Mittwochsporträt:Druckvoll unverkrampft

WIR

Henkel versus Adidas, Anzug versus Pulli – zweimal Kasper Rorsted. Der Däne wechselte nicht nur den Job und wurde Chef beim Sporthersteller, sondern auch sein Image.

(Foto: Simon Dawson/bloomberg; Matthias Ferdinand Döring)

Adidas-Chef Kasper Rorsted ist bald zwei Jahre im Amt und kann - auch Dank seines Vorgängers - glänzende Zahlen präsentieren. Über einen Mann, der den Tonfall im Unternehmen änderte und das Tempo ständig erhöht.

Von Uwe Ritzer

Freunde, das kann man in jedem Fall sagen, hat Kasper Rorsted bei Adidas keine. Zwar duzt der 56-Jährige dort jeden, und jeder duzt ihn. Für Skandinavier ist das üblich, und gleich am ersten Arbeitstag in Herzogenaurach, als sein Vorgänger Herbert Hainer ihn den Mitarbeitern vorstellte, bot der Däne Rorsted allen das Du an. Nun gehen sie bei dem Sportartikelhersteller aus Prinzip locker miteinander um. Das Duzen ist aber allein deshalb ungewöhnlich, weil dieser Chef ein Mantra hat: "Be always friendly but not friend".

Freundschaften mit Untergebenen, das geht gar nicht, findet Kasper Rorsted. Das hat der Professorensohn aus Aarhus bei früheren Jobs in der Computerbranche (Compaq, Hewlett Packard) und beim Konsumgüterkonzern Henkel gelernt. Ist der Chef mit einem Mitarbeiter befreundet, fühlen sich andere zurückgesetzt. Und was, wenn einer ein Superkumpel, in seiner Arbeit aber miserabel ist? Oder umgekehrt, im Job hui, menschlich pfui? "Ein Chef muss alle gleich fair behandeln", sagt Rorsted. Also keine Freundschaften bei Adidas.

Zwei Monate hat er sich als Vorstand ohne Geschäftsbereich warmgelaufen, mit Hainer als Personal Trainer, ehe der ihm am 1. Oktober 2016 die Spitzenposition beim nach Nike zweitgrößten Sportartikelhersteller überließ. Seither fährt Rorsted doppelgleisig. Er setzt zum einen die Strategie um, die Hainer noch dem Konzern nach dem Pannenjahr 2014 verpasst hat. Um schneller, wendiger und begehrter zu werden, vor allem auf dem größten, dem nordamerikanischen Markt, konzentriert Adidas Entwicklung und Marketing seither auf sechs Mega-Cities: New York, Paris, Shanghai, London, Tokio und Los Angeles. "Dort entstehen die globalen Trends und eine Marke, die dort erfolgreich ist, schafft es in der ganzen Welt", sagt Vertriebsvorstand Roland Auschel.

Kaum im Amt, hat Rorsted darüber hinaus das Tempo erhöht und eigene Akzente gesetzt. Er verkaufte die schwächelnde Golfsparte Taylormade und die Hockeymarke CCM. Er trieb die Digitalisierung an und forciert das Internetgeschäft, zum Leidwesen des deutschen Fachhandels. Er verordnete der US-Tochterfirma Reebok, die seit der Übernahme 2006 nie die Erwartungen erfüllte, ein letztes Aufbautraining mit dem hübschen Namen "Muscle-up".

So heißt eine besonders intensive Form von Krafttraining und man darf davon ausgehen, dass Rorsted Reebok ohne zu zögern abstoßen wird, wenn der Muskelaufbau in Gestalt von mehr Marktanteilen und Profitabilität nicht bald gelingt. Beides zu steigern ist auch bezogen auf den Gesamtkonzern Rorsteds Ziel. Gut gelingt dies in den USA, wo Adidas zuletzt den riesigen Rückstand auf Lokalmatador Nike zumindest etwas verkürzt hat.

"Herbert Hainer war ein Vertriebsmann, der Adidas erfolgreich auf Wachstum und Umsatz trimmte", sagt einer, der länger schon im Unternehmen ist. "Kasper Rorsted ist die Profitabilität sehr wichtig". Die beiden seien eben unterschiedlich sozialisiert. "Hainer hatte sich im Unternehmen hochgearbeitet, Rorsted kam bereits als erfahrener CEO eines etwa gleich großen Konzerns."

Übrigens angelockt von Hainer selbst. Beide gehören den Similaunern an, jener sagenumwobenen Seilschaft verschwiegener Top-Manager aus der deutschen Wirtschaft, die alle paar Monate zum gemeinsamen Gipfelsturm aufbrechen. Hainer war überzeugt, dass Adidas nach 15 Jahren unter seiner Führung Impulse von außen gut vertragen kann. Und ihm gefiel die Sportbegeisterung des früheren dänischen Jugendnationalspielers im Handball, ein Mann, der am Starnberger See wohnt, mit seiner Familie Ski fährt und ein großer Fan des FC Bayern München ist.

Apropos - bis 2019 vertritt Hainer dort im Aufsichtsrat der Fußball AG die Interessen des Minderheitseigners Adidas. Ursprünglich hieß es, Rorsted würde dann übernehmen, doch der winkt ab. "Herbert Hainer kennt den FC Bayern schon sehr lange und ich sehe keinen Grund, weshalb er sich dort nicht über 2019 hinaus im Aufsichtsrat engagieren sollte. Er nimmt die Interessen von Adidas sehr gut wahr. Damit hilft er auch mir dabei mich ganz auf das Unternehmen konzentrieren."

Denn trotz aller Erfolge, die Rorsted auch an diesem Mittwoch bei der Adidas-Hauptversammlung in Fürth ausbreiten wird, sieht er Adidas als Dauerbaustelle und sich als Bauleiter. Also greift er ein und durch. Kaum im Amt, verließen mit Glenn Bennet (Beschaffung) und Robin Stalker (Finanzen) zwei altgediente Fahrensmänner aus der Ära Hainer Adidas und wurden mit Gil Steyaert und Harm Ohlmeyer ersetzt.

"Wenn der Ton nicht von oben richtig gesetzt wird, kann man einen Konzern dieser Größe nicht führen."

Mit Karen Parkin zog die erste Frau in den Adidas-Vorstand ein; zuständig für Personal. "Das haben wir komplett geräuschlos hinbekommen und worüber ich mich besonders freue: Alle Neuen kommen aus dem eigenen Haus", sagt Rorsted. Intern wurde eine Gruppe von 150 Führungskräften definiert, die als potenzielle Kandidaten für höhere Weihen gelten und sich nun bewähren müssen. "Das müssen die richtigen Leute sein", sagt Rorsted, "denn wenn der Ton nicht von oben richtig gesetzt wird, kann man einen Konzern dieser Größe nicht führen." Vom Ziel, nahezu jeden dritten Managementposten mit einer Frau zu besetzen, ist Adidas aber weit entfernt. "Da kommen wir nicht schnell genug voran, da haben wir Nachholbedarf".

Er kam als Einzelkämpfer nach Herzogenaurach, ohne einen einzigen Getreuen aus Henkels Zeiten. Rorsted ließ sich neugierig auf Adidas ein und die Mitarbeiter dort sich auf ihn. Es kam an, wenn der Neue morgens um sechs im firmeneigenen Fitnessstudio trainierte und unverkrampft mit den meist viel jüngeren Mitarbeitern umging, ohne sich aber anzubiedern. Nach außen eckte er auch mal an, etwa bei den vielen Weisen des deutschen Fußballs, als er öffentlich über ein DFB-Pokalfinale in Asien nachdachte, der Globalisierung wegen.

Das häufigste Bild, mit dem der Wandel Rorsteds illustriert wird, ist das des Anzug- und Schlipsträgers aus Henkels Zeiten, der vom ersten Adidas-Tag an nur noch Hoodies, Shirts, Jeans und Sneakers trägt. Passend zu einem weiteren Mantra: "Ich habe hier meinen Traumjob, weil ich meine Leidenschaft Sport zum Beruf machen konnte".

Umso überraschender war, dass ausgerechnet bei der Bilanzpressekonferenz über das erste komplette Adidas-Jahr unter Rorsteds Führung Anfang März der Sport keine Rolle spielte. Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, mit einem Umsatzplus von währungsbereinigt 16 Prozent auf 21,22 Milliarden Euro und einem um fast ein Drittel auf 1,43 Milliarden Euro gestiegenen Gewinn. Rorsted redete dann auch nur über Zahlen und hinterließ den Eindruck, als würde er noch immer Waschmittel und Klebstoff verkaufen.

Das wiederum verstörte, denn die Sportartikelbranche ist hochemotionalisiert, weshalb die großen Marken gerne Kraft aus unvergesslichen Sportmomenten im Jahr zuvor schöpfen, welche die Welt selbstverständlich nur dem Umstand zu verdanken hat, dass die Athleten Schuhe, Hosen und Shirts des richtigen Ausrüsters trugen. Und dann wird für das neue Jahr noch mehr Glanz und Erfolg versprochen, für die Marke und ihre Sportler. Rorsted jedoch sprach nur ganz nebenbei von der bevorstehenden Fußball-WM.

Geht es also bei Adidas künftig nur noch um Profit und wird dadurch der Markenkern ausgehöhlt? Nein, nein, sagt Rorsted einige Wochen später, da habe man ihn völlig falsch interpretiert. Eine Bilanzpressekonferenz sei nun einmal für Zahlen da, doch im Alltag drehe sich bei ihm und bei Adidas alles nur um Sport. Bei der Firmengeschichte! Nicht umsonst hänge in seinem Büro ein Bild von Jesse Owen, dem farbigen US-Sprinter, der mit seinen Siegen bei Olympia 1936 in Berlin den Wahn der Nazis nieder rannte. In Schuhen der Gebrüder Dassler aus Herzogenaurach, die sich bekanntlich gut zehn Jahre später trennten und von denen fortan ein jeder sein Ding machte, Rudolf sein Puma und Adi sein Adidas. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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