Mitarbeiterkontrolle:Petzen per Software

Arbeit am Computer

Für Bestellungen bei Amazon genügen wenige Klicks, für das Anschwärzen eines Kollegen auch.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Immer mehr Personalabteilungen werten Daten aus, um ihre Mitarbeiter zu kontrollieren.

Von Kathrin Werner, New York

Wer zu spät kommt, den bestraft die Technik. Wer einst einen Stundenzettel ausfüllen musste, bei dem niemand merkte, wenn er acht Uhr als Arbeitsbeginn eintrug, obwohl er erst um 8.07 Uhr den Computer hochfuhr, wird sich umstellen müssen in der neuen von Software unterstützen Arbeitswelt. Die Software merkt, wann man wirklich arbeitet. Und wenn es die Software nicht von selbst festhält, dann sieht es der Kollege, der am Nachbar-Schreibtisch sitzt und selbst etwas in die Software eintragen kann.

Amazon ist in den vergangenen Tagen in harte Kritik geraten für Mitarbeiter-Schikane und -Überwachung. Der Onlinehändler ist Vorreiter bei der Kontrolle der Mitarbeiter durch die Auswertung von Daten. Daten sagen, welcher Manager am wenigsten verkauft, die meisten Kundenbeschwerden verursacht oder den Nachschub zu spät bestellt. Sie sagen, wer zu früh nach Hause geht, zu oft krank ist oder im Urlaub erst spät auf E-Mails antwortet. Besonders in der Kritik steht ein Programm, das Lob oder Kritik an den Kollegen schnell an die Vorgesetzten sendet, das sogenannte Anytime Feedback Tool.

Die New York Times hat einen langen Artikel über die Probleme der Amazon-Mitarbeiter veröffentlicht, in dem sich viele über diese Petz-Software beschwerten. Sie bietet Voreinstellungen. Ein Beispiel-Text, den Amazon als Beschwerde über Kollegen vorschlägt, lautet: "Ich mache mir Sorgen über seine mangelnde Flexibilität und sein offenes Klagen über kleinere Aufgaben." Zum Beispiel geriet eine Mutter, die nach der Geburt ihres Kindes jeden Tag von 7 Uhr morgens bis 16.30 am Nachmittag arbeitete, dann ihr Kind aus der Krippe holte und zu Hause weiter arbeitete, ins Visier ihrer Kollegen. Im Anytime Feedback Tool beschwerten sie sich, dass sie immer so früh nach Hause gehe - sie hatten nicht mitbekommen, dass sie morgens vor allen anderen im Büro erschien und abends weiter arbeitete. Die Frau verließ das Unternehmen. Ein Problem der Software ist, dass die Kritisierten nichts von der Kollegen-Schelte wissen und sich schlecht wehren können. Das meiste Feedback sei positiv, sagte dagegen ein Amazon-Sprecher.

Das Computerprogramm errechnet sogar, ob jemand demnächst kündigen könnte

Amazon ist ein Extremfall, kaum ein Unternehmen nutzt Daten und Petz-Software so intensiv wie der Onlinehändler aus Seattle. Doch eine Ausnahme ist Amazon keineswegs. Die Human-Resources-Manager, wie die Amerikaner ihre Personaler nennen, nutzen immer mehr große Datenmengen, um die eigene Mannschaft zu verwalten und zu kontrollieren. Eines der prominentesten Unternehmen, das sich auf solche Technik spezialisiert hat, ist Workday aus Kalifornien. Mit Workday-Software namens Human Capital Management (HCM) - wie der Name schon sagt geht es um die Verwaltung des Humankapitals - überlässt die Personalabteilung nichts mehr dem Zufall. Per App kann der Humankapital-Manager zum Beispiel jederzeit nachschauen, wer wann wie lang gearbeitet hat. Er kann auf die Kalender jedes Mitarbeiters zugreifen und sehen, ob er am Nachmittag Zeit für ein Meeting hat. Er kann die Mitarbeiter nach Qualifikation sortieren und so Teams zusammenstellen.

Teil der Humankapital-Software ist auch eine Petz-App, sie heißt Collaborative Anytime Feedback und funktioniert auf dem Smartphone. "Manager und Mitarbeiter haben jetzt ein gemeinsames Werkzeug, um jederzeit Feedback über einen Mitarbeiter einzufordern und abzugeben", wirbt das Unternehmen. Das Feedback könne dann in die jährlichen Mitarbeiterbewertungen oder in die Datenbank für das Talent-Profil des Mitarbeiters einfließen.

Einer der Investoren von Workday, ist Jeff Bezos. Der Chef von Amazon hat dem Unternehmen vor vier Jahren gemeinsam mit anderen 85 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen gegeben. Bezos will so viel wie möglich aus seinen Mitarbeitern herausholen - seine Humankapital-Software hilft ihm herauszufinden, wie weit er gehen kann. Ein Teil der Software ist auch eine Grafik, auf der alle Mitarbeiter je nach Kündigungs-Risiko verteilt sind. Etliche Daten fließen ein, um rechtzeitig zu merken, wann ein Mitarbeiter überlastet oder aus anderen Gründen unglücklich ist mit der Arbeit. Wer ein roter Punkt ist und eher rechts auf der Skala eingeordnet ist, wandert wahrscheinlich innerhalb des nächsten Jahres ab.

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