Mindestlohn in den USA:Niedrig und umstritten

General Economic Imagery From Nevada Ahead Of The Republican Primary

In den amerikanischen Restaurants sind die Löhne besonders niedrig, weil die Mitarbeiter Trinkgeld bekommen. Darüber wird derzeit heftig debattiert.

(Foto: David Paul Morris/Bloomberg)

Erhöht der Mindestlohn die Arbeitslosigkeit oder nicht? In den USA hat man Erfahrung mit den Lohnuntergrenzen sammeln können - die Ergebnisse sind alles andere als eindeutig.

Von Nikolaus Piper, New York

Die Frage nach der richtigen Höhe des Mindestlohns beschäftigt die amerikanische Öffentlichkeit seit Jahren. In seiner Rede zur Lage der Nation forderte Präsident Barack Obama am 12. Februar eine Erhöhung des Mindestlohnes von derzeit 7,25 Dollar (5,37 Euro) in der Stunde auf 9,00 Dollar (6,67 Euro); die dazu notwendige Änderung des "Gesetzes über den fairen Mindestlohn" ist aber bis heute nicht beschlossen, weil die Republikaner im Kongress dagegen Widerstand leisten.

Die eigentlichen Auseinandersetzungen über das Thema finden ohnehin in den Bundesstaaten statt; fast jeder Staat hat sein eigenes Gesetz, das dort für die meisten Beschäftigten gilt. Dabei können die Sätze höher, aber auch niedriger liegen als nach Bundesgesetz.

In New York liegt der Mindestlohn derzeit wie im Bund bei 7,25 Dollar. Vom 1. Januar 2014 an wird der Satz bis Ende 2015 schrittweise auf 9,00 Dollar steigen. Beschäftigte in Restaurants, die Trinkgeld bekommen, haben dabei nur Anspruch auf 5,00 Dollar (3,70 Euro) - ein Grund, weshalb Kellner sauer werden, wenn sie von Touristen weniger als 15 Prozent "Tipp" bekommen. Die höchsten regulären Mindestlöhne werden mit 9,19 Dollar im Bundesstaat Washington gezahlt, die niedrigsten in Georgia und Wyoming (5,15 Dollar).

Rückschlüsse auf Deutschland sind schwierig

Die entscheidende Frage ist auch in den USA: Erhöht der Mindestlohn die Arbeitslosigkeit oder nicht? Gerade wegen der Unterschiede zwischen den Bundesstaaten wäre das Land eigentlich ein ideales Forschungsgebiet. Leider sind die Ergebnisse alles andere als eindeutig. Kalifornien etwa hat einen der höchsten Mindestlöhne der USA und auch eine weit überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit. Doch einige Südstaaten leiden ebenfalls unter hoher Erwerbslosigkeit, obwohl der Mindestlohn dort niedrig ist.

Bis heute viel zitiert wird eine Studie der Ökonomen David Carr und Alan Krueger (letzterer ist heute oberster Wirtschaftsberater von Obama) aus dem Jahr 1994. Die beiden hatten die Jobs in Fast-Food-Restaurants in New Jersey und im benachbarten Pennsylvania untersucht, nachdem New Jersey den Mindestlohn erhöht hatte, Pennsylvania jedoch nicht. Ergebnis: Die Erhöhung in New Jersey hatte keinen wahrnehmbaren Effekt auf die Arbeitsplätze.

So oder so lassen sich aus den amerikanischen Ergebnissen nur sehr begrenzt Rückschlüsse auf Deutschland ziehen - ganz einfach weil der Mindestlohn so niedrig ist. Der von der SPD geforderte Satz von 8,50 Euro liegt umgerechnet um fast 60 Prozent über dem derzeit in New York gültigen Satz.

Realer Mindestlohn niedriger als in den siebziger Jahren

Selbst nach der Erhöhung auf 9,00 Dollar wird der Angestellte einer Fast-Food-Kette, der 40 Stunden in der Woche arbeitet und keine Ferien hat, ganze 18.720 Dollar im Jahr verdienen, womit er unter der offiziellen Armutsgrenze von 23.050 Dollar liegt, wie der Wirtschaftsblog An Economic Sense errechnete. Zudem ist der reale Mindestlohn, also unter Abzug der Inflation, heute deutlich niedriger als noch in den siebziger Jahren.

Wegen der exorbitant hohen Lebenshaltungskosten in New York gibt die Umrechnung der Dollar-Beträge in Euro zum offiziellen Kurs die Wirklichkeit auch nur verzerrt wieder. Nach einem Rechner, den die Professorin Amy Glasmeier von der Pennsylvania State University entwickelt hat, bräuchte ein Arbeitnehmer in New York 12,75 Dollar in der Stunde zum Leben.

Nicht zu unterschätzen ist auch die ökonomische Wirkung der Einwanderung. Viele Neubürger starten ihre Existenz als Amerikaner mit einem Restaurant, einem Kiosk oder einem anderen Mom-and-Pop- Business, in dem nur Familienmitglieder arbeiten. Das Geschäftsmodell beruht auf Selbstausbeutung. Und schließlich gibt es noch die illegalen Einwanderer: Nach Schätzungen von 2007 waren damals 374.000 nicht dokumentierte Arbeitnehmer in New York beschäftigt, als Tellerwäscher, Bauarbeiter, Kellner und in vielen anderen Berufen. Deren Löhne lagen "signifikant" unter denen der legal Beschäftigten. Um wie viel, lässt sich freilich nur schwer feststellen.

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