Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister:Bitte anschnallen!

Interview With Swiss Air CEO Harry Hohmeister

Hohmeister fliegt auch in der Freizeit - als Hobbypilot.

(Foto: Ralph Orlowski/Bloomberg)

Harry Hohmeister soll bei Lufthansa den größten Umbau seit Jahren durchsetzen und den Tarifkonflikt entschärfen. Ist das zu schaffen?

Von  Jens Flottau

Ab Januar, glaubt Harry Hohmeister, wird alles besser. Dann wird er nicht mehr gleichzeitig mit der Swiss International Air Lines eine Fluggesellschaft leiten müssen, während er bei einer anderen ein aufwendiges Strukturprogramm vorbereitet, diverse Aufsichtsräte leitet, mehr oder weniger dauernd durch die Gegend fliegt, einen Umzug vorbereitet und zwischendurch daheim einmal Frau und den erst ein paar Wochen alten Sohn sieht.

"Besser" heißt dann konkret, dass der 52jährige Lufthansa-Vorstand nicht mehr auch noch zwischen Frankfurt und Zürich pendeln muss, weil er dann nach sechs Jahren den Vorstandsvorsitz bei der Swiss aufgegeben haben wird und in das neue Haus an der Bergstraße eingezogen ist. Aber sonst? Weniger zu tun gibt es nicht. Denn "das, was wir hier machen, ist der größte Strukturumbau bei der Lufthansa seit 20 Jahren", sagt Hohmeister. Der Umbau soll mit dazu beitragen, dass der Konzern wieder wettbewerbsfähig und somit in die Lage versetzt wird, zu wachsen, denn die Kosten im klassischen Geschäft mit den Drehkreuzen in Frankfurt und München, von denen aus die über 100 Langstreckenflugzeuge abheben, sind viel zu hoch. Ohne einen erfolgreichen Umbau wird Lufthansa schrumpfen und ein Schatten früherer Zeiten sein: es geht also um sehr viel. Der Strukturumbau wäre wohl kompliziert genug. Doch die außer Kontrolle geratenen Tarifkonflikte mit der Vereinigung Cockpit (VC) und der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO), die ewigen Streiks und die hohen Kosten im Flugbetrieb sind mittlerweile das noch viel größere Problem.

Dass Hohmeister es richten soll, ist für viele Beobachter eine Überraschung gewesen. Die meisten hatten damit gerechnet, dass er das Mandat bekommt, die neue Billigsparte Eurowings hochzuziehen, und Karl-Ulrich Garnadt seinen Job als Chef der "Lufthansa Passage" behält. Es kam genau umgekehrt: Garnadt wird Vorstand mit Zuständigkeit für Eurowings und Hohmeister ist bald verantwortlich für die größte Baustelle im Konzern, das klassische Geschäft.

Wie Konzernchef Carsten Spohr, 48, ist Hohmeister ein alter Lufthanseat, angefangen hat er in Frankfurt 1985 mit 21 Jahren. Doch anders als sein Chef blieb er nicht für immer, sondern war zwischendurch sogar ziemlich lange weg. Am Ende seiner ersten 14 Lufthansa-Jahre brachte es der Luftverkehrskaufmann zum Chef der Netzplanung, das ist einer der wichtigsten Jobs, den eine Airline vergeben kann. 2000 wechselte er zur damaligen Lufthansa-Tochter Condor und in die Geschäftsführung des Reisekonzerns Thomas Cook, fünf Jahre später holte ihn der damalige Swiss- und spätere Lufthansa-Chef Christoph Franz nach Zürich. Hohmeister leitete wieder das Netzmanagement, die Allianzen und den Vertrieb. 2009 wurde er Nachfolger von Franz als Swiss-Chef. Seit 2013 leitet er zusätzlich als Mitglied des Konzernvorstands das Ressort Verbund-Airlines und ist damit Oberaufseher von Austrian und Brussels Airlines.

Seinen gelben Ausweis - Türöffner, Zahlungsmittel in der Kantine, Eintrittskarte zum vergünstigten Fliegen für Mitarbeiter, vor allem aber Statussymbol - hat Hohmeister also schon seit zwei Jahren wieder, doch so richtig kehrt er erst jetzt zurück, nach 15 Jahren. Dieses Mal richtet er sich darauf ein, zu bleiben. Zehn Jahre lang werde er den Job wohl machen und dann eine wettbewerbsfähige Airline hinterlassen.

Dass er sich den Posten an der Airline-Spitze zutraut, daran lässt er keinen Zweifel, was nicht bei allen im Unternehmen immer gut ankommt. Man kann auch getrost davon ausgehen, dass Hohmeister sich noch mehr zutrauen würde, doch ob die Gelegenheit kommt, ist fraglich: Spohr ist gerade erst seit eineinhalb Jahren im Amt, vier Jahre jünger, und zieht gerade ziemlich konsequent sein Ding durch im Kampf mit den Gewerkschaften, sehr zur Freude des Aufsichtsrates.

Und jetzt muss er sowieso erst einmal liefern: Hohmeister hat sein Image als schlauer "High Potential", das er sich in den 90er Jahren erarbeitete, bislang bestätigt. So war die Swiss in den letzten Jahren konstant mit weitem Abstand die profitabelste Airline in der Gruppe. Aber die Lufthansa ist eine andere Hausnummer - sie ist viel größer, die Strukturen sind seit Jahrzehnten gewachsen, viele im Top-Management fürchten um ihre Stellung und Privilegien. In der Verwaltung sollen über die nächsten Jahre rund 1500 Stellen wegfallen, ein Kulturschock für den traditionell auf Konsens und Ausgleich ausgerichteten Konzern.

Am 1. Januar muss die neue Struktur stehen und die Sache wird nicht witzig. Für 50 Spitzenposten muss Hohmeister gerade unter 200 Kandidaten auswählen, 150 bekommen eine Absage.

In der Gruppe werden Funktionen zentralisiert, etwa die Produktstrategie. "Wir haben derzeit sechs verschiedene Business Class-Sitze, aber so viel Produktdifferenzierung ist für mich nicht sinnvoll." Austrian-Vertriebschef Andreas Otto soll deswegen künftig konzernweit verantwortlich sein für die Flugzeugkabinen. Auch neue Flugzeuge wie die Boeing 777 sollen künftig einheitlicher ausgestattet werden. "Es ist leicht, jemandem zu sagen, dass er jetzt für alle zuständig ist. Aber es ist schwer, den fünf anderen zu sagen, dass sie es nicht mehr sind." Zwar versucht Lufthansa in der Regel, die Leute in anderen Bereichen unterzubringen, anders als früher ist das nicht mehr sicher. Ähnlich wie beim Produkt werden auch andere Funktionen zentralisiert: Der Vertrieb von Swiss, Austrian und Lufthansa, die Preissteuerung, das Marketing. Und über allem sitzt Harry Hohmeister.

Ob das Konstrukt wirklich funktioniert, daran haben unabhängig von Personen viele ihre Zweifel. Und die Lage wird nicht dadurch leichter, dass Lufthansa gerade schrumpft, zumindest was die Zahl der Flugzeuge angeht. Konzernchef Spohr hat sich festgelegt, dass er so lange die Flotte nicht wachsen lässt, bis die Flugbegleiter und die Piloten sich auf für das Unternehmen akzeptable Kompromisse eingelassen haben. Danach sieht es derzeit allerdings gerade überhaupt nicht aus und so wird Hohmeister sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie er sein Streckennetz so verkleinert, dass ein möglichst geringer Schaden entsteht. Alternativen gibt es: "Wir könnten mehr über Wien oder Zürich fliegen und mehr an Eurowings geben", sagt Hohmeister. Aber er glaubt auch: "Wir werden uns einigen."

Hohmeister hat Erfahrung mit langwierigen Tarifauseinandersetzungen. Bei der Swiss hat er mit den Piloten zweieinhalb Jahre lang verhandelt, bis es am Ende eine Einigung gegeben hat, und zwar ohne Streik. "Ein Streik sollte immer das allerletzte Mittel der Auseinandersetzung sein," findet er.

Aus dem aktuellen Geschehen hält Hohmeister sich mangels Zuständigkeit offiziell noch heraus. Aber es wird spannend sein, zu beobachten und ziemlich wichtig für Lufthansa, wie er sich verhalten wird, wenn er von Januar an qua Amt mitreden muss in Sachen Tarifkonflikt. Spohr lässt Personalvorstand Bettina Volkens bislang mehr oder weniger alleine walten. Doch die Strategie ist nicht aufgegangen, auch weil es menschlich zwischen Volkens und den Gewerkschaftsführern überhaupt nicht funktioniert. Es gäbe also ein paar Anlässe, einzuschreiten, zumal die Gewerkschaftsseite den an sich verständlichen Wunsch geäußert hat, einmal mit jemandem zu verhandeln, dessen Standing im Vorstand sicherstellt, dass einmal ausgehandelte Vereinbarungen halten und nicht ständig zurückgenommen werden. Hohmeister traut sich garantiert zu, die Sache in den Griff zu bekommen. Er selbst lässt, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden, noch offen, was er tun wird. "Bettina Volkens ist in der Verantwortung", sagt er nur und lobt das Arbeitsklima: "Wir haben ein gutes Miteinander im Vorstand."

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