluss viel sauberer sei als früher. "Mit der Zeit wird auch in China der Umweltschutz besser werden", sagt Guo. Ein Fernsehteam aus der Heimat folgt ihm auf dieser Reise nach Deutschland.

Was genau damals vor zehn Monaten vorgefallen ist, darüber möchte Guo nicht sprechen. Er lächelt kurz, dann schüttelt er bestimmt den Kopf: "Kein großes Ding in China" sei das gewesen. "Keine Verhaftung", sondern eine "Kooperation" mit den chinesischen Behörden. Dennoch: Drei Tage dauerte die Ungewissheit. Fosun-Aktionäre verloren dadurch Millionen.

Hier in Frankfurt antwortet Guo auf Chinesisch, wenn man ihn auf Deutsch oder Englisch anspricht. Er hat eine Übersetzerin dabei. Guo redet, pausiert, die Übersetzerin legt los. Das gibt einen Vorgeschmack auf die künftigen Aufsichtsratssitzungen von Hauck & Aufhäuser. Die beiden Mitglieder aus China werden chinesisch sprechen. Ein Dolmetscher sitzt immer am Tisch.

Mittwochsporträt: Pool-Szene im Club Med im chinesischen Sanya. Das Tourismus-Unternehmen gehört seit 2015 zum Fosun-Reich.

Pool-Szene im Club Med im chinesischen Sanya. Das Tourismus-Unternehmen gehört seit 2015 zum Fosun-Reich.

(Foto: Nicolas Asfouri/AFP)

Hauck & Aufhäuser blickt auf 220 Jahre Bankgeschäft zurück. Das Institut entstand aus der Fusion der Frankfurter Privatbank Hauck, die 1796 gegründet wurde, und des Münchner Geldhauses Aufhäuser, dessen Anfänge auf das Jahr 1870 zurückgehen. Die Bank ist klein und gibt sich fein. Mithilfe der chinesischen Geldgeber will man wachsen, womöglich weitere deutsche Banken dazu kaufen. Unter chinesischer Führung soll die Rendite nach Steuern von 4,5 auf 15,4 Prozent steigen. "Das ist das langfristige Ziel", sagt Guo. "Wir hoffen auf eine Brücke zwischen Deutschland und China, für chinesische und deutsche Kunden, vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen brauchen Hilfe", sagt er. Wie weit ist man dabei schon? Gibt es bereits eine Hauck & Aufhäuser-Website auf Chinesisch? Guo lacht: "Die ist noch 'under construction'." Wie die gesamte Firmengruppe, ja auch wie Guos Lebenslauf selbst. Alles ist im Fluss.

Geboren wurde Guo Guangchang 1967 während der Kulturrevolution. Er wuchs als Kind einer Bauernfamilie in der Ostküstenprovinz Zhejiang auf. Zum Studium ging er nach Shanghai und schrieb sich dort an der Fudan-Universität für Philosophie ein. Das Wirtschaftsstudium folgte. 1992 gründete er mit drei ehemaligen Kommilitonen eine Marktforschungsfirma. Auf Chinesisch nannten sie das Unternehmen "Fuxing", die "Sterne von Fudan", eine Hommage an ihre Uni. Für die lateinische Umschrift wählten sie den Namen Fosun. Startkapital: 39 000 Yuan, heute hantiert das Unternehmen mit 400 Milliarden Yuan und ist zu einem weitverzweigten Mischkonzern geworden.

Für chinesische Verhältnisse gilt Guos Firma Fosun als transparent

Als die Regierung in Peking in den Neunzigerjahren eine Branche nach der anderen liberalisierte, war Fosun immer dabei: im Pharmasektor, in der Immobilienbranche und in der Stahlindustrie. Auch die Medien in der Volksrepublik wurden recht bald auf Guo aufmerksam; in den Klatschspalten ging es um seine Ehe mit einer Shanghaier Fernsehmoderatorin, und in den Wirtschaftsteilen nannten sie ihn den "chinesischen Warren Buffett". Sie stellten ihn als einen Mann dar, der immer das richtige Gespür für Investitionen habe wie der Amerikaner, aber auch, weil sein Geschäftsmodell dem von Buffett nicht unähnlich ist. Beide, Buffett und Guo, stecken die Erträge aus dem Versicherungsgeschäft in Investitionen in der Konsumgüterindustrie.

Fosun Group Founders Guo Guangchang, Liang Xinjun and Wang Qunbin Interview

Der Fosun-Chef Guo Guangchang will den britischen Pauschal- reiseveranstalter Thomas Cook wieder auf Kurs bringen. Guo Guangchang ist bereit, frisches Geld zuzuschießen. Zudem soll das Unternehmen drastisch entschuldet werden.

(Foto: Giulia Marchi/Bloomberg)

Früh hatte sich Fosun bei Versicherungen eingekauft und damit Zugriff bekommen auf das Geld, das die Gesellschaften für ihre Kunden anlegen, um zum Beispiel eine ordentliche Rendite für eine Lebensversicherung zu erwirtschaften. Dieses Geld setzt Fosun für Zukäufe und Beteiligungen ein. Zuerst vor allem in China, inzwischen aber auf der ganzen Welt. Beim Modelabel Tom Tailor in Hamburg ist Fosun eingestiegen, genauso wie beim französischen Ferienkonzern Club Med, beim Reiseveranstalter Thomas Cook oder aber bei Hauck & Aufhäuser. Etwa 30 Milliarden Dollar, schätzt der Economist, hätten Guos Übernahmen bisher gekostet.

Jemand, der Guo Guangchangs Aufstieg von Anfang an beobachtet hat, ist der Brite Rupert Hoogewerf, den in China alle nur Hu Run nennen. Vor knapp zwanzig Jahren heuerte er zwei Studenten an, verzog sich mit ihnen für drei Monate in einer Bibliothek in Shanghai und recherchierte Chinas erste Reichenliste. 50 Namen kamen damals zusammen. Seitdem legt Hoogewerf jährlich seine Liste vor, den Hurun-Report. Bereits auf einer der ersten Listen tauchte Guo auf. Laut der jüngsten Schätzung liegt sein Vermögen bei 6,6 Milliarden Dollar. "Er ist sehr ehrgeizig", sagt Hoogewerf. "Keine Ruhepausen. Er will immer weiter mit seiner Firma." Seinen Erfolg, sagt Hoogewerf, habe Guo auch seinem exzellenten Netzwerk zu verdanken. So ist Guo Kopf der Vereinigung der Geschäftsleute aus Zhejiang, ein mächtiger Bund in Shanghai. Auch politisch ist er bestens verdrahtet und sitzt in mehreren Beratergremien der Kommunistischen Partei. Ob ihn diese Nähe zur Politik vor einem Jahr in Schwierigkeiten gebracht hat, oder aber seine Karriere gerettet hat, das weiß nur Guo selbst.

Unstrittig ist jedoch, dass Fosun so früh und breit wie kein anderes chinesisches Unternehmen im Ausland investiert hat - lange bevor Chinas Führung ihre "Made in China 2025"-Strategie vorgestellt hat, die zur jüngsten Übernahmewelle wie etwa des Roboterherstellers Kuka oder des Halbleiterzulieferers Aixtron geführt hat.

Wie so viele andere chinesischen Konzerne ist auch Fosun ein weitverzweigtes System aus Gesellschaften, manche davon sind an der Börse gelistet, andere werden als GmbHs geführt, dazu etliche Briefkastenfirmen in Steueroasen. Dennoch sagt Hoogewerf: Für chinesische Verhältnisse sei Guos Firmengeflecht sogar relativ transparent. "Ich würde ihn und sein Unternehmen als einen Blue Chip bezeichnen." Mit dazu gehört jetzt auch Hauck & Aufhäuser.

Am Abend findet im Frankfurter Palais Thurn und Taxis der offizielle Empfang zur Übernahme statt. Das Gebäude beherbergte im 18. Jahrhundert die Hauptverwaltung der Kaiserlichen Reichspost. Doch statt Haydn oder Mozart erklingt diesmal traditionelle chinesische Musik, auf der Bühne führen Tänzer den Löwentanz auf - das Ritual soll in China Glück bringen für das neue Jahr, aber eben auch für die neue gemeinsame Aufgabe. Guo verbeugt sich nach dem Tanz. "Wir sind stolz, dass Hauck & Aufhäuser Teil der Fosun-Familie wird", sagt der Mann, den einmal halb China vermisst hat. Er hat noch viel vor.

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