Mini-Bonds:Der Risikomarkt

Illu Mittelstand

Illustration: Stefan Dimitrov

Mittelstandsanleihen heißen jetzt Mini-Bonds. Ihre Zukunft bleibt jedoch ungewiss. Viele Firmen nutzen inzwischen andere Kapitalquellen.

Von Norbert Hofmann

Ob der Brühwürfelhersteller Zamek oder das Modehaus Steilmann, ob Alno Küchen, Air Berlin oder Beate Uhse: Es waren klangvolle Namen, die Anleger an den Markt für Mittelstandsanleihen gelockt und dann bitter enttäuscht haben. Mit der steigenden Zahl der Insolvenzen ist das Vertrauen der Anleger in diese speziellen Wertpapiere Stück für Stück geschwunden. Heute ist der Markt völlig am Boden, ganz zerstört ist er noch nicht.

Gerade hat die FCR Immobilien AG mit einer jetzt an der Frankfurter Börse gehandelten Anleihe neun Millionen Euro bei privaten und institutionellen Investoren eingesammelt, die sich auf eine jährliche Verzinsung von sechs Prozent freuen. Das Geld will der auf Einkaufs- und Fachmarktzentren spezialisierte Emittent in den Ausbau seines Immobilienbestands stecken.

Bei den Neuemissionen ist der Immobiliensektor prägend

Neuemissionen mittelständischer Anleihen stammen zu einem großen Teil aus diesem Sektor. Hinzu kommen Emittenten aus anderen Branchen, die ihre Verpflichtungen aus früheren Anleihen eingehalten und das Vertrauen der Anleger gewonnen haben. Der Markt für Mittelstandsanleihen war und ist vor allem aber auch von hochgradig spekulativen Papieren geprägt, so ein Resümee der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsgesellschaft Capmarcon. "Anleger haben in Unternehmen investiert, die aufgrund ihrer Eigenkapital- und Ertragsschwäche oder sogar ihres unternehmerischen Versagens eigentlich keine Mittel bekommen sollten", sagt Geschäftsführer Hans-Werner Grunow.

Das Emissionsvolumen neuer Mittelstandsanleihen lag in 2017 nach Berechnungen der Kommunikationsagentur Kirchhoff Consult mit 791 Millionen Euro noch einmal um zehn Prozent unter dem Vorjahr. Grund war vor allem das Fehlen großer Einzelvolumen. Die Zahl der Emission dagegen ist sogar von 16 auf 23 gestiegen. Allerdings war der Immobiliensektor prägend. Für den breiten Mittelstand dagegen ist das Segment kaum noch interessant. Denn selbst Firmen mit eher schwächerer Bonität haben heute gute Chancen, Bankkredite zu betriebswirtschaftlich vertretbaren Konditionen zu erhalten. "Eigentlich sollten gut geführte Unternehmen in einem solchen Umfeld nicht auf die teure Finanzierung mit Mittelstandsanleihen angewiesen sein", sagt Grunow.

Die Experten der Commerzbank bestätigen die Einschätzung. Sie beobachten derzeit kaum noch Interesse. Die in 2017 ausgelaufenen Anleihen seien mit klassischen Bankfinanzierungen - sei es als bilaterale Darlehen oder in Form von Konsortialkrediten - refinanziert worden. In diesem Jahr werden bei weiteren 16 Unternehmen Rückzahlungen fällig. Entscheidend für die Anschlussfinanzierung ist die Geschäftslage und damit das Vertrauen potenzieller Geldgeber, aber auch die Sichtweise alter Gläubiger.

Ganz bewusst neue Finanzierungsstrukturen etwa sucht der Hemden- und Blusenspezialist Seidensticker, der im März 30 Millionen Euro aus einer vor sechs Jahren begebenen Anleihe zurückzahlen wird. Das Familienunternehmen hat sich bei der Refinanzierung nun für eine Kombination aus langfristigen Konsortialkrediten, Genusskapital und Forderungsverkauf durch Factoring entschieden. Genussrechte gelten als Mischform zwischen Aktien und nachrangigen Anleihen. Die Geldgeber sind dabei einerseits an der Gewinn- und Verlustentwicklung beteiligt, andererseits sind sie nachrangige Kreditgeber ohne Mitspracherechte. Das neue Konzept, so gab die Firmengruppe bekannt, werde den Finanzierungsaufwand deutlich verringern und mehr Flexibilität bieten. Einen anderen Weg geht das Essener Familienunternehmen Sanha. Die Anleihegläubiger des Spezialisten für Rohrsysteme in Gebäuden haben bereits im September einer Verlängerung der Laufzeit um fünf Jahre zugestimmt. Das bisher mit 7,75 verzinste Finanzierungsvolumen wird nun gestaffelt vergütet, wobei der im ersten Jahr der Verlängerung fällige Zinssatz von 8,5 Prozent in den Folgejahren schrittweise auf 6,25 Prozent sinkt. Im Durchschnitt ergibt sich so ein Zinssatz von 7,0 Prozent jährlich über die verlängerte Laufzeit.

Wie aber geht es mit dem Markt der Mittelstandsanleihen weiter? Trotz der hohen Ausfallquote finden sich derzeit noch immer Anleger, die die Risiken in Kauf nehmen. "Das Instrument an sich hat seine Berechtigung und wird unter dem neuen Namen Mini-Bonds vor allem bei steigenden Zinsen wieder auf Resonanz stoßen", sagt Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt. Investoren aber würden künftig mehr auf ordentliche Bonitäten achten und Pleitekandidaten meiden. Ertragsschwache Firmen ohne Eigenkapital suchen derweil nach neuen Rettungsankern. Sie sind oft auf schnelle Finanzierungen angewiesen, die sie bei Banken selbst in dem heute außergewöhnlich positiven Umfeld nicht erhalten. Manche dieser Firmen wollen jetzt offenbar vom guten Ruf des Schuldscheindarlehens profitieren.

Dieses Finanzierungsinstrument ermöglicht üblicherweise Unternehmen mit guter Bonität die Kreditaufnahme bei institutionellen Investoren. Finanzboutiquen, die in der Vergangenheit auch schon als Arrangeure einiger Mittelstandsanleihen aktiv waren, haben im vergangenen Jahr unter dem Namen "Schuldschein" einige überdurchschnittlich ausfallgefährdete Darlehen bei Anlegern - unter ihnen auch kleinere Sparkassen - platziert. Laut Capmarcon ist das quasi "Mittelstands-Anleihen reloaded" im Kleinformat. Findige Finanzdienstleister haben mit diesen Risiko-Schuldscheinen eine Nische für hochgradig spekulative Finanzanlagen ausgemacht", sagt Grunow.

Firmen mit guter Bonität dagegen nutzen das Instrument Schuldscheindarlehen zunehmend, um sich größeren Finanzierungsbedarf mittelfristig zu sichern. Gleichzeitig wollen sie Vertrauen schaffen. Bei einem Emissionsvolumen von 27 Milliarden Euro hat der Markt in 2017 in etwa wieder das Rekordniveau des Vorjahres erreicht. "Insbesondere Familienunternehmen schätzen die geringen Publizitäts- und Dokumentationserfordernisse von Schuldscheinen", sagt Christian Groschupp von der Beratungsgesellschaft Dr. Wieselhuber & Partner. Attraktiv seien für die Firmen zudem beim aktuellen Zinsniveau die möglichen langen Laufzeiten von mehr als acht Jahren. "Der Trend zu Schuldscheindarlehen ist ungebrochen. Sie könnten wegen ihrer Kostenvorteile auch jene Firmen anziehen, die früher Mittelstandsanleihen begeben haben", meint Wissenschaftler Schiereck.

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