Mittwochsporträt:Einfach nur Ja sagen

Daniel Goldscheider will es Kunden leichter machen, im Internet Verträge abzuschließen - ohne dafür Daten bei den amerikanischen IT-Konzernen zu hinterlassen. Dafür hat er Yes gegründet.

Von Andrea Rexer, Wien

Es passiert häufig, dass Menschen banale Antworten auf tief gehende Fragen geben. Bei Daniel Goldscheider ist es verlässlich anders herum. So etwa bei der Frage, warum er als Wiener in der Schweiz lebt. Da könnte er auf die schönen Berge verweisen. Oder auf die niedrigen Steuern. Aber Goldscheider macht sich Gedanken über das Staatswesen: Am besten organisiert seien bekanntermaßen Singapur und die Schweiz, erklärt er - und bei der Auswahl lebe er nun mal lieber in einer Demokratie. Er grinst spitzbübisch und trinkt einen Schluck von einem Früchte-Smoothie.

Wenn man den schlaksigen Mann mit dem wachen Blick so im geschäftigen Gewusel eines Wiener Kaffeehauses beobachtet, ahnt man nicht, dass er einer der umtriebigsten österreichischen Gründer und Investoren ist: Er ist unauffällig gekleidet, weder gestikuliert er wild, noch spricht er laut, oder macht ständig auf seine Erfolge aufmerksam, wie das die junge Generation der Gründer gern macht. Goldscheider ist vielmehr ein Vertreter jener Generation von Gründern, die in der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre ihre Lektion gelernt haben - und die das Gründen trotzdem nicht sein lassen können. Viele von ihnen sind im aktuellen Gründungsboom wieder aktiv, die meisten allerdings nur als Investoren oder als "Business Angels", wie sich die Förderer von Start-ups gern nennen. Daniel Goldscheider aber ist einer, der jetzt wieder mit einer eigenen Geschäftsidee in der Gründerszene mitmischt.

Einem breiteren Publikum wurde der heute 44-Jährige in Österreich bekannt, als ein Gesetz inoffiziell nach seinem Unternehmen benannt wurde. "Lex Lotello" nannte die österreichische Presse jenen Zusatz im Glücksspielgesetz, der Goldscheiders Idee zunichte machte - nach monatelangem öffentlichen Tauziehen zwischen Politik, staatlichen Casinos und dem Gründer. "Für mich war das Ganze eigentlich ein soziales Experiment: Werden Leute für andere Lotto spielen?", sagt er zurückblickend. Denn das war die Lücke, die er im Regelwerk entdeckt hatte: Als Glücksspiel war Lotto nur dann reguliert, wenn der Spieler selbst Gewinnabsichten hegte. Die Idee von Lotello aber war, die Handynummer eines Freundes anzugeben, damit der die Chance hat, Millionär zu werden. Dafür hat Goldscheider viel Kritik einstecken müssen.

Sein neuestes Unterfangen hat ebenfalls mit Regulierung zu tun. Diesmal geht es jedoch nicht um Glücksspiel, sondern um die Welt der Banken. Und es bringt Goldscheider nach Deutschland. Sein Start-up Yes hat eine Niederlassung in Hoffnungsthal bei Köln eröffnet. Knapp 50 Mitarbeiter zählt es bereits. Und die ersten großen Kooperationspartner sind auch schon fix: Die Sparkassen wollen den Yes-Button integrieren und Gerüchten zufolge steht eine weitere Banken-Gruppe bereits in den Startlöchern. Zudem kooperiert Yes mit dem Zahl-Terminal-Anbieter Ingenico.

CeBIT Besucher vor Leinwand

Ein offenes Buch? Daten im Internet vor dem Zugriff Fremder zu schützen, ist ein zentrales Anliegen der Banken.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Warum ausgerechnet die Banken? Bei der banalen Frage, was Geldhäuser besonders gut können, kommt Goldscheider nicht etwa auf die Idee, dass diese besonders gut mit Geld umgehen könnten. Stattdessen fällt ihm auf, dass Banken am besten mit sensiblen Daten umgehen können. "Anders als ein Online-Händler kennt die Bank die Identität ihrer Kunden ganz genau", sagt er. Wer ein Konto eröffnet, muss schließlich einen stark regulierten Konto-Eröffnungsprozess durchlaufen und den Ausweis vorlegen. Dadurch steckt hinter jedem Bank-Account im Internet eine justiziable, also eindeutige und rückverfolgbare Identität. Und Banken würden zudem jede Menge weiterer Daten kennen: durch die Kontobewegungen oder Geschäftsbeziehungen etwa. "Viele Banken haben noch nicht erkannt, welchen Schatz sie da haben", sagt Goldscheider. Mit seinem Start-up Yes will er den Banken helfen, diesen Schatz zu heben. Und gleichzeitig deren Kunden helfen.

Der Anstoß kam durch neue Regulierungen, sowohl für die elektronische Identifikation, als auch für die Banken selbst. Die neue europäische Zahlungsdiensterichtlinie (PSD 2) verlangt, dass die Institute Kundendaten mit deren Einverständnis an Dritte weitergeben müssen. Wenn schon Daten aufbereitet werden müssen, warum dann nicht so, dass die Bank auch etwas davon hat? "Die Basisdaten müssen kostenlos geliefert werden, aber Banken wissen noch viel mehr über ihre Kunden. Damit könnten sie Geld verdienen", sagt Goldscheider. Würden die Banken klug mit ihren Daten umgehen, müssten sie keine Angst vor der Regulierung haben. Diese zusätzliche Vermarktung der Daten ist das Geschäft von Yes.

"Mein Traum ist es, dass meine Kinder bei ihrer Hochzeit nicht mehr unterschreiben müssen."

Die Kernidee: Kunden sollen ihren Bank-Login benutzen können, um sich überall im Internet ausweisen zu können. Sie könnten damit etwa Versicherungen oder Telefonverträge abschließen. Und das Ganze soll unkompliziert, ohne viele Daten und Passwörter funktionieren, indem der Kunde einfach auf den Button "Yes" klickt.

Einfach nur "Ja" sagen. Dahinter steckt eine Vision. "Mein Traum ist es, dass meine Kinder bei ihrer Hochzeit nicht mehr unterschreiben müssen", sagt Goldscheider und lacht. Und ernsthafter gedacht, will er alle rechtsverbindlichen Geschäfte über diesen einen Button möglich machen. Vielleicht funktioniert es sogar global, hofft er. Realistisch sei das, weil Kontobesitzer keinen zusätzlichen Aufwand hätten, sie müssen sich nirgends zusätzlich registrieren. Für Unternehmen und Banken wird Yes die Schnittstelle kostenlos zur Verfügung stellen. Verdienen will Yes über Zusatzleistungen. Etwa, wenn Banken mehr als nur die gesetzlich vorgeschriebenen Daten weitergeben wollen.

Der Firmennamen Yes stammt noch aus der Dotcom-Zeit. Yes entstand Ende der 1990er-Jahre aus einer Geschäftsidee rund um den damals aufgekommenen Teletext. "Es wäre doch super, wenn man das Lied, das gerade als Musikvideo läuft, kaufen könnte", dachte sich Goldscheider damals. Er wollte einen Button mit der Aufschrift "Yes" auf der Fernsehbedienung einführen, mit der so etwas möglich sein sollte. Nun, zwanzig Jahre später, will er den Button (der sich damals nicht durchsetzte) im Internet einführen.

Mittwochsporträt: Gründer aus Leidenschaft: Daniel Goldscheider hat schon viele Ideen umgesetzt.

Gründer aus Leidenschaft: Daniel Goldscheider hat schon viele Ideen umgesetzt.

(Foto: Bill Lorenz)

Damals hat Goldscheider die Uni geschmissen, weil er den Eindruck hatte, dass man beim Auswendiglernen im Wirtschaftsstudium kaum etwas Brauchbares für das Berufsleben lernt. Mehr gelernt habe er von seinem Vater. Oder "vom Papa", wie er mit Wiener Klang in der Stimme sagt. Daniel Goldscheider kommt aus einer Familie mit langer Tradition. Die jüdische Dynastie hat einst wertvolle Porzellanfiguren hergestellt, die weltweit bei Auktionen gehandelt wurden. Der Zweite Weltkrieg setzte der Manufaktur ein abruptes Ende. Nicht aber dem Geschäftssinn der Goldscheiders.

Daniels Vater Peter hat die Investmentgesellschaft Epic gegründet, er hat exzellente Kontakte - vor allem nach Süd- und Osteuropa. "Ich hab unendlich profitiert vom Papa", sagt der Sohn. Schon die ersten Geschäftsideen habe er mit ihm durchgesprochen - und sie trotzdem ausprobiert, auch wenn der Vater so manche Idee mit einem lakonischen "Na, die werden auf dich gewartet haben", kommentiert hatte. Sein erstes Unternehmen gründete Daniel Goldscheider im Alter von 16 Jahren, es ging um Bildung. "Das war aber nicht erfolgreich", sagt er lachend. Erfolgreicher war er später im Finanzmetier: Wie sein Vater kauft und verkauft er für Wohlhabende Firmenbeteiligungen und zog in die Schweiz.

Aber was ist überhaupt Erfolg für einen, der aus einer solchen Unternehmerfamilie kommt? "Ich finde, man muss bei Erfolg den Nettowert nehmen", sagt Goldscheider. "Bei mir muss man die guten Startbedingungen abziehen." Und dann erzählt er von einer Schulfreundin, die in einem Kinderheim aufgewachsen sei und heute erfolgreiche Unternehmensberaterin sei. "Sie ist viel erfolgreicher als ich", sagt er nachdenklich.

Der Vergleich könnte anders ausgehen, wenn seine Yes-Idee zündet.

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